In Deutschland werde viel für die innere Sicherheit getan, betonte Mayer. So sei etwa das Personal der Bundespolizei sehr erhöht worden. Er habe den Eindruck, dass das Krisenmanagement der Berliner Polizei gut gewesen sei. Inzwischen spreche sehr viel dafür, dass es kein Unfall, sondern ein terroristischer Anschlag gewesen sei.
Der CSU-Politiker begrüßte, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen so rasch an sich gezogen habe. "Trotz des schrecklichen Ereignisses sollten wir uns unsere Lebensfreude nicht nehmen lassen", sagte Mayer.
Das Interview in voller Länge:
Christiane Kaess: Mitgehört hat Stephan Mayer. Er ist innenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag und jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Mayer.
Stephan Mayer: Guten Morgen. Grüß Gott.
Kaess: Herr Mayer, Ihre erste Reaktion auf das, was in Berlin passiert ist.
Mayer: Es geht mir natürlich genauso wie allen anderen Bundesbürgern. Ich bin geschockt. Das, was man immer gehofft hat, dass nie eintreten möge, ist tatsächlich jetzt eingetreten: ein Anschlag unmittelbar im Herzen Berlins, damit ein Anschlag nicht nur gegen Berlin, sondern gegen Deutschland insgesamt, gegen die gesamte westliche Welt. Und insbesondere natürlich jetzt in der unmittelbaren Vorweihnachtszeit, fünf Tage vor dem Heiligabend, das ist wirklich ein unermesslich tragischer Moment.
Kaess: Sie sprechen jetzt ganz eindeutig von einem Anschlag. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung, wo viele Ihrer Kollegen, zum Beispiel Bundesinnenminister Thomas de Maizière, noch sehr lange sehr zurückhaltend waren mit diesem Wort.
Mayer: Die Erkenntnisse der letzten Stunden sind natürlich etwas gereift. Auch wenn noch nicht konkret klar ist, welcher Nationalität der Fahrer tatsächlich war, dann spricht doch sehr, sehr viel mittlerweile dafür, dass es kein Unfall war, sondern tatsächlich ein terroristischer Anschlag. Die näheren Hintergründe bleiben natürlich jetzt noch verborgen und müssen schnellstmöglich aufgeklärt werden und ich bin auch sehr sicher, dass die Ermittlungsbehörden hier sehr professionell und auch sehr zielstrebig ihrer Arbeit nachgehen. Aber es spricht bedauerlicherweise wirklich tatsächlich sehr viel dafür, dass gestern sich der schwerwiegendste terroristische Angriff auf Deutschland, in Deutschland seit vielen Jahren ereignet hat.
"An diesen Spekulationen nicht aktiv beteiligen"
Kaess: Und es gibt, Herr Mayer, Spekulationen darüber, der Täter könnte Pakistaner oder Afghane gewesen sein und womöglich als Flüchtling eingereist sein. Was wissen Sie darüber?
Mayer: Ich kenne natürlich diese Spekulationen. Es gibt unterschiedliche Gerüchte, dass er Pakistani sei, dass er Afghane sei, auch dass er Tschetschene sei, war mal im Umlauf. Ich glaube, man sollte sich jetzt an diesen Spekulationen nicht aktiv beteiligen, sondern wirklich die Ermittlungsbehörden ihre Arbeit machen lassen, auch ob er jetzt in diesem Jahr oder im letzten Jahr nach Deutschland eingereist ist. Das wird jetzt die nächsten Stunden und Tage aufzuklären sein, auch die näheren Hintergründe. Entscheidend kommt es natürlich auch darauf an festzustellen, ob es wirklich ein Einzeltäter war oder ob er eingebunden war in ein größeres Netzwerk, möglicherweise Mitwisser hatte, Kompagnons hatte. Das wird jetzt alles sehr schnell festzustellen sein.
Kaess: Wenn sich diese Spekulationen als richtig herausstellen sollten, haben dann die recht, die die aktuelle Flüchtlingspolitik der Regierung verurteilt haben?
Mayer: Das ist so ein Punkt, der sich aus meiner Sicht zum jetzigen Zeitpunkt wirklich verbietet. Zu einer Zeit, zu der viele der Opfer schwer verletzt sind, mit dem Leben ringen, um ihr Leben kämpfen, verbietet es sich, hier aus meiner Sicht wirklich konkrete Schlussfolgerungen zu ziehen und vor allem auch Verbindungen zur Flüchtlingskrise. Das sollte man wirklich jetzt erst mal alles abwarten, bis die Fakten auf dem Tisch liegen. Dann bleibt noch genügend Zeit, sich intensiv über Konsequenzen auch Gedanken zu machen. Aber ich bitte darum, dies nicht vorschnell zu tun.
"Deutschland ist nach wie vor eines der sichersten Länder der Welt"
Kaess: Wie wollen Sie dem denn entgegenwirken, Herr Mayer, wenn es zum Beispiel gestern Abend schon von der AfD eine ähnliche Reaktion in diese Richtung gab?
Mayer: Indem man solche Äußerungen auch klar zurückweist. Ich glaube, Deutschland ist nach wie vor eines der sichersten Länder der Welt. Wir haben gerade in den letzten Monaten sehr viel dafür getan, die innere Sicherheit zu verbessern, und man sollte jetzt wirklich erst mal abwarten, was tatsächlich zutage gefördert wird in den Ermittlungen. Ich halte es für richtig, dass sehr zeitnah der Generalbundesanwalt die Ermittlungen an sich gezogen hat. Damit sind die Ermittlungen aus meiner Sicht in den Händen, in die sie gehören. Es gibt in wenigen Stunden eine größere Pressekonferenz, bei der mit Sicherheit auch weitere Details und Einzelheiten preisgegeben werden.
Kaess: Ist Deutschland noch eines der sichersten Länder der Welt?
Mayer: Davon bin ich überzeugt und wir sollten uns auch trotz dieses schrecklichen Ereignisses unsere Lebensfreude nicht nehmen lassen. Natürlich ist dies ein Schlag ins Kontor gerade jetzt auch fünf Tage vor dem Heiligabend. Viele von uns sind schon in Weihnachtsstimmung und viele auch der Besucher der Weihnachtsmärkte waren ja und sind in Vorbereitungen auf das Weihnachtsfest. Deswegen ist dies natürlich in doppelter Hinsicht auch ein wirklich tragischer Moment. Aber ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass in Deutschland außerordentlich viel für die innere Sicherheit getan wird, und wir haben auch Defizite aufgerollt. Wir haben das Personal bei der Bundespolizei deutlich erhöht. Ich weiß, dass dies jetzt alles nicht zufriedenstellend klingt für die, die schockiert sind ob dieser schrecklichen Tat, aber man sollte sich wirklich auch jetzt nicht mürbe machen lassen. Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt.
Kaess: Bundesinnenminister de Maizière, der hat gesagt, es gab eine hohe Gefahr, wir haben immer darauf hingewiesen. Es habe aber nicht einen konkreten Hinweis auf einen Weihnachtsmarkt gegeben. Hätte man vor diesem Hintergrund eines möglichen Anschlags-Szenarios Weihnachtsmärkte besser schützen müssen?
Mayer: Ich glaube, dass auch hier alles getan wurde, was möglich ist. Es gibt in Deutschland mindestens 2.500 Weihnachtsmärkte. Man kann die nicht so schützen, dass zu 100 Prozent nicht mit einem Anschlag zu rechnen ist. Ich glaube, dass die Bundesbürger auch wenig Verständnis dafür hätten, wenn wir bei 2.500 Weihnachts- und Christkindelmärkten Personenkontrollen durchführen würden. Das würde, denke ich, von sehr vielen als überzogen und als zu stark auch die Persönlichkeitsfreiheit einschränkend empfunden werden. Vor dem Hintergrund bin ich weit davon entfernt, hier nur den geringsten Vorwurf zu machen, was die Sicherheitsvorkehrungen bei den Weihnachtsmärkten anbelangt.
Kaess: Aber dennoch, Herr Mayer, steht diese Frage natürlich jetzt im Raum, wie man öffentliche Veranstaltungen oder Ereignisse besser schützen kann. Wir haben das Beispiel des Oktoberfestes. Meiner Wahrnehmung nach ist dort mehr getan worden. Bisher ist es ja auch so, dass in Deutschland öffentliche Veranstaltungen nicht so stark geschützt werden wie zum Beispiel in Frankreich. Welche Konsequenzen wird das denn jetzt in den nächsten Tagen haben?
Mayer: Das Oktoberfest in München ist tatsächlich in diesem Jahr deutlich intensiver geschützt worden, mit Personenkontrollen. Aber wohl gemerkt handelt es sich hier um das größte Volksfest der Welt, natürlich auch mit einer entsprechenden Attraktivität für alle Kreise, möglicherweise auch für Scharlatane und auch für Terroristen. Deswegen war es aus meiner Sicht richtig, zum Beispiel einen Zaun um das Veranstaltungsgelände zu erstellen und auch Personenkontrollen durchzuführen. Aber wie gesagt: Bei über 2.500 Weihnachtsmärkten mit ganz unterschiedlicher Größenordnung, mit ganz unterschiedlicher Aufstellung wäre es aus meiner Sicht überzogen gewesen und auch nach wie vor wäre es überzogen, hier Personenkontrollen, Zugangskontrollen in toto mit zu implementieren.
"Krisenmanagement der Berliner Polizei war sehr ordentlich"
Kaess: Es gibt auch die Möglichkeit, mehr Sicherheitspersonal einzusetzen.
Mayer: Das ist richtig. Das wird ja auch gemacht. Jetzt, glaube ich, verbietet es sich, zu spekulieren, ob man mit mehr Sicherheitspersonal diesen schrecklichen Anschlag von gestern hätte vermeiden können. Ich bin wirklich der festen Überzeugung, gerade auch im Lichte der schrecklichen Anschläge, die wir in den letzten Monaten in Europa, in anderen Ländern erlebt haben, dass wir hier vorschnell Rückschlüsse ziehen. Wir werden uns sehr intensiv auch möglicherweise noch vor Weihnachten im Rahmen einer Sondersitzung des Innenausschusses mit dem Thema beschäftigen. Es wird hier keinen zeitlichen Verzug geben, dass sich auch die Politik auf allen Ebenen, sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene mit diesem schrecklichen Anschlag intensivst auseinandersetzt. Nur zum jetzigen Zeitpunkt, glaube ich, wäre es falsch, vorschnell Konsequenzen zu ziehen oder irgendwelche Mutmaßungen anzustellen.
Kaess: Es gab, Herr Mayer, einen Appell der Polizei in Berlin, keine Gerüchte und kein Material ins Internet zu stellen, sondern der Polizei zur Verfügung zu stellen, zum Beispiel Handy-Aufnahmen. Noch kurz zum Schluss: Wie beurteilen Sie das Krisenmanagement in Berlin bisher?
Mayer: Ich habe den Eindruck, zwar aus der Entfernung, aber durchaus sehr intensiv daran teilnehmend, dass das Krisenmanagement der Berliner Polizei sehr ordentlich war, ähnlich gut wie beim schrecklichen Amoklauf Ende Juli in München. Ich habe wirklich den Eindruck, die Polizeien in Deutschland insgesamt sind hier wirklich gut aufgestellt und auch gut vorbereitet für derartige sei es Amokläufe oder auch sei es schreckliche Anschläge, wie wir ihn leider gestern zu verzeichnen hatten.
Kaess: Die Einschätzung von Stephan Mayer. Er ist innenpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Danke für Ihre Zeit heute Morgen.
Mayer: Bitte schön. Alles Gute.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.