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"CSI: Erdkunde"

Genforschung, Medizin, Biologie oder Ballistik sind einige der Wissenschaften, die bei der Aufklärung von Verbrechen eine Rolle spielen. Neu im Bunde sind die Geowissenschaften. Weil die Befunde der Geoforensiker gerichtsfest sein müssen, werden derzeit international Protokolle für deren Arbeit entwickelt.

Von Dagmar Röhrlich | 03.04.2013
    Es geschah im April 1856. Die preußische Eisenbahn hatte den Auftrag erhalten, ein Fass mit Tausenden von Silbermünzen nach Berlin zu transportieren. Das Fass kam an, aber statt des Silbers enthielt es: Sand. Die Polizei nahm die Ermittlungen auf, allerdings konnte niemand sagen, wo an der Bahnstrecke der wertvolle Inhalt verschwunden war. Also schaltete die Behörde den Berliner Wissenschaftler Christian Gottfried Ehrenberg ein, und der löste den Fall - mit den Mitteln der Geoforensik. Er ließ sich Sandproben von allen Bahnhöfen schicken und untersuchte sie mit dem Mikroskop.

    "So fand Ehrenberg den Ort, die Polizei befragte das Personal, ein Mitarbeiter gestand. Ein anderer Fall aus der Frühzeit der Geoforensik spielte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts ab, als der Frankfurter Forscher Georg Popp mit ihrer Hilfe einen Mörder überführte. Unter anderem fand er heraus, dass der Schmutz an den Schuhen des Täters genau dem im Hof des Opfers entsprach. Die Geoforensik wurde also in Deutschland geboren und wir haben dafür zu danken, dass Ihr unsere Wissenschaft entwickelt habt","

    scherzt Alastair Ruffell von der Queens University Belfast. Hilft die Geologie heute bei der Verbrechensaufklärung, kann bei der Spurensuche beispielsweise die mineralogische Zusammensetzung von Böden wichtig werden.

    ""Es gibt riesige Datensammlungen über Minerale oder Chemikalien. Es gibt auch Datensammlungen zu Böden, die im Lauf von Hunderten von Jahren angelegt worden sind. Allerdings mit Blick auf die Landwirtschaft, und die dort eingesetzten Untersuchungsmethoden decken sich nicht mit den unseren. Vor meinem Fenster sehe ich ein Feld, für das eine arme Doktorandin mit geoforensischen Untersuchungsmethoden Hunderte von Bodenproben ausgewertet und festgestellt hat, dass es selbst auf diesem einen Feld große Variationen im Boden gibt."
    In den meisten Fällen dürfte es also auch mithilfe einer geoforensischen Spezialdatenbank nicht einfach sein, einen Klumpen Erde einem Ort eindeutig zuzuordnen:

    "Ich arbeite gerade am Fall einer vermissten Person, und alles, was ich habe, ist sein Auto, das in der Nähe des Flughafens gefunden worden ist. An den Scheiben, auf dem Dach und an den Rädern haben wir Schlamm gefunden, und den analysieren wir gerade und auch die Pollen, die darin stecken, um der Polizei Hinweise darauf geben zu können, wo dieser Wagen gewesen sein könnte."

    Geht es um Mordopfer, werden derzeit für die Geoforensik auch Biomarker erforscht, die beispielsweise im Grundwasser anzeigen, dass irgendwo in der Nähe eine Leiche verwest. Erste Anzeichen liefern Aminosäuren. Dann werden Lipide freigesetzt, Substanzen wie Cholesterol und schließlich geht es an die Knochen. Lorna Dawson vom James Hutton Institute in Aberdeen:

    "Wir wollen herausfinden, welche Indikatoren sich im Boden oder im Grundwasser durch einen toten Körper verändern und wie sie sich mit der Zeit entwickeln. Das hängt unter anderem von der Temperatur und der Feuchtigkeit ab, ob es in einem Boden Sauerstoff gibt oder nicht."

    Wichtig werde auch, wie sich etwa die Tonminerale in den Böden verändern, wenn sie über längere Zeit den chemischen Verbindungen ausgesetzt sind, die eine verwesende Leiche freisetzt. Inzwischen ließen sich in einem Verdachtsgebiet mit ausgefeilten Techniken Körper noch aus 100 oder 200 Metern Entfernung aufspüren. Dabei müssen für alle Methoden der Geoforensiker gerichtsfeste Protokolle erarbeitet werden, die auch international angewandt werden können. Allerdings hilft die Technik nicht immer, erklärt Alastair Ruffel:

    "Ich bearbeite einige Fälle schon seit zehn Jahren, und wir haben die Opfer immer noch nicht gefunden, denn der Täter hat sie ungeheuer gut versteckt. Ich höre jedoch, solange es eben geht, nicht auf zu suchen."

    Seine Fälle lassen den Geologen also nicht los.