In Deutschland wurden laut dem Onlineportal Für-Gründer.de im Jahr 2016 9,7 Mio. Euro durch Crowdfunding eingesammelt, also durch projektbezogenes Spenden im Internet. Zum Vergleich: Im Jahr 2011 war es noch keine halbe Million. Die Akzeptanz wächst. 66 Prozent der Deutschen haben schon einmal etwas von Crowdfunding gehört, aber nur die Hälfte davon weiß, wie es funktioniert, wobei knapp ein Fünftel bereits aktiv ein Projekt mit Geld unterstützt hat.
Wichtiger ist die Regelmäßigkeit
Startnext, Kickstarter, VisionBakery, Betterplace, Leetchi – sie zählen zu den bekannten und klassischen Crowdfunding-Plattformen, die in Deutschland genutzt werden. Steady taucht nicht in dieser Liste auf. Noch nicht.
"Ich seh' jede Anmeldung und jede Kündigung. Und ich hab' dazu jetzt meine Spam-Mailadresse genommen, weil das zu viel wurde in meinem normalen Posteingang. Und ich will auch nicht das ständig so im Blick haben."
Bianca Jankovska nutzt Steady seit fünf Monaten – erfolgreich. Auf ihrem Blog groschenphilosphin.at, auf Instagram und für den Rowohlt-Verlag schreibt sie eigensinnig und werbefrei über die Schattenseiten eines Lebens, in dem es Dank Mindestlohn, Achtsamkeit und Tinder eigentlich keine Schattenseiten mehr geben dürfte. Als freischaffende Medienmacherin fällt sie somit in die Zielgruppe von Steady. Derzeit 207 Menschen zahlen der Bloggerin monatlich insgesamt 731 Euro brutto, indem sie Steady-Mitgliedschaften abschließen und Bezahlpakete buchen. Manche geben 3 Euro im Monat, andere 30. Die Höhe ist nicht so wichtig. Wichtiger ist die Regelmäßigkeit. Steady, das ist Englisch und kann mit stetig oder beständig übersetzt werden.
Exklusiver Zugang zu Inhalten
Zum Dank für diese Zuwendung, erhalten Mitglieder exklusiven Zugang zu Inhalten, die sich hinter einer sogenannten PayWall befinden.
"Der Unterschied zwischen der Wertschätzung auf Steady und der Wertschätzung im Journalismus ist, dass du im Journalismus noch so viel Zustimmung haben kannst, von einem anonymen Publikum, wenn dein Vertrag ausläuft oder dein Chef dich nicht mag, bist du trotzdem weg vom Fenster."
10 Prozent aller Einnahmen bleiben bei Steady. Dafür erledigt das Team die lästigen Aufgaben: Website warten, Daten verwalten, Rechnungen schreiben.
Ihren Lebensunterhalt ausschließlich über Steady zu finanzieren, kommt für Bianca Jankovska vorerst nicht in Frage. Zu groß ist die Angst, dass Mitglieder abhauen, Steady pleitegeht oder sie selbst keine Lust mehr auf's Schreiben hat.
"Mein Ziel sind aktuell so 1000 bis 1300 EUR auf Steady, das sind dann netto 700 bis 1000, und das ist dann fast schon wie eine Teilzeitstelle im Journalismus."
"Wir haben Steady gebaut, weil wir es selber brauchen." – Mit dieser Ansage ging die in Deutschland entwickelte Plattform Steady im Januar 2017 online; Teil des Teams waren auch Gründer vom erfolgreichen Online-Magazin Krautreporter.
Nach anderthalb Jahren die Million geknackt
Anderthalb Jahre später, im September 2018 verkündet Steady, die Million geknackt zu haben. So viel Geld sei in regelmäßigen Beitragszahlungen an Medienschaffende ausgezahlt worden, darunter die Beitreiber des bekannten Satireblogs Der Postillion, die Produzenten des wöchentlichen Podcasts Wochendämmerung – und die Macher von Übermedien, dem unabhängigen Online-Magazin für Medienkritik von Boris Rosenkranz und Stefan Niggemeier.
"Wir fühlen uns viel freier, einfach die Dinge machen zu können, die uns wichtig sind, von denen wir das Gefühl haben: wir wollen die erzählen."
Während Autorin Bianca Jankovska die regelmäßigen Einnahmen durch Steady als Unterstützung betrachtet, steht für den Medienkritiker Stefan Niggemeier außer Frage, dass es Übermedien ohne die Finanzierung durch seine zahlenden Leserinnen und Leser nicht geben würde. Die 2908 Steady-Mitglieder seien sozusagen die Übermedien-Intendanz. Das mache frei und abhängig gleichermaßen, erklärt Stefan Niggemeier. Denn somit stünden alle Beteiligten in der Verantwortung.
"Die Standardwährung bei den Medien ist ja eigentlich die Quote, die Auflage, die Klickzahl. Und deswegen gibt’s vor allem bei werbefinanzierten Medien natürlich 'nen großen Anreiz, alles dafür zu tun, die in die Höhe zu treiben. Wir brauchen aber gar nicht möglichst viele Leser, sondern wir brauchen 'ne möglichst große Zahl von zufriedenen Lesern. Und das ist'n Riesenunterschied."