CRISPR/Cas9
Hoffen auf die Genschere als Heilmittel gegen Aids

Auf der Genschere CRISPR/Cas9 liegen große Hoffnungen: Kann sie Aids heilen? Forschungen machen zuversichtlich, der Beweis braucht aber wohl noch Jahre. Für andere Krankheiten wurde die Gentherapie bereits zugelassen. Doch es gibt auch Bedenken.

14.05.2024
    Die Illustration zu Gentechnik zeigt ein Doppelhelix-DNA-Molekül mit veränderten Genen.
    Durch Gentechnik werden Gene verändert. Die Genschere CRISPR/Cas9 gilt als besonders schnell und genau. (imago / Science Photo Library)
    Sind Krankheiten wie Aids bald heilbar? Anlass zur Hoffnung geben neue Gentherapien – und zwar solche, die auf der sogenannten Genschere CRISPR/Cas9 basieren. Derzeit wird an verschiedenen Ansätzen geforscht. Erste derartige Therapien gegen Blutkrankheiten wurden in einigen Ländern bereits zugelassen. Doch wann das für eine Genscheren-Therapie für HIV-Infizierte möglich sein wird, ist – trotz Forschungserfolgen – noch nicht absehbar. Fest steht: Auch diese Therapien haben Schattenseiten.

    Inhalt

    Was ist die CRISPR/Cas9-Methode und wie funktioniert sie?

    CRISPR/Cas9 gehört zu den „Genome Editing“-Verfahren, was so viel bedeutet wie „Bearbeitung der Erbinformation“. CRISPR/Cas9 ist eine neue molekularbiologische Methode, die es erlaubt, genetische Informationen gezielt zu verändern. Und zwar, indem mit sehr hoher Präzision das Erbgutmolekül DNA an einer bestimmten Stelle durchgetrennt wird - daher auch die Bezeichnung „Genschere“.
    So können Gene – DNA-Abschnitte, auf denen Teile der Erbinformation gespeichert sind – ausgeschaltet oder neue Abschnitte in die DNA eingefügt werden. Das Erbgut lässt sich so sehr viel schneller, einfacher, genauer und preiswerter verändern als mit früheren Methoden.
    Die CRISPR/Cas9-Genschere wurde 2012 entdeckt. Getestet wurde sie bisher an Mikroorganismen, Pflanzen, Tieren und Menschen – und sie hat bei all diesen Organismen funktioniert. Inzwischen ist sie die am häufigsten angewandte Methode zur zielgerichteten Veränderung von Erbinformation.
    Ziel dieser Veränderungen sind etwa resistentere Getreidesorten und Tierrassen sowie neue Therapieverfahren gegen zahlreiche Krankheiten, darunter Aids.

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    Wie funktionieren CRISPR/Cas9-Therapien gegen HIV?

    Der HI-Virus kann die Immunschwäche-Krankheit Aids auslösen. Mit Medikamenten lässt sich zwar inzwischen das Virus in Schach halten, eine Heilung gelang bislang jedoch nur in Einzelfällen.
    An der Universität Freiburg wird an einer potenziellen Heilmethode für mit dem HI-Virus (HIV) Infizierte in deren Körperzellen geforscht. Und zwar für Infizierte, die außerdem an bestimmten Formen von Blutkrebs leiden.
    „Für diese Patienten ist eine Stammzellen-Transplantation indiziert“, erklärt Toni Cathomen, Professor am dortigen Institut für Transfusionsmedizin und Gentherapie. Er und sein Team veränderten die Stammzellen der Patienten derart, dass sich nach der Transplantation ein HIV-resistentes Immunsystem entwickelte.
    Für Cathomens Therapie müssen die Betroffenen zunächst eine Chemotherapie absolvieren. So werden die alten, zum Teil HIV-infizierten Stammzellen zerstört. Dann werden die Blutstammzellen der Patienten entnommen und mit der Genschere CRISPR/Cas9 genetisch so verändert, dass die HI-Viren nicht mehr hineingelangen. Durch diese Mutation wird sozusagen die Eingangstür, durch die das Virus in die Zelle gelangen kann, zerstört. Damit sind die Zellen HIV-resistent. Die Therapie soll auch gegen den Blutkrebs wirken.
    In zwei Jahren soll nach dem Willen der Freiburger Ärzte eine klinische Studie starten.

    Forschung an Aids-Gentherapie in den USA

    In den USA wird ebenfalls an der Heilung von Aids geforscht – wie in Freiburg mittels der Genschere CRISPR/Cas9. Mit dem an der Universität von Kalifornien, in Berkeley, entwickelten Verfahren wurden bereits drei HIV-positive Patienten behandelt.
    Da HI-Viren sich im Erbgut von Immunzellen verstecken können, kommen herkömmliche Medikamente nicht an sie heran. Mit der Genschere, die injiziert werde, wolle man sie nun aufspüren, herausschneiden und vernichten.
    Laborversuche, Tierversuche und auch die menschlichen Probanden zeigen, dass das Prinzip funktioniert. Und: Es gab keine größeren Nebenwirkungen. 2025 soll in Berkeley die Dosierung weiter erforscht werden. Bis eine Heilung nachgewiesen werden kann, wird es jedoch noch einige Jahre dauern.

    Welche anderen Therapien mit CRISPR/Cas9 sind möglich?

    Neben den Genscheren-Therapien gegen Aids und Krebs sind zahlreiche weitere Heilverfahren mit der CRISPR/Cas9-Methode in Entwicklung. Nach einer Schätzung im Fachmagazin „The Lancet“ werden allein in den USA ab 2025 jedes Jahr etwa 15 bis 20 neue Heilverfahren mit der Genschere zur Verfügung stehen.
    Die ersten CRISPR-Therapien wurden in Großbritannien, in den USA und schließlich auch in der EU offiziell zugelassen. Und zwar gegen die Blutkrankheiten Sichelzellenanämie und Beta-Thalassämie.
    Neben den nun zugelassenen CRISPR-Therapien befinden sich rund 70 weitere in der klinischen Prüfung. Dazu gehören etwa die sehr seltene Fischschuppenkrankheit und bestimmte Formen des Muskelschwunds.
    Die Hoffnungen auf Heilungserfolge mit der CRISPR/CAS9-Genschere sind nach Einschätzung von Experten in jedem Fall sehr groß. Manche Forscher sprechen schon von einer Impfung gegen Herzinfarkt. Vor sogenannten Volkskrankheiten kommen aber Erbkrankheiten an die Reihe.

    Wo außerhalb der Medizin wurde CRISPR/Cas bereits angewandt?

    Die Genschere CRISPR/Cas9 kommt nicht nur in medizinischen Verfahren zum Einsatz, sondern auch in der Landwirtschaft. Hiermit lassen sich Eigenschaften beispielsweise von Getreidesorten sehr schnell verändern - ohne das zuvor nötige Einschleusen artfremder Gene. Mit herkömmlichen Züchtungsmethoden brauchen solche Veränderungen Jahrzehnte.
    Weil einige der mit der Genschere geschaffenen Pflanzen auch mit regulären Züchtungsmethoden hätten geschaffen werden können, fordern Gentechnik-Befürworter für sie dieselben Regeln wie für konventionelle Sorten; in Ländern wie den USA oder Kanada ist das mindestens zum Teil der Fall. Die Argumentation lautet hier beispielsweise: Die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung sei auf diese neue Gentechnik angewiesen.

    EU will Regeln für CRISPR lockern

    In der Europäischen Union gilt jedoch, dass Pflanzen- und Saatgutzüchtungen, bei denen das CRISPR/Cas9-Verfahren zum Einsatz kommt, als gentechnisch verändert einzustufen sind. Inzwischen gibt es aber ein Gesetzesvorhaben, Sorten mit bis zu 20 genetischen Veränderungen weitgehend wie herkömmliche Pflanzen zu behandeln. Die Mitgliedsstaaten müssen noch darüber entscheiden.
    Auch Nutztiere lassen sich mit der CRISPR/Cas9-Genschere beispielsweise krankheitsresistenter machen. In Deutschland sind solche Tiere nicht zugelassen, anders als in Ländern wie den USA oder Japan.
    Kritik kommt zum Beispiel von Umwelt- und Naturschützern. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnt vor unabsehbaren Gefahren.

    Welche Bedenken gibt es bei CRISPR/Cas9 im Bereich der Medizin?

    Bedenken gegen Genveränderungen mit der CRISPR/Cas9-Methode gibt es in allen Bereichen, in denen sie möglich ist. Angesichts der quasi unbegrenzt erscheinenden Möglichkeiten von Genscheren-Therapien ist auch eine medizinethische Debatte entstanden.
    2018 wurde sie durch die Geburt zweier Mädchen in China befeuert. Der Biophysiker He Jiankui hatte deren Erbgut zum Schutz vor einer HIV-Infektion nach eigenen Angaben mittels der CRISPR/Cas9-Genschere so verändert, dass die entstandenen Manipulationen weitervererbt werden können. Er saß dafür zwei Jahre im Gefängnis.

    Schwere Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen

    Auch jenseits der Therapie, die He Jankui anwandte, gibt es bei CRISPR-Therapien umstrittene Aspekte. Es gibt sogenannte Off-Target-Effekte, also Fehlschnitte, die man im Labor immer wieder entdeckt hat.
    Bei den in einigen Ländern neu zugelassenen Genscheren-Therapien gegen Sichelzellenanämie und Beta-Thalassämie sind solche Effekte nicht entdeckt worden. Entwarnung kann jedoch noch nicht gegeben werden: Denn durch Off-Target-Effekte kann Krebs in den Zellen entstehen – und das zeigt sich oft erst nach fünf bis zehn Jahren oder noch später.
    Noch sind die Genscheren-Therapien gegen Sichelzellenanämie und Beta-Thalassämie zudem extrem aufwendig und teuer. In den USA geht man von 1,5 bis 2 Millionen Dollar pro Patient aus. Stammzellenforscher Christopher Baum, Chef des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung, geht zwar davon aus, dass die Therapien preiswerter werden - ob und wann sie für Betroffene tatsächlich erschwinglich sein werden, ist aber offen.

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