Sandra Pfister: Da trifft man beim Coworking gern mal milliardenschwere Start-up-Gründer. Das ist längst nicht mehr nur was für freischaffende Hipster, die sich kein eigenes Büro leisten können. Coworking hat sich offenbar verändert. In welche Richtung, darüber wollen wir jetzt reden mit Dr. Stefan Rief, Leiter des Kompetenzzentrums beim Fraunhofer Institut, das sich mit Innovationen am Arbeitsplatz befasst. Guten Tag, Herr Rief!
Stefan Rief: Hallo, guten Tag!
Unternehmen nutzen verstärkt Coworking Spaces
Pfister: Wir können ja mal bei dem klassischen Modell bleiben, was so vor rund 20 Jahren entstanden ist: Den meisten Freiberuflern, die damals mitmachten, ging es ja darum, auch mal Kollegen zu haben, Austausch zu haben, nicht so einsam zu sein und immer zu Hause am Küchentisch zu sitzen. Erfüllen Coworking-Arbeitsplätze diesen Anspruch auch noch heute?
Rief: Absolut, je nach Zielgruppe. Es gab dann auch eine Studie, die mal gezeigt hatte, dass Sie mehr Umsatz machen, wenn Sie in persönlichen Netzwerken arbeiten – das war so die ursprüngliche Idee. Es kommt also tatsächlich aus dem selbstständigen Bereich. Was sich die letzten Jahre verändert hat, ist, dass immer mehr Unternehmensmitglieder oder Corporates Coworking Spaces nutzen, und ich glaube, das ist schon eine unterschiedliche Perspektive, weil sie gehen dorthin, um Inspiration zu bekommen. Die gehen auch nicht unbedingt alleine hin, sondern in kleinen Gruppen und Teams, um eben raus zu sein aus dem Unternehmen und auch andere Leute und Impulse und Ideen zu treffen.
Pfister: Also ich verstehe das richtig, das sind Großunternehmen, die mieten Coworking-Arbeitsplätze an, damit ihre Mitarbeiter da noch mal richtig kreativ werden.
Rief: Genau, die schicken die in Projektgruppen dahin – sowohl einzelne, aber häufiger in Projektgruppen zwei, drei Personen, oder mieten sich in etwas größeren Teams ein. Das ist eigentlich das, was man so seit zwei, drei Jahren beobachten kann. Also von den Unternehmen gibt es auch die Einzelnen, die das nutzen, die sagen, das ist in der Nähe von meinem Zuhause, ich möchte es mal ausprobieren, aber ich sag mal, mehr sind es Gruppen, die dort hingehen.
Pfister: Und dient das alles nur dem Anfeuern der Kreativität, ist das dann wirklich so menschenfreundlich, oder steckt dahinter auch, dass Mitarbeitern die Schreibtische im Büro zusammengestrichen werden?
Rief: Tatsächlich ist bei Coworking mehr im Fokus Förderung von Kreativität, von Inspiration, von Vernetzung mit anderen, also ist jetzt nicht die rauszuschicken und die müssen sich dann irgendwo ein Plätzchen suchen oder irgendwo anders einzumieten, sondern das ist schon ganz bewusst vor dem Fokus.
"Viel Community-Management auch, was die machen"
Pfister: Es gibt ja auch inzwischen richtige Unternehmen, die darauf spezialisiert sind, diese gemeinsamen Großraumbüros zur Verfügung zu stellen. Eins expandiert jetzt gerade auch nach Berlin und nach München und mieten da 13.000 qm, schaffen den größten Coworking Space Deutschlands, das ist also auch ein Geschäftsmodell, mit dem die richtig Geld machen. Wie verändert das dann insgesamt die Arbeitswelt?
Rief: Tatsächlich ist das so eine Professionalisierung, es gibt ja auch noch andere Unternehmen, die das weltweit und in der Größenordnung machen. Und was spannend ist, es ist ja nicht ein großes Großraumbüro, das dort geteilt ist, sondern tatsächlich gibt es Plätze, an die man sich einmieten kann, die tatsächlich mit anderen teilen. Es gibt aber Projekträume, Projektzonen, und die managen das natürlich ganz gut auch wie so ein, wie soll ich sagen, manchmal wie so eine Art Concierge, der einfach dann auch Leute zusammenbringt. Und meist haben die anderen ein digitales Netzwerk dahinter, also dass sie Teil dieser Gemeinschaft sind, dann nehme ich vielleicht in Berlin irgendwie so ein Space, also ich kann mich ganz einfach als Angehöriger oder Zugehöriger dann auch mit irgendeinem anderen Space woanders vernetzen. Also es ist wirklich viel Community-Management auch, was die machen – mit spannendem Design, abwechslungsreichen Gestaltungen. Und tatsächlich ist natürlich vom Unternehmensmix ganz interessant auch, was für unterschiedliche Leute man dort trifft.
Man muss sich das so ein bisschen vorstellen, wenn man länger in einem Unternehmen ist, dann, ja, man hat sein politisches Umfeld, man kennt, wie die anderen funktionieren, man hat seine Komfortzonen, und manchmal treffe ich dann auch gar nicht mehr auf so viel Neues und Neue.
Pfister: Nutzen das denn Unternehmen quer durch alle Altersgruppen und auch durch alle Industriesparten, oder ist das dann letztlich doch irgendwas für Werbeunternehmen oder für Start-ups?
Rief: Also ganz klar hat es eher begonnen so im Lifestyle-Bereich, aber mittlerweile nutzen das ganz klassische Unternehmen wirklich aus allen Branchen. Man muss jetzt einmal so ein bisschen unterscheiden, es gibt ja gerade mehrere Dinge, ob jetzt Coworking Space oder dann entstehen ja Innovationslabore, die dann von dem Unternehmen selbst betrieben werden, wo die dann wiederum Freelancer anlocken und andere, um miteinander zu arbeiten, aber Coworking ist eben ein erster guter Schritt, weil ich muss einfach nur einen Arbeitsplatz anmieten oder eine Projektfläche für eine gewisse Zeit, für Tage, für ein paar Wochen, und kann loslegen.
"Als Ergänzung zum normalen Arbeiten"
Pfister: Mal ganz banal gefragt: Wie teuer ist denn so ein Coworking-Arbeitsplatz?
Rief: Ich hab jetzt nicht alle Preise im Kopf, aber so zwischen 200 und 600 Euro im Monat, je nach Lage, nach Situation und eben auch nach Modell, ob ich jetzt nur eine Arbeitsplatzberechtigung kaufe oder ob ich mir einen festen Tisch kaufe oder ob ich mir das vielleicht auch in einem eigenen Raum in diesem Space mache.
Pfister: Und wenn ich Sie richtig verstehe, Sie finden das gut, weil durch diese räumlichen Veränderungen Mitarbeiter auch einfach mal auf ganz andere Gedanken kommen.
Rief: Absolut. Ich finde es eine spannende Entwicklung als Ergänzung zum normalen Arbeiten. Ich würde jetzt nicht sagen, dass man alle dauerhaft in Coworking Spaces schicken muss, aber immer mal wieder von einer anderen Stelle unter anderen Menschen zu arbeiten, ich glaube, das ist schon sehr gut – vor allem, wenn man lange Unternehmenszugehörigkeiten hat.
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