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Crash im All

Astronomie. - Die Venus unterscheidet sich in Vielem von ihren Geschwistern: Sie hat keinen Mond, zeigt keine Tektonik, hat kaum Einschlagskrater und sie rotiert als einziger Planet in unserem Sonnensystem im Uhrzeigersinn. US-Forscher vermuten als Ursache dafür einen gewaltigen Zusammenprall.

Von Guido Meyer |
    Als unser Sonnensystem entstand, vor rund viereinhalb Milliarden Jahren, da ist im All so ziemlich alles mit allem zusammengestoßen. Durch eine solche Kollision entstand wahrscheinlich der Erd-Mond, es entstand der mit kosmischen Bruchstücken angefüllte Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter und der Kuiper-Gürtel am Rande unseres Planetensystems. Warum also sollte die Venus von einem solchen Knall im All verschont geblieben sein?

    "Venus ist durch den Zusammenprall von zwei mehr oder weniger gleichgroßen Körpern entstanden. Jeder von ihnen wäre etwa halb so groß gewesen wie die Venus. Vor der Kollision hätten beide die Sonne in der Nähe der heutigen Venus-Umlaufbahn umkreist."

    Huw Davies von der Abteilung für Erd- und Ozeanwissenschaften der Cardiff-Universität hat diese These zwar nicht aufgestellt, sie aber mit neuen Modellen untermauert. Die Idee, dass die Venus das Ergebnis einer kosmischen Kollision ist, ist nicht neu, hat aber bisher ebenso viele neue Fragen aufgeworfen wie alte beantwortet. Hätte beispielsweise dabei nicht ein Mond entstehen müssen, den die Venus nicht hat?

    " Die Wissenschaftsgemeinde hat bislang angenommen, dass bei Kollisionen immer ein Mond entstehen müsse. Wenn aber zwei ungefähr gleichgroße Himmelskörper frontal aufeinanderstoßen, würde nach meinem Modell kein Material in den Weltraum geschleudert, das sich hätte zusammenballen können zu einem Mond."

    Als Nebeneffekt könnte ein solcher Crash mit weiteren Anomalien des Planeten aufräumen. Er könnte erklären, warum die Venus quasi links herum rotiert. Ein solches Verhalten dürfte nicht möglich sein, wenn alle Objekte unseres Sonnensystems aus derselben protoplanetaren Staubscheibe entstanden sind. Das Zusammenprallen und Verschmelzen beider Körper hätte auch die Oberfläche des fusionierten Planeten völlig neu geformt. Dies wiederum würde erklären, warum es auf der Venus viel weniger der sonst überall im Sonnensystem üblichen Meteoriten-Einschlagkrater gibt.

    "Wie aber kommt das ganze Kohlendioxid in die Atmosphäre? Durch eine Kollision würde das Gestein schmelzen und das in ihm gespeicherte Kohlendioxid in die Luft entlassen. Kohlendioxid ist schwerer als Wasserstoff und wird daher von der Atmosphäre zurückgehalten; es entweicht nicht. Es staut sich an und führt so zum Treibhauseffekt, den wir heute auf der Venus beobachten."

    Last not least wären auch die Ozeane auf der Venus Opfer des Zusammenstoßes geworden. Der Sauerstoffstoff im H2O hätte sich mit Eisenatomen verbunden; der leichte Wasserstoff wäre entwichen. Diese Theorien teilen einige Planetologen in Europa und den USA. David Grinspoon, Professor für Extraphysik und Planetenwissenschaften an der Universität von Colorado, weist jedoch darauf hin, dass nicht klar sei, wie schnell Venus ihr Wasser verloren habe.

    " Wir wissen, dass die Atmosphären aller Planeten im Laufe der Zeit Gas verlieren. Auch die Erde gibt derzeit Wasserstoff vom oberen Ende der Atmosphäre ab ins All. Auf der Venus ist der Wasserstoff des zersetzen Wassers wahrscheinlich in den Weltraum entwichen. Aber die Frage ist, wie schnell dies auf der frühen Venus passiert ist."

    Um auch diese Frage zu klären, schlägt Huw Davies von der University of Cardiff einen Test vor, der seine Theorie bestätigen oder falsifizieren könnte.

    "Angenommen, die Venus ist nicht durch Kollision entstanden. Dann hätte sie ihr Wasser nicht schlagartig verloren, sondern über einen längeren Zeitraum. Ein Teil des Wassers wäre vom Gestein absorbiert worden. Wenn wir also Felsen vor Ort spektroskopisch untersuchen könnten und in ihnen Spuren von Wasser fänden, wird sich meine Theorie nicht halten lassen."

    Russland, Japan und die USA planen derzeit neue Sonden zur Venus, die vielleicht bald Licht in die dunkle Frühphase des Morgensterns bringen.