Das Interview der Woche ist am Sonntag, 5. August ab 11.05 Uhr im Deutschlandfunk zu hören.
Michael Watzke: Das Interview der Woche im Deutschlandfunk, heute mit CSU Generalsekretär Markus Blume. Grüß Gott, Herr Blume:
Markus Blume: Ich grüße Sie, Herr Watzke.
Watzke: Herr Blume, Sie sind ein Familienmensch. Sie haben zwei junge Kinder, eine Tochter, einen Sohn. In diesen wilden Wahlkampfzeiten, zehn Wochen vor der Landtagswahl in Bayern, haben Sie noch Zeit, gemeinsam mit der Familie zu frühstücken oder abendzuessen?
Blume: Gemeinsame Zeit für Frühstück ist im Grunde jeden Tag und ich bin mir sicher, wir finden auch sonst genügend Zeit, dass die Kinder sagen werden, es waren gute Ferien.
Watzke: Wenn Sie dann gemeinsam am Tisch sitzen, wird im Hause Blume ein Tischgebet gesprochen?
Blume: Das kommt nicht regelmäßig, aber manchmal vor. In der Regel bringen dann die Kinder nette Gebete aus der Schule mit oder aus der Kirche und die wollen sie dann auch gerne bei uns teilen.
Watzke: Und Sie fügen noch ein Stoßgebet für bessere Umfragen an?
Blume: Das ist im Moment nicht notwendig.
Watzke: Wenn Sie da im Esszimmer sitzen, im Hause Blume, im protestantischen Haushalt Blume, steht da ein Kreuz? Weil hier in der CSU-Landesleitung habe ich es gesehen unten im Foyer. Bei Ihnen auch?
Blume: Es steht nicht, es hängt.
Watzke: Frage deshalb, weil die Christlich-Soziale Union derzeit kein leichtes Verhältnis zu den Kirchen hat, Sie haben vor ein paar Tagen in einem Zeitungsinterview gesagt, Zitat: "Die CSU vertritt das Bekenntnis zur christlichen Prägung unseres Landes und seinen christlichen Werten oftmals offensiver als die Kirchen selbst." Was meinen Sie damit?
"Dankbarkeit ist keine politische Kategorie"
Blume: Damit meine ich, das haben Sie jetzt nicht zitiert, dass sich die Kirchen und die Christlich-Soziale Union unverändert nahestehen. Wir sind geleitet von denselben Grundüberzeugungen. Die christlichen Werte sind für unsere Politik elementar. Gleichzeitig müssen wir aber auch auf das schauen, was sich in der Gesellschaft verändert hat. Ich stelle fest, dass sich an vielen Stellen eine gewisse Art von kultureller Verunsicherung breitgemacht hat, die Frage nach der kulturellen Identität gestellt hat und dann natürlich schon auch eine Antwort zu geben ist, eine Antwort, wie man diese Menschen, die da verunsichert sind, neu beheimaten kann und deswegen kann ich nichts Schlechtes daran erkennen, dass man auch offensiv ein Bekenntnis zu der christlichen Prägung dieses Landes abgibt.
Watzke: Aber früher unter Strauß soll es so gewesen sein, da haben die Pfarrer am Wahltag für die CSU gepredigt und eine Wahlempfehlung abgegeben. Die Zeiten sind vorbei.
Blume: Dankbarkeit ist keine politische Kategorie. Die spielt da auch keine Rolle. Ich würde mir lieber wünschen und will auch selbst mitwirken, dass wir gemeinsames Bemühen haben, uns zu versichern, was wirklich die Werte sind, die uns in diesem Land, auch in der Politik, leiten sollten, aber auch wie man gesellschaftliche Konflikte entschärfen kann. Das Thema der gesellschaftlichen Zerrissenheit, die Konfliktlinien, die sich heute durch die Gesellschaft, durch Kirchen, durch Volksparteien, auch durch Familien ziehen, die sollten wir schauen, wie wir sie überwinden können und idealerweise gemeinsam. Da könnten gerade die großen Institutionen dieses Landes, Volkskirchen genauso wie Volksparteien, einen ganz wichtigen Beitrag leisten. Wir sind dazu bereit, diesen Beitrag zu leisten und ich glaube, es gelingt besser gemeinsam, als nur wenn man übereinander redet.
"Ich bin Diener einer ganz großen Mannschaft"
Watzke: Sie hören das Interview der Woche im Deutschlandfunk, heute mit CSU-Generalsekretär Markus Blume. Herr Blume, Sie sind Diener zweier Herren als Generalsekretär. Sie sind der Diener des alten Herrn, Horst Seehofer, CSU-Chef, und auch Diener eines jungen Herrn, Markus Söder, des bayrischen Ministerpräsidenten und CSU-Spitzenkandidaten. Die beiden sind, und da müssen wir uns nichts vormachen, jetzt nicht die allerdicksten Freunde.
Blume: Also, ich bin Diener einer ganz großen Mannschaft, nämlich mit insgesamt 140.000 Mitgliedern. Das ist die Christlich-Soziale Union, aber natürlich auch unsere Spitzenmannschaft und da wiederum an der Spitze in der Tat der Parteivorsitzende und Bundesinnenminister Horst Seehofer und unser neuer bayrischer Ministerpräsident Markus Söder.
Watzke: Aber die beiden ticken ja nicht immer gleich. Ein Beispiel, ich habe vor drei Tagen Horst Seehofer bei einer Bierzeltrede in Oberbayern beobachtet. Er hat fast ausschließlich über das Thema Asyl geredet, sehr emotional, sehr polarisierend auch. Vor einer Woche habe ich Markus Söder bei einem Bierzeltauftritt begleitet. Der hat kaum über Asyl geredet und wenn, dann eher vorsichtig. Ist das Absicht, so Good Cop, Bad Cop, oder kämpft da jeder der beiden Spitzenleute in der CSU für sich allein?
Blume: Nein, beide wollen das Beste für das Land und sie tun das in unterschiedlichen Verantwortlichkeiten. Horst Seehofer ist Bundesinnenminister, von dem die Menschen erwarten, dass er Recht und Gesetz durchsetzt, dass er dafür sorgt, dass Sicherheit und Ordnung gewährleistet sind und an den Stellen, wo offenkundig es notwendig ist, für mehr Ordnung zu sorgen, vielleicht auch die Migrationspolitik neu zu ordnen, wie er eben dies in den letzten Wochen eindrucksvoll getan hat. Markus Söder ist hier im Freistaat Bayer als Ministerpräsident in einer ganz anderen Rolle. Er muss das Land und die Themen in ihrer ganzen Breite vertreten und repräsentieren, in der Form, wie er das auch mit seiner Regierungserklärung im Bayrischen Landtag getan hat und das, was in anderen Ländern nicht einmal angedacht wird, das wird hier in diesem Freistaat Bayern umgesetzt.
Watzke: Aber wie gehen Sie damit um? Haben Sie Markus Söder dazu geraten, den Begriff Asyltourismus nicht mehr zu verwenden? Er hat das ausdrücklich gesagt, ich werde das jetzt nicht mehr tun.
Blume: Wenn da ein Begriff ist, der von vielen missverstanden, von manchen vielleicht auch bewusst missverstanden wird, dann hilft der in der Debatte nicht, sondern lenkt vielleicht eher weg und deswegen war es richtig, dass wir dann auch deutlich gemacht haben, wir wollen auch uns selbst bei der Sprache achtsam verhalten, aber der Punkt ist wichtig. Wir erwarten dann auch, dass sich andere entsprechend achtsam verhalten.
Watzke: Werden die beiden CSU-Alphatiere, Seehofer und Söder, im Wahlkampf gemeinsam auftreten?
Blume: Ja, und bei allen möglichen Gelegenheiten, vielleicht die markanteste Stelle wird unser gemeinsamer Parteitag sein, gleichzeitig Wahlkampfauftakt am 15. September in München.
Watzke: Da müssen sie gemeinsam auftreten, das wäre seltsam, wenn Seehofer und Söder da nicht beide dabei wären, aber ansonsten, in Bierzelten?
Blume: Herr Watzke, ich glaube, das ist in einem solchen Wahlkampf doch nicht entscheidend, dass man ständig Händchen haltend irgendwo zusammen unterwegs ist.
"Wir wollen im ganzen Land die Menschen von unserem politischen Tun überzeugen"
Watzke: Das würde auch nicht gut passen bei den beiden.
Blume: Sondern wir wollen doch im ganzen Land die Menschen von unserem politischen Tun überzeugen und deswegen bin ich dankbar und froh, dass sich beide voll reinhängen. Der Ministerpräsident ist jeden Tag logischerweise hier im Freistaat unterwegs und auch Horst Seehofer wird eine ganze Reihe von Terminen wahrnehmen. Da muss man sich nicht an einem Ort dann gegenseitig ständig bestärken und doppeln, sondern im ganzen Land präsent sein.
Watzke: Und Frau Merkel, kommt die zum Wahlkampf? Herr Söder hat gesagt, er möchte lieber mit einem Kanzler Wahlkampf machen, mit Sebastian Kurz, und nicht so gerne mit der Kanzlerin.
Blume: Auch das sind Fragen, die besonders für die Medien offensichtlich von Bedeutung sind. Die Kanzlerin kommt in völliger Selbstverständlichkeit nach Bayern. Sie war bei der Eröffnung in Bayreuth bei den Festspielen anwesend, hat dort auch ein kurzes Grußwort gehalten. Sie wird demnächst zu einem Konzert nach Ottobeuren kommen. Ich glaube, man sollte diese Sachen…
Watzke: Also zur Kultur kommt Frau Merkel gerne nach Bayern, aber das ist ja nicht wirklich Wahlkampf, oder?
Blume: Ich glaube, man sollte um die Sachen nicht immer so ein großes Bohei machen und dann Fragen stellen, die sonst aber keiner stellt.
Watzke: Sie hören das Interview der Woche im Deutschlandfunk mit CSU-Generalsekretär Markus Blume. Sie haben darüber gesprochen, wie wichtig es ist, dass Sie die Gesellschaft wieder einen wollen, aber Sie müssen gerade auch dafür sorgen, dass die CSU wieder vereint wird. Es gibt eine Vereinigung innerhalb der CSU, die nennt sich Union der Mitte. Die hat jetzt 3.600 Facebook-Freunde und die sagt, wir müssen weniger über Asyl sprechen. Wir müssen auf unsere Sprache achten und die Parteiführung ist spalterisch unterwegs. Die CSU hat dieser Union der Mitte einen Brief geschrieben und gesagt, das muss aufhören.
Blume: Die Stärke der Union und gerade auch die Stärke der CSU, die speist sich daraus, dass wir Volkspartei sind, und zwar dass wir eine Volkspartei sind, in der unterschiedlichste Überzeugungen zusammenkommen und das war über mehr als sieben Jahrzehnte unser Anspruch und der ist es auch für die Zukunft. Dass sich bei uns der Liberale genauso daheim fühlt wie der Konservative oder derjenige, der von christlich-sozialen Überzeugungen geleitet ist, das ist mir ganz wichtig, um deutlich zu machen, dass es dafür auch keine Spezialgruppierungen bei uns braucht, sondern dass wir diese Überzeugungen in einer Partei einbringen und uns dann gegenseitig auch manchmal durchaus kritisch und in der Lebendigkeit einer Volkspartei in den Fragen der Tagespolitik prüfen, aber sicherstellen, dass wir nie auseinanderfallen.
Watzke: Aber Herr Blume, der Gründer dieser Union der Mitte, ein CSU-Politiker aus München-Laim, aus dem dortigen Ortsverband, Stephan Bloch heißt der, jetzt kennt man ihn, jetzt wird viel über ihn geredet, weil Sie nicht nur diesen Brief veranlasst haben, sondern auch im Spiegel über diesen Brief gesprochen haben. War das geschickt?
Blume: Es war uns wichtig, darauf hinzuweisen, dass CSU vor allem Union heißt, dass wir zusammenstehen und die unterschiedlichen Überzeugungen nach unserer Satzung nicht ausgelagert sind in einzelne Arbeitskreise oder Arbeitsgemeinschaften, sondern ihren Platz haben müssen und auch haben in der ganzen Breite der Christlich-Sozialen Union und vor dem Hintergrund war es mir einfach wichtig, deutlich zu machen, jeder, der sich bei uns engagieren will, hat alle Möglichkeiten dazu, die ihm die Satzungen geben und dazu reichen wir jedem die Hand, laden auch jeden ein, der unsere Grundüberzeugungen und Grundwerte teilt. Wir möchten nur nicht, dass hier die Idee der Union und auch das Konzept einer Volkspartei erodiert. Ich will da meinen Beitrag leisten, jeden Tag die Dinge zusammenzuhalten, und gleichzeitig appelliere ich natürlich auch an unsere Anhänger und unsere Mitglieder, Selbiges zu tun.
Watzke: Aber es bleibt dabei, wenn die Union der Mitte so weiterläuft, dann muss sie damit rechnen, dass Sie sie aus der Partei ausschließen?
Blume: Das ist überhaupt nicht das Thema und wenn ich die Diskussionen und Gespräche der letzten Tage auch noch einmal Revue passieren lasse, ist das nichts, was von deren Seite angestrebt wird und deswegen gibt es auch aufseiten der CSU da überhaupt keine Handlungsnotwendigkeit.
"Der CSU-Generalsekretär mag Lebendigkeit in seiner Partei"
Watzke: Und wenn die Kanzlerin, auf die Union der Mitte angesprochen, sagt, sie mag Vielfalt, freuen Sie sich dann oder denken Sie sich, vielen Dank, Frau Merkel?
Blume: Der CSU-Generalsekretär mag Lebendigkeit in seiner Partei. Nichts Schlimmeres wäre zu denken als eine Partei, in der Grabesruhe herrscht. Solche Parteien kenne ich auch, aber es ist nicht die CSU und eine Partei, in der lebendig diskutiert wird, in der man miteinander um Positionen ringt, das ist eine Partei, die auch den Willen hat, die ganze Breite der Bevölkerung zu repräsentieren und abzudecken.
Watzke: Aber zehn Wochen vor der Landtagswahl, das ist natürlich nicht der beste Zeitpunkt, um solche Diskussion zu führen, oder?
Blume: Deswegen helfen uns solche Richtungsfragen im Moment auch nicht weiter, sondern entscheidend ist doch, eines deutlich zu machen, dass wir hier eine Idee verfolgen, nämlich bürgerliche Politik in diesem Land, in Deutschland umzusetzen und gleichzeitig jeden Tag vollen Einsatz für Bayern zu zeigen. Das ist etwas, was ich gerne auch in diesem Interview tun werde, nämlich deutlich zu machen, dass es am Ende um diesen Freistaat Bayern bei einer Landtagswahl geht, der heute so stark da steht wie vielleicht noch nie zuvor in seiner Geschichte.
Watzke: Und trotzdem gibt es eben diese divergenten Strömungen in Bayern, aber auch in der CSU. Ich habe mich gefragt, ist es in Zeiten von sozialen Medien, von Partikularinteressen überhaupt noch möglich, eine Volkspartei zu sein oder ist jeder heute seine eigene Partei? Hat jeder auf Facebook, Twitter, Instagram seinen eigenen Echoraum und will gar nicht mehr in einer Volkspartei sein? Die SPD ist zerbröselt. Jetzt scheint die Union, aktueller Deutschlandtrend 29 Prozent bundesweit und in Bayern die CSU bei 39 Prozent, auf demselben Weg zu sein.
Blume: Das ist sicherlich etwas, was heute eine neue Herausforderung ist. Wenn ich in die Untiefen von Facebook oder anderen sozialen Netzwerken schaue, dann habe ich an manchen Tagen fast auch das Gefühl, dass der demokratische Diskurs kaputt ist in unserem Land und dieser Strukturwandel von Öffentlichkeit, der hier eingesetzt hat, dazu führt, dass sich heute jeder in seinen Meinungshöhlen im Internet wiederfindet, dort sich dann aber auch gemütlich einrichtet und sich verkriecht und im Grunde der vermittelnde Diskurs immer weniger stattfindet. Deswegen umgekehrt sind eigentlich die Kräfte so notwendig, die dafür sorgen, dass auch mehr dazwischen wieder stattfindet und wir nicht einer Empörungsdemokratie Vorschub leisten, wo ich dann auch jede Botschaft noch einmal überhöhe, noch einmal zuspitze, damit sie besser läuft. Ich glaube, wir müssen eine ganz grundsätzliche Debatte mal darüber führen, wie wir mit diesen Spielregeln einer Aufmerksamkeitsökonomie umgehen, die einfach, wo heute Aufmerksamkeit das entscheidende Gut ist und jemand, der die Aufmerksamkeit bekommt, der kann dann seine Inhalte auch noch besser vermarkten, kommerzialisieren, aber am Ende leistet es auch der Polarität in der Gesellschaft Vorschub.
Watzke: Aber Ihr Chef, Horst Seehofer, steigt jetzt in den Wettbewerb der Aufmerksamkeitsökonomie ein. Er hat vor ein paar Tagen bei seiner Bierzeltrede gesagt, er wird Ende August auch einen Twitter-Account eröffnen. Sehe ich Schweißperlen auf Ihrer Stirn, Herr Blume?
Blume: Nein, da bin ich gespannt. Ich freue mich darauf, wenn er in die Welt der Online-Kommunikation geht. Er ist ja bisher auf Facebook unterwegs, dann auch bei Twitter einsteigt.
Watzke: Mit 69.
Blume: Ja, das zeigt dass das alles keine Frage des Alters ist und dass man natürlich heute mit diesen neuen Medien natürlich auch umgehen muss. Man kann nicht nur beklagen, dass es sie gibt, sondern man muss sie auch als Volkspartei nutzen, aber natürlich auch verantwortungsvoll nutzen, wie es notwendig ist und wie es auch umgekehrt auch dann bedeutet, sich mit den Eigenarten dieser Medien auseinanderzusetzen.
Watzke: Und wer passt auf, dass Herr Seehofer abends nach einem anstrengenden Tag nicht auch mal etwas twittert, was er vielleicht nicht twittern sollte?
Blume: Ich habe nicht das Gefühl, dass unser Parteivorsitzender für das, was er tut, einen Aufpasser bräuchte.
Watzke: Sie hören das Interview der Woche im Deutschlandfunk, heute mit CSU-Generalsekretär Markus Blume, dem Mann, der als Vorsitzender der Grundsatzkommission der CSU einen Slogan geprägt hat, der hieß die Ordnung. Herr Blume, wo ist die Ordnung im Wahlkampf der CSU?
Blume: Die sehen Sie jeden Tag. Sie sehen die Plakate. Sie sehen von uns den Willen, um das Beste für Bayern zu kämpfen. Wir haben ein Regierungsprogramm. Wir werden demnächst auch das Regierungsprogramm noch um ein Wahlprogramm ergänzen.
"Jeden Tag vollen Einsatz für dieses Land"
Watzke: Und Sie haben eine aktuelle Umfrage von 39 Prozent. Die scheint da wie festgenagelt, zumindest seit einigen Wochen.
Blume: Ja, aber wir haben auch eine Grundüberzeugung in der CSU, dass wir keine Politik machen auf Koalitionen hin oder für Umfragen, sondern jeden Tag vollen Einsatz für dieses Land geben wollen. Das ist das, was am Ende zählt.
Watzke: Aber Sie haben ein Landesamt für Asyl gegründet. Sie haben sieben Ankerzentren errichtet, Sie haben die bayrische Grenzpolizei wieder erweckt. Bundesinnenminister Horst Seehofer hat den Masterplan Asyl erschaffen mit 63 Punkten. Er hat ihn gegen die Kanzlerin durchgepaukt, durchgepresst. Sie haben gewonnen, aber statt in den Umfragen zu steigen, rutscht die CSU immer weiter ab. Was will der CSU-Wähler? Will er gewaschen werden, ohne nass zu werden, Asylwende ja, aber keinen Streit?
Blume: Da ist etwas Wahres dran, was Sie als Frage formulieren. Das zeigen ja umgekehrt auch die Demoskopen, dass auf der einen Seite 70 Prozent der Bayern sich eine noch klarere, noch härtere Asylpolitik wünschen, aber auf der anderen Seite auch bei allen Umfragen deutlich wird, man möchte nicht, dass darum gestritten wird und das zeigt natürlich ein bisschen auch die Widersprüchlichkeit und ich sage auch Zerrissenheit der Gesellschaft. Man hat Erwartungen an die Politik und an den Staat, aber man möchte auch auf der anderen Seite, dass irgendwie alles trotzdem so bleibt, wie es ist, es auch harmonisch ist, harmonisch zugeht. Damit muss Politik am Ende des Tages aber einfach umgehen.
Watzke: Ja, da müssen Sie mit umgehen. Das ist Ihre Aufgabe, die Kommunikation…
Blume: Deswegen habe ich auch nicht das Gefühl, dass ich eine ganz einfache Aufgabe habe.
Watzke: In der Tat, Sie haben eine der schwierigsten Aufgaben. Sie sind noch relativ jung, wobei die Generalsekretäre der CSU ja immer recht jung waren, aber mit 43 werden Sie hier in eine Aufgabe geworfen…
Blume: Auch graue Haare bekommen in dem Amt.
Watzke: Tun Sie das, ist das so?
Blume: Also, es gibt welche, die meinen, es wären ein paar mehr geworden.
"Die Aufgabe macht unheimlich Freude"
Watzke: Ja, das glaube ich und ich denke mir, ich könnte mir vorstellen, dass Sie sich denken, jetzt seit drei oder vier Monate im Amt, puh, ausgerechnet in dieser Situation, wo wirklich von allen Seiten die Probleme ja auch kommen, sind Sie hier auf diesem Sessel. Würden Sie manchmal gerne woanders sitzen?
Blume: Nein, die Aufgabe macht unheimlich Freude, weil du weißt, du arbeitest hier für eine einzigartige Volkspartei, einzigartig fast in Europa, denn die Umfrageergebnisse, über die wir jetzt reden, die aus unserer Sicht natürlich auch noch stark ausbaufähig sind mit Blick auf den Wahltag, sind trotzdem Ergebnisse, die im europaweiten Vergleich uns geradezu einzigartig erscheinen lassen und trotzdem weiß ich, um was es bei dieser Bayern-Wahl geht. Da steht nicht nur die Zukunft dieses Landes auf dem Spiel, sondern da spielt wie bei jeder Bayern-Wahl natürlich auch die Einzigartigkeit der Christlich-Sozialen Union auf dem Spiel und glauben Sie mir, das ist die größte Motivation, jeden Tag vollsten Einsatz für diese Partei und auch für unsere Zielsetzung zu geben.
Watzke: Sind Sie immer zufrieden, wie dieser Wahlkampf läuft? Ein Beispiel, es gab viel Unmut im Bayrischen Landtag, auch in der CSU-Fraktion, darüber, dass man dort den Masterplan Asyl unterstützen sollte, obwohl viele ihn noch gar nicht kannten. Sie haben selber auch gesagt, ich habe ihn noch nicht gelesen, eine ganze Weile lang. Ich habe mich gefragt, was sollte dieses Versteckspiel, dieses Geheimnis? Warum hat man nicht diesen Plan offiziell sehr früh schon kommuniziert, zum Beispiel auch, indem man den Bundesentwicklungshilfeminister mit einbaut, der ja viel an diesem Plan mitgearbeitet hat und das ist ein CSU-Mann, Gerd Müller, aber den kennt kaum jemand. Wenn man Gerd Müller in Bayern sagt, denken die meisten an den WM-Torschützen von 1974.
Blume: Der Masterplan ist ja am Ende in der öffentlichen Wahrnehmung nur auf einen oder einen halben Punkt reduziert worden und dabei ist leider völlig unterbelichtet gewesen, dass er das Migrationsgeschehen in der ganzen notwendigen Bandbreite abdeckt, nämlich den Marshallplan für Afrika, ganz konkret formuliert, zusammen mit Gerd Müller gedacht, den im Übrigen viel mehr Bayern kennen und schätzen, als Sie glauben.
Watzke: Aber diesen Fehler können Sie doch den Medien nicht anlasten. Da hat doch Horst Seehofer einfach nicht genug dafür getan. Das wäre doch eine Möglichkeit gewesen, statt zu sagen, diese Frau, die Kanzlerin, ist nur durch meine Hilfe überhaupt in ihrem Sessel. Da hätte er doch einfach sagen können, schauen Sie mal, das ist mein Entwicklungshilfeminister, ein CSU-Mann, ein ganz toller Typ und der sorgt dafür, dass in Zukunft die Flüchtlinge in ihren Heimatländern bleiben können.
Blume: Herr Watzke, lassen Sie uns nach vorne schauen. Schauen wir mal sozusagen, wie Sie das gerade formuliert haben.
"Wir haben nie als CSU über Wahlziele gesprochen"
Watzke: Dann schaue ich mal nach vorne, Ihr Chef muss jetzt Verträge aushandeln mit Staaten wie Italien oder Griechenland, wo es darum geht, darf er dann Flüchtlinge, die woanders registriert sind, zurückweisen? Wenn er das machen will, muss er diesen Ländern etwas zurückgeben. Möglicherweise muss er dann beispielsweise Flüchtlinge übernehmen im Rahmen des Familiennachzugs. Wenn es dumm läuft, dann muss Horst Seehofer am Ende verkünden, dass man jetzt zwar Flüchtlinge zurückweisen darf, dass man aber gleichzeitig viel mehr Flüchtlinge, nämlich Tausende oder Zehntausend, annimmt von diesen Ländern. Das ist doch nicht das, was Horst Seehofer ursprünglich wollte.
Blume: Nein, das ist auch nicht das, was er verhandelt. Also, Sie können ja nicht ernsthaft erwarten, dass ein Bundesinnenminister etwas verhandelt mit anderen Ländern, wo wir unter dem Strich mit mehr Zuwanderung konfrontiert sind und dies bei einem Gesamtbild in Europa, wo wir feststellen, dass diese Bundesrepublik Deutschland den größten denkbaren Beitrag geleistet hat. Deswegen ist das nicht das, wofür Horst Seehofer in Europa eintritt. Er möchte, dass wir mit den Hauptländern, die für das Flüchtlingsgeschehen verantwortlich sind, zu Abkommen finden, um damit dann auch sicherzustellen, dass wir die Sekundärmigration innerhalb von Europa nach Deutschland wirksam unterbinden.
Watzke: Das Interview der Woche im Deutschlandfunk, heute mit CSU-Generalsekretär Markus Blume. Sie sind für den Wahlkampf der CSU zuständig. Zehn Wochen haben Sie noch, um aus 39 Prozent 49 Prozent zu machen. Das ist das Ziel der CSU, oder?
Blume: Wir haben nie als CSU über Wahlziele gesprochen und es an irgendwelchen Marken festgemacht.
Watzke: Gut, dann lassen Sie uns über Koalitionen reden.
Blume: Wir legen uns darauf fest, dass wir wirklich jeden Tag vollen Einsatz für dieses Land zeigen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir damit sehr weit kommen werden.
Watzke: Und wenn sehr weit am Ende 42, 43 Prozent sind, brauchen Sie einen Koalitionspartner. Die Grünen dienen sich an, Katharina Schulze, eine junge Kandidatin, die sogar die SPD überflügelt hat in den Umfragen hier in Bayern, wäre das eine Partnerin, Schwarz-Grün in Bayern? Sie hatten mal so etwas. Sie hatten mal so eine Art Pizza-Connection mit Grünen Landespolitikern. Da haben Sie sich regelmäßig getroffen. Können Sie sich so etwas vorstellen?
Blume: Das war, glaube ich, ich kann mich gar nicht mehr erinnern…
"In zehn Jahren hat sich das politische Gesamtbild fundamental verändert"
Watzke: In einem anderen Jahrhundert.
Blume: Das war in der jugendlichen Sturm-und Drangphase. Sie müssen ganz ehrlich sagen, in zehn Jahren hat sich natürlich das politische Gesamtbild fundamental verändert. Es spielen heute ganz andere Überzeugungen und auch Themen eine Rolle und ganz unabhängig davon, Koalitionspartner ist ein Wort, welches im Vokabular eines CSU-Generalsekretärs dem Grunde nach schon nicht vorkommt.
Watzke: Aber wünschen Sie sich manchmal so einen Gegenkandidaten wie vor fünf Jahren? Da hatte Horst Seehofer in Christian Ude, dem Münchener Oberbürgermeister von der SPD, einen Gegenkandidaten, an dem er sich auch abarbeiten konnte. Das hat gut geklappt. Jetzt gibt es Söder und viele Unbekannte.
Blume: Das ist in der Tat der große Unterschied. Wir haben heute einen Ministerpräsidenten und im Grunde niemanden, der ihn herausfordert. Das heißt, wir haben eine große Partei in diesem Land, die aktuell in den Umfragen, Sie haben es genannt, irgendwo bei 39, 40 Prozent steht, und wir haben dann eine ganze Reihe von kleinen Parteien, die irgendwo zwischen 5, 6, 7 und maximal 13 oder 14 Prozent stehen. Das ist eine völlig veränderte Ausgangslage. Ehrlich gesprochen, ich finde es schade und auch problematisch, beobachten zu müssen, welchen Niedergang gerade die Sozialdemokraten in den letzten Jahren hingelegt haben, weil damit natürlich auch die politische Auseinandersetzung in den großen Debatten deutlich schwerer geworden ist. Du kannst dein politisches Angebot nicht mehr im Gegensatz zu einer anderen größeren Partei darstellen, sondern du musst es heute im Grunde mit dir selbst ausmachen und gegenüber allen irgendwie verteidigen, aber es ist nicht mehr so, dass du es hart auch in den Gegensatz stellen kannst zu anderen politischen Angeboten, die heute einfach nicht da sind.
Watzke: Das ist die SPD, aber auch die Union, im Deutschlandtrend jetzt bei 29 Prozent. Es gibt viele in der CSU, die sagen, ja, die CDU ist zufrieden damit. Sie ist ja immer noch die stärkste Partei, aber für die CSU kann das nicht der Anspruch und nicht das Maß sein. Wie rütteln Sie denn die CDU-Leute auf und wie sorgen Sie dafür, dass sie nicht bei 39 Prozent hängenbleiben?
Blume: Ich denke, dass da auf einem solchen Niveau es niemanden gibt, der es sich da gemütlich einrichtet, denn jeder weiß, ich bleibe nur auf Dauer Volkspartei, wenn ich mich immer wieder neu bemühe, auch tatsächlich diejenigen für mich zu gewinnen, die im Moment vielleicht gerade hadern und es wäre viel einfacher zu sagen, ich stelle mich da ganz schlank auf. Bestimmte Gruppen, wo es vielleicht schwerer ist, sie im Moment zu erreichen, die lasse ich jetzt erst einmal liegen. Dann reduzieren Sie sich aber ganz automatisch und werden feststellen, dass Sie von Wahl zu Wahl weniger werden. Deswegen ist der Gedanke der Volkspartei für mich ein so entscheidender und auch für die Stabilität unseres politischen Systems in Deutschland und in Bayern so bedeutsam. Diese unbedingte Ambition der Volkspartei, die ganze Breite und ihre ganze Integrationskraft in den Dienst der Bevölkerung des Landes zu stellen, ist vielleicht das große unterschätzte Thema und die große unterschätzte Aufgabe. In der Union sehe ich, dass alle diese Aufgabe annehmen und dass sich niemand gemütlich einrichtet auf diem Niveau, wo wir im Moment vielleicht notiert sind.
"Ein solcher Wahlkampf ist ein ideales Fitnessprogramm"
Watzke: Das war das Interview der Woche mit Markus Blume, dem CSU-Generalsekretär. Herr Blume, zum Abschluss eine freche Frage. Es gibt den Satz, Politik macht dick. Ich kann das sogar als politischer Korrespondent am eigenen Leib bestätigen und man sieht es, finde ich, auch dem CSU-Spitzenkandidaten Markus Söder an. Der hat ordentlich zugelegt, obwohl er oder vielleicht gerade weil er so viel unterwegs ist im Wahlkampf. Sie dagegen mögen vielleicht ein paar graue Haare bekommen haben, wie Sie vorher gesagt haben, aber Sie sind rank und schlank, 1,96 m und so schlank wie immer. Wie machen Sie das?
Blume: Ehrlicherweise habe ich auch das Gefühl, dass ich eher Kilo verloren habe. Das ist vielleicht auch eine Folge dieser sehr spannenden, aber auch herausfordernden Aufgabe. Also ein solcher Wahlkampf ist ein ideales Fitnessprogramm. Also wer sich noch fragt, wie er vielleicht ein paar Pfunde herunterbekommt, der ist herzlich eingeladen, in diesen Wahlkampf mit einzusteigen. Das gilt für den Spitzenkandidaten genauso wie für den Generalsekretär oder für den Parteivorsitzenden und alle weiteren, die hier mit anschieben.
Watzke: Also, auf Schweinswürstel und Leberkassemmel verzichten, weniger Kalorien, mehr Umfragewerte?
Blume: Nein, Schweinswürstel und Schweinsbraten ja und gleichzeitig Wahlkampf, das ist im Grunde Wellnessprogramm.
Watzke: Ich danke Ihnen, Herr Blume.
Blume: Ich danke Ihnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.