Blumige Worte in der Ankündigung der Ausstellung - Lucas Cranach der Ältere habe sich in Gotha in seine spätere Frau Barbara, Tochter des örtlichen Bürgermeisters, "verliebt". Außerdem habe er zwei Häuser in der Stadt besessen. Und dann wurde auch noch angedeutet, Cranach der Ältere sei in Gotha gestorben, was so manchen, vor allem in Weimar mit seinem Cranach-Haus, verwundern dürfte. Insgesamt also eine ziemlich dünne kunsthistorische Ausgangslage für eine Ausstellung zum 500. Geburtstag von Lucas Cranach dem Jüngeren in Gotha. Die Wartburg in Eisenach oder die Klassik-Stiftung in Weimar, wo in den kommenden Tagen weitere Ausstellungen des Cranach-Jahres eröffnen, erscheinen plausibel wegen ihres Symbolwertes für die Reformation oder weil es tatsächliche und dauerhafte Lebensbezüge der Cranachs zu den Orten gibt. Aber zu Gotha?
Der Ältere lieferte die prominenteren Bildmotive
Die Ausstellung im Herzoglichen Museum selbst trägt wenig Erhellendes bei, warum ausgerechnet hier das Cranach-Jahr eröffnet wird. Die Stadt war, wie Weimar, ein Zentrum des ernestinischen Hofes, aber eher auf Naturwissenschaften, denn auf bildende Künste ausgerichtet. Und im Gegensatz zu ihrem Kollegen Albrecht Dürer interessierten sich die Cranachs auch eher wenig für wissenschaftliche Dimensionen in der Malerei. Dass in dieser Schau auch ungleich viel mehr Arbeiten von Cranach dem Älteren zu sehen sind, obwohl ja eigentlich der 500. Geburtstag seines Sohnes begangen wird - geschenkt. Der Ältere hat natürlich die prominenteren Bildmotive geliefert, wie die auf ungezählten Taschenbuchumschlägen reproduzierte "Venus mit Cupido", die als Kopenhagener Leihgabe nach Gotha gekommen ist. Und die alte, ungelöste Frage, wem am Ende in der Cranach-Werkstatt welche Bilderfindung zukommt, Vater oder Sohn oder gar einem sonstigen Angestellten - sie wird auch hier ungelöst bleiben. Am Ende schätzt man sich in Gotha verständlicherweise selig, mit kostbaren, leichthändig platzierten Leihgaben etwa aus dem Frankfurter Städel, der Nationalgalerie in Prag oder dem Puschkin-Museum in Moskau prunken zu dürfen. Kunsthistorische Tiefenforschung interessiert da weniger.
Auf einem Rundgang durch neun Säle sollen die Bilder in kurzen, stichpunktartigen Kapiteln die Entwicklung der Cranach-Werkstatt vom Hof- und Repräsentations-Atelier zu einer Art Bildagentur im Dienst der Reformation mit einem für die damaligen Verhältnisse beispiellosen Ausstoß an viral verbreiteten Bildmotiven nacherzählen. Cranach der Ältere machte sich seit seiner Zeit am Kursächsischen Hof in Wittenberg daran, aus den verpflichteten Bildprogrammen der höfischen Malerei, den klassischen Stifterbildern und Herrscherporträts, bestimmte Bildformeln zu destillieren, die eingängig und geradezu sexy anzusehen waren. Der Grazilität seiner für damalige Verhältnisse noch unerhört erotischen weiblichen Akte, die er unter immer neuen inhaltlichen Vorwänden platzierte, können sich auch heutige noch nur wenige Kunstfreunde entziehen. Letztlich war es ja auch diese Cranachsche Begabung, aus hergebrachten Motiven neue, optisch anziehende Botschaften zu formen, die ihn zum Chefdesigner reformatorischer Images für die ernestinischen Herzöge werden ließen. Genau dafür folgte er ja auch seinem dritten Dienstherren, Johann Friedrich dem Großmütigen, 1550 in die Gefangenschaft.
Erst mal die Schaulust bedienen
Radikale Programmbilder zu Luthers anti-klerikalem Glaubensbegriff wie "Gesetz und Gnade", in denen geschickt der Stoff althergebrachter Andachtsbilder mit gängigen Motiven der neuen reformatorischen Lehre umarrangiert werden, oder auch seine vielfältigen Spottflugblätter auf das Papsttum sind Anlass genug, ihn für zwei Jahre aus dem Verkehr zu ziehen.
Das Thema, das sich die Ausstellung zum Titel genommen hat: Bild und Botschaft, berührt dabei unwillkürlich die ganze Art der Herleitung von Cranachs neuen Bildtypen aus den Bildprogrammen der mittelalterlichen Andachtskunst und privaten Glaubensunterweisung, die ja mit den Anfängen der deutschen Mystik um Meister Eckhart durchaus auch eine Art Tradition in Thüringen hatte. Aber in Gotha hält man sich schon aus Gründen des Stadtmarketings offenbar lieber erst einmal an das bewährte Prinzip der Cranach-Werkstatt - erst mal die Schaulust bedienen. Alles andere ergibt sich dann schon. Oder auch nicht.