Jörg Biesler: Am Montag haben wir hier bei "Campus und Karriere" mit dem SPD-Bildungsexperten Hubertus Heil über die Ergebnisse der Sondierungsgespräche in Sachen Bildung gesprochen, und das wesentliche Ergebnis ist für Hubertus Heil das stärkere Engagement des Bundes auch für die Schulen, das möglich wird durch eine geplante Aufhebung des Kooperationsverbots, und so hat das Hubertus Heil gesagt:
Hubertus Heil: Vor allen Dingen kriegen wir es hin, dass wir die Bildungschancen in Deutschland im Schulterschluss von Bund und Ländern endlich gemeinsam verbessern können. Das ist ein großer Schritt zu einem neuen kooperativen Bildungsföderalismus, indem wir das Kooperationsverbot aufheben. Das heißt, der Bund kann jetzt gezielt in die Schulen investieren, in den Ausbau von Ganztagsschulen, in digitale Bildung, in berufliche Schulen, und das schafft Chancengleichheit in Deutschland. Das ist ein wesentlicher Schritt. Also: Aufbruch in der Bildung. Wir haben als SPD uns nicht in allen Politikfeldern durchgesetzt, aber im Bildungs- und Forschungsbereich, kann ich sagen, haben wir das umgesetzt, was wir auch im Wahlprogramm hatten.
Biesler: Hubertus Heil, SPD-Bildungsexperte zu den Ergebnissen der Sondierungsgespräche seiner Partei mit CDU und CSU. Und bei der Sondierung saß Hubertus Heil zusammen am Tisch mit dem bayerischen Kultusminister Ludwig Spaenle von der CSU, gleichzeitig Sprecher der Unionskulturminister in der Kultusministerkonferenz. Wir erreichen ihn bei der CSU-Klausur im oberfränkischen Kloster Banz. Guten Tag, Herr Spaenle!
Ludwig Spaenle: Grüß Gott, Herr Biesler!
Biesler: Herr Spaenle, Sie saßen – ich habe es gerade gesagt – am Tisch mit Hubertus Heil bei den Sondierungen. Sie interpretieren die Ergebnisse aber anders. Hubertus Heil sagt, das Kooperationsverbot werde aufgehoben in einer neuen Großen Koalition. Sie sagen, die Kultushoheit bleibt bei den Ländern. Stimmt nicht beides?
Spaenle: Also Autosuggestion ist kein gutes politisches Mittel. Wir haben sehr vernünftige Gespräche geführt und auch, wie ich meine, sehr vernünftige Ergebnisse im Bereich von Bildung und Wissenschaft erzielt. Ich kann nichts aufheben, was es nicht gibt. Es gibt kein Kooperationsverbot, sondern es gibt eine klare verfassungsmäßig abgestützte Aufgabenteilung, die besagt, dass die schulische Bildung Kompetenz der Länder ist, und es steht genau so in diesem Satz auch in dem Sondierungspapier. Die schulische Bildung ist und bleibt Kompetenz der Länder, das heißt also, Personal, Organisation, inhaltliche Gestaltungshoheit ist und bleibt Ländersache.
Für Schulbildung bleiben die Länder zuständig
Worauf wir uns verständigt haben ist, die Nutzung des relativ jungen, nämlich im vergangenen Jahr geschaffenen Artikel des 104c, der es dem Bund ermöglicht, und dann heißt es wörtlich: die Länder bei ihren Investitionen in schulische Infrastruktur zu unterstützen, und zwar, bisher heißt es: in finanzschwachen Kommunen, und wir haben uns darauf verständigt, dieses Wort "finanzschwach" zu streichen. Dann kann der Bund nicht nur regional die Länder unterstützen, sondern er kann sie auch programmatisch bei der Investition in Infrastruktur unterstützen. Insofern ist der kooperative Föderalismus der richtige Begriff, aber von einem Kooperationsverbot oder dessen Aufhebung kann gar nicht die Rede sein.
Biesler: Sie haben natürlich formal recht, ein Kooperationsverbot gibt es nicht, weil im Grundgesetz geregelt ist, was der Bund darf und nicht verboten ist, sozusagen, was er nicht darf, aber trotzdem wird ja drüber diskutiert über das Kooperationsverbot, und zwar seitdem 2006 das Grundgesetz geregelt hat, dass der Bund Geld nur ausgeben darf für die eigenen Zuständigkeiten. Es gibt aber die Ausnahmen, dass der Bund sich in Sachen Hochschulen und bei internationalen Bildungsvergleichen beteiligten darf, und Sie haben es gerade genannt, dass finanzschwache Kommunen unterstützt werden dürfen. Das ganze Engagement des Bundes fußt auf der Erkenntnis – wir haben gleich noch einen Beitrag zu den maroden Schulen in Nordrhein-Westfalen im Programm –, dass die Kommunen das alleine nicht stemmen können?
Spaenle: Das ist richtig. In der Wissenschaft und Forschung gibt es seit Bestehen der Bundesrepublik ein deutliches engeres, auch inhaltliches Zusammenwirken zwischen Bund und Ländern. Davon abgetrennt ist die Kompetenz für die schulische Bildung. Die ist 2006 präzisiert worden. Ich sage es noch mal: Für Inhalt, Personal und Organisation schulischer Bildung sind die Länder zuständig, und zwar allein, und es ist auch richtig so. Das hat ja nichts damit zu tun, dass 16 Kultusminister ihr Amt sichern wollen, sondern das hat damit zu tun, dass hier ein Politikfeld nah bei den Menschen politisch gestaltet und verantwortet wird, dass den Menschen unglaublich wichtig ist. Wenn Sie sehen, dass viele Landtagswahlen aus bildungspolitischen Gründen entschieden werden, etwa in NRW, wenn Sie das beim letzten Mal beobachtet haben, dann …
Biesler: G8 und G9, ja.
Spaenle: Ja. Dann ist die Verortung der schulischen Bildung auch auf der politischen Ebene der Länder richtig, weil die Menschen das mit hoher Sensibilität auch politisch bewerten, dass der Bund in der Lage ist, übrigens nicht die Kommunen direkt, sondern es heißt wörtlich, die Länder dabei zu unterstützen, die in die Kommunen investieren. Das macht Sinn, das ist Infrastruktur. Wenn wir diese Änderung vornehmen, ist es eben nicht mehr nur Regionalförderung in finanzschwachen Kommunen, sondern es kann der Bund bezogen auf schulische Infrastruktur, Ganztagesbetreuung, digitale Bildung und die beruflichen Schulen, hier sich, wenn man so will, in der Hardware zusätzlich engagieren, und das macht Sinn, diese Aufgabenteilung so fortzuführen.
Staatsvertrag für einheitliche Bildungsstandards
Biesler: Dass der Bund und die Länder jedenfalls enger zusammenarbeiten in Sachen Bildung, das ist offensichtlich Konsens beider Seiten bei der Sondierung. Es ist der alte Streit um das sogenannte Kooperationsverbot, sage ich jetzt mal, weil Sie ja gerade bestritten haben, dass es eins gibt. Die SPD will sich gerne auf die Fahnen schreiben, das abzubauen beziehungsweise ganz zu streichen. Sie haben gerade Ihre Position genannt. Insgesamt gibt es aber schon viele Experten auch, die sagen, die 16 Schulsysteme, die nebeneinander bestehen, das ist eigentlich kein Projekt für die Zukunft so.
Spaenle: Ich darf Sie in einem Punkt korrigieren: In dem Sondierungspapier steht wörtlich der Satz: Die schulische Bildung ist Kompetenz der Länder. Das ist also von beiden Gesprächspartnern glasklar so in dem Sondierungspapier niedergelegt. Sie sprechen die Verantwortung der Länder an – das ist völlig richtig –, die Kultusministerkonferenz ist die einzige Ministerkonferenz auf Bundesebene, die abschließende Entscheidungen trifft, weil eben diese Aufgabenteilung vorliegt. Wenn das so ist – und das ist richtig so, dass die Länder hier Letztverantwortung haben in der schulischen Bildung –, dann müssen sie auch auf nationaler Ebene in der gemeinsamen Verantwortung handeln.
Das bedeutet, dass der Anspruch – und das ist ein hoher Anspruch, weil hier nämlich zwei Grundrechte miteinander in Einklang gebracht werden müssen, nämlich Mobilität und Bildung, und das hat sich natürlich in den vergangenen Jahrzehnten verändert, die Binnenmobilität in Deutschland – …, dann muss hier gehandelt werden. Unser Vorschlag ist, dass wir diese Strategie, die existiert, nämlich die Setzung von Standards, deren Überprüfung manchmal nicht geliebt in den Ländervergleichen, und jetzt deren Übersetzung auch in echte Abschlussprüfungen, wie den gemeinsamen Aufgabenpool für das Abitur, dass wir diese Strategie mit dem stärksten Mittel unterstützen, das die Länder auf nationaler Ebene haben, und das ist ein Staatsvertrag, und ich schlage diesen Weg, seit ich Präsident der Kultusministerkonferenz war im Jahr 2010, vor. Die unionsgeführten Länder tragen diesen Vorschlag mit.
Was mich etwas verwundert, ist ein intellektueller Widerspruch. Auf der Bundesebene würde die SPD gerne eine Bildungskompetenz schaffen oder so was ähnliches, auf diese Frage angesprochen, ob die Länder bereit sind, einen Staatsvertrag zu schließen, haben die SPD-geführten Länder sich in den vergangenen acht Jahren auch nur geweigert, über ein solches Thema zu sprechen. Wir können nur das verwerfen, das ist der richtige Weg, der Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit in Deutschland im Bildungsbereich ermöglicht.
"Guten Mutes, dass wir nach vorne kommen können"
Biesler: Da hören wir jetzt aber doch raus, dass es, anders als das Sondierungspapier vielleicht nahelegt, es noch einig Unstimmigkeiten gibt zwischen CDU/CSU und SPD, was die Bildung angeht. Hubertus Heil hat in unserer Sendung hier gesprochen von einem Aufbruch in Sachen Bildung, der kommen soll mit einer erneuten Koalition der gerade genannten Parteien. Ist das auch was, worauf Sie sich einigen können?
Spaenle: Absolut. Wir haben ja letztlich, wenn Sie das Papier, das den Teil der Bildung beinhaltet, anschauen, wir haben hier wirklich nach vorne weisende Grundlagen geschaffen für einen Koalitionsvertag. Ich kann das durchaus teilen. Wir sind materiell hier sehr weit gekommen, eben auch – jetzt mag man es drehen und bewerten wie man will – mit den Fragen, wie wir den Bund im Bereich der Investitionsmöglichkeiten stellen im Bereich von Bildungsinfrastruktur. Wir sind völlig einer Meinung bei der Entwicklung der Wissenschaftsziele, die Frage der Weiterentwicklung des BAföG, eine Reformansatzunternehmung im Bereich der beruflichen Bildung. Wir haben bei der Mindestausbildungsvergütung eine andere Meinung, aber man hat sich darauf verständigt.
Also, ich bin insgesamt guten Mutes, dass wir in diesem Feld, wenn man die Zuständigkeiten des Bundes, eben wie sie sind, bewertet und dann auch ausschöpft, dass wir hier wirklich nach vorne kommen können, teile ich in diesem Punkt die Einschätzung vom Kollegen Heil, wenn wir zusammenkämen.
Biesler: Ludwig Spaenle, der bayrische Kultusminister und Sprecher der Kultusminister der Unionsländer über die Ergebnisse der Sondierungsgespräche und die Zukunft der Gestaltung der Bildung in Deutschland aus seiner Sicht. Vielen Dank!
Spaenle: Danke sehr!
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