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Crash im Weltall

Am Mittwoch sind ein russischer und ein amerikanischer Satellit zusammengestoßen und durch den Aufprall zerstört worden. Um ein weiteres Anwachsen der Müllmenge im Orbit zu vermeiden, könnten nach Auskunft von Felix Huber künftig Robotersatelliten eingesetzt werden. Ein entsprechendes Projekt werde geprüft, sagte der Leiter des Satellitenkontrollzentrums beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Felix Huber im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: … Fantasien im Film "Star Wars", "Krieg der Sterne" dieser Tage an, vor allem gemessen an der Wirklichkeit im All. Mit 27.000 Kilometern in der Stunde ist am Mittwoch Kosmos 2251, ein ausgedienter russischer Militärsatellit im Iridium 33 zusammengestoßen, einem intakten amerikanischen Kommunikationssatelliten, und zwar 800 Kilometer über Sibirien. Wird es solche Kollisionen in Zukunft öfter geben und welche Gefahr bedeuten die großen Mengen an Schrott, die sich inzwischen offenkundig im Weltraum angesammelt haben? Antworten erhoffen wir uns jetzt von Felix Huber. Er leitet das Satellitenkontrollzentrum beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Guten Morgen!

    Felix Huber: Guten Morgen!

    Barenberg: Herr Huber, wie sehr hat Sie denn dieser erste Zusammenprall zweier Satelliten überrascht?

    Huber: Also es ist zumindest mal insofern überraschend, als die direkte Kollision von zwei Satelliten ein äußerst unwahrscheinliches Ereignis ist. Der Raum da oben ist doch noch sehr leer und es gibt noch nicht so viele Satelliten, dass die Wahrscheinlichkeit, wirklich zum gleichen Zeitpunkt am gleichen Ort zu sein, sehr gering ist.

    Barenberg: Wie konnte es denn dazu kommen?

    Huber: Normalerweise sind die Bahnen überwacht. Es werden also von den Amerikanern per Radar sämtliche Bahnen und auch Trümmerteilchen verfolgt, und man sehr gut vorausberechnen, wann sich Bahnen kreuzen werden. Warum jetzt hier kein Ausweichmanöver geflogen wurde, ist uns nicht bekannt. Normalerweise hätte der aktive Satellit einfach ausweichen können.

    Barenberg: Im Weltall ist ja offenkundig eine Menge Schrott inzwischen unterwegs, von 18.000 größeren und kleineren Teilen ist zu lesen. Welche Gefahr geht denn insgesamt von diesem Abfall aus?

    Huber: Also ein großes Trümmerstück, das einen Satelliten trifft, wird immer zur vollständigen Zerstörung führen. Zum Glück kann man ja die großen Stücke mit Radar gut verfolgen. Ganz kleine Stücke werden den Satelliten nicht zerstören, sondern nur zum Ausfall führen, sodass er unbenutzbar wird.

    Barenberg: Wie schnell wächst denn die Menge an Schrott, gibt es dazu Erkenntnisse?

    Huber: Man ist inzwischen bemüht, möglichst wenig Schrott rauszulassen, das heißt, auch Teile, die lose sind, sollen nicht wegfliegen können durch entsprechende Baumaßnahmen. Was immer schlimm ist, ist, wenn so ein Unfall passiert, weil dann jede Menge neue Trümmerstücke freigesetzt werden.

    Barenberg: Und wie kann man in Zukunft vielleicht vermeiden, dass überhaupt so viel Abfall entsteht?

    Huber: Es ist angedacht schon im Moment, Robotersatelliten zu bauen, die sozusagen sich alte Satelliten schnappen und wieder nach unten bringen.

    Barenberg: Und das wäre technisch schon heute machbar?

    Huber: Das ist technisch im Moment in der Entwicklung. Ein entsprechendes Projekt wird gerade untersucht, wie das zu bauen wäre. Dann muss natürlich das Andocken geübt werden. Es ist nicht so leicht, einfach einen havarierenden Satelliten festzuhalten. Und dann auch, wenn er erst mal angedockt hat, das Nach-unten-Bringen ist technisch ganz normal.

    Barenberg: Ist das denn realistisch, dass es so was in den nächsten Jahren vielleicht geben wird?

    Huber: Realistisch schon, es ist natürlich eine Preisfrage, denn die ganzen Satelliten nach oben zu schicken und wieder nach unten, kostet natürlich auch wieder einen Raketenstart, was entsprechend teuer ist. Man wird irgendwann nicht drumrum kommen, weil einfach so viel alte Satelliten da oben sind, dass die Kollisionswahrscheinlichkeit zu groß wird.

    Barenberg: Wie viel Satelliten sind denn da?

    Huber: Im Moment etwa 6000, davon noch 3000 aktiv.

    Barenberg: Und wann, glauben Sie, wird das eine Grenze überschritten haben, wo es wirklich gefährlich wird?

    Huber: Das ist sehr schwer zu sagen. Ich meine, die Trümmerteile sind das größere Problem. Die sinken zwar langsam ab bei den unteren Luftschichten, wo noch entsprechend Restreibung da ist, aber die oberen werden sehr lange bleiben. Und wenn noch mehrere Unfälle passieren, kann es halt sein, dass dann irgendwann der Orbit nicht mehr benutzbar ist, weil die Trefferwahrscheinlichkeit zu groß wird.

    Barenberg: Also wir haben es schon mit einem drängenden Problem inzwischen zu tun offenbar?

    Huber: Das Problem wird immer größer, auch im geostationären Orbit wird es langsam voll. Da ist allerdings das Problem einer Kollision nicht so groß, weil die Satelliten sich alle in der gleichen Bahnebene und in der gleichen Richtung bewegen. Aber auch da ist langsam das Problem, dass havarierende Satelliten eben entlangdriften und man muss Ausweichmanöver fliegen, was immer Treibstoff kostet.

    Barenberg: Werden denn bald möglicherweise auch Fernsehen und Telefone, wird Satellitennavigation beeinträchtigt sein durch die immer größeren Mengen an Schrott und Ausfälle, die das zur Folge haben könnte?

    Huber: Also der geostationäre Orbit ist da relativ sicher, weil es noch keinen Unfall gab. Der Unfall jetzt ist weit unten. Auch die Navigationssatelliten sind in viel höheren Bahnen. Aber wenn es dort mal zu einem Unfall kommt, dann sind diese Bahnen natürlich auch beeinträchtigt.

    Barenberg: Gibt es denn eigentlich überhaupt keine Übereinkünfte, wie man mit Schrott umgeht, wie man ihn vermeidet international?

    Huber: Bisher noch gar nicht. Es gibt natürlich auch keine Technik, wie man den Schrott wieder einfangen kann. Wenn die Trümmerteile erst mal entstanden sind, ist es sehr schwierig, weil diese Wolke sich langsam in alle Richtungen ausbreitet. Man hätte dann das Problem, dass der einfangende Satellit ja genauso getroffen wird. Das Beste wäre, die Sachen zu vermeiden, indem man die alten Satelliten runter bringt, was aber eben meist ein Treibstoffproblem ist. Ein Satellit, der ausgesetzt wurde, kann von sich aus gar nicht mehr so weit abbremsen, und es gibt auch keine Vorfahrtsregeln, sondern man muss selber drauf achten, dass man eben nicht kollidiert. Und im eigenen Interesse wird man immer ausweichen, wenn was entgegenkommt.

    Barenberg: Nun hat ja, wenn ich das richtig gelesen habe, 1993 schon die Europäische Weltraumbehörde ESA mit den USA, mit Russland und Japan ein Weltraumschrott-Komitee gegründet. Was hat dieses Komitee denn seither zustande bekommen oder eben nicht?

    Huber: Also man untersucht erst mal die Bahnen der Teilchen, man braucht bessere Radaranlagen, um weltweit eben die Bahnen vermessen zu können. Die kurzen Überflugzeiten über einem Land sind einfach zu ungenau, um da eine genaue Bahnvorhersage machen zu können. Und man sucht natürlich fieberhaft an einer Lösung, wie man tatsächlich die Trümmerteile einfangen könnte.

    Barenberg: Und rechnen Sie bis zu dem Zeitpunkt, wo man da vielleicht Lösungen gefunden hat, tatsächlich mit einer Zunahme von Zusammenstößen, wie wir es jetzt erlebt haben, mit gravierenden Folgen dann?

    Huber: Also solche Satellitenzusammenstöße kann man im Schnitt rechnen etwa einmal alle zehn Jahre. Die Satelliten selber, dass die sich treffen, ist sehr gering. Mit Trümmerteilen natürlich wird in nächster Zeit die Häufigkeit hoch gehen, einfach weil dieser Orbit jetzt eben mit Trümmerteilen durchsetzt ist.

    Barenberg: Was meinen Sie denn, wie wird sich die Sache weiter entwickeln? Wann werden wir dort erste Schritte gehen, was das Einsammeln angeht, was die Vermeidung von Weltraumschrott angeht?

    Huber: Also wenn alles klappt, etwa 2013, 2014 wird dieser erste Robotersatellit fertig sein und kann dann ausprobiert werden.

    Barenberg: Und wer wird das bezahlen?

    Huber: Das wird zunächst mal vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt bezahlt, das ist eine Technologiemission, um zu zeigen, dass das Ganze funktioniert. Man braucht entsprechende Robotikarme, hier ist die Expertise bereits vorhanden. Und hinterher wird es wahrscheinlich derjenige Eigentümer vom Satelliten sein, der dafür sorgen muss, dass das Altmaterial entfernt wird.

    Barenberg: Wie das hier auf der Erde auch der Fall ist?

    Huber: Im Prinzip ja. Die Verschrottungspauschale wird dann kommen und dass es der Eigentümer zahlen muss.

    Barenberg: Gibt es denn ein Bewusstsein unter den Nationen, die im Weltraum unterwegs sind, dass diese Vermeidungsstrategien wichtig sind und die Einsammelstrategie?

    Huber: Das Bewusstsein wächst inzwischen natürlich, jetzt aus dem aktuellen Anlass natürlich ganz besonders. Aber es gibt eben noch keine technische Lösung, wie man den vorhandenen Schrott beseitigen kann. Man muss jetzt erst mal nur das Risiko minimieren, indem man die alten Satelliten wieder nach unten bringt.

    Barenberg: Informationen und Eindrucke von Felix Huber, dem Direktor des Deutschen Satellitenkontrollzentrums beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Huber!

    Huber: Bitte sehr!