Sie -"Frei, mitmenschlich, offen"- beschwört in ihrer Neujahransprache vor allem den Zusammenhalt der Gesellschaft.
Er - "Terroranschläge, Kriege, weltweite Migrationskrise"- beschwört in seiner Neujahrsansprache vor allem die Kanzlerin. Einen ganzen Forderungs-Katalog bringt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer zur Klausurtagung der CSU-Landesgruppe ins oberbayerische Kloster Seeon.
"Die Bevölkerung muss sich darauf verlassen können, dass der Staat seine ureigensten Aufgaben erfüllt: die Sicherheit im Land und die Sicherheit der Grenzen."
Frostige Bilder und frostiger Grundton
Ohne sie direkt zu erwähnen, greift Seehofer schon am ersten Tag des neuen Jahres Angela Merkel an. Denn, so der CSU-Chef:
"Nur wenn wir die Kontrolle darüber haben, wer in unser Land kommt und wer sich in unserem Land aufhält, können wir den Rechtsstaat und den Schutz der Bürger sichern."
Diesen Zustand sieht Seehofer derzeit nicht gegeben und sieht die Kanzlerin in der Verantwortung. Die sendet in ihrer Ansprache einen deutlichen Tadel nach Bayern:
"Was für Zerrbilder!"
Damit ist der Grundton für die heute beginnende, dreitägige Klausur gesetzt. Der Schwesternstreit geht weiter. Die Bilder aus dem verschneiten Kloster nahe des Chiemsees werden kaum frostiger sein können als das Verhältnis zwischen Seehofer und Merkel. Und pünktlich zum Klausur-Start dreht Thomas de Maiziere die Temperaturschraube noch ein paar Grad nach unten. Der Bundes-Innenminister fordert als Konsequenz aus der Terror-Attacke von Berlin:
"Dass die Bundespolizei in bestimmten Fällen auch die Abschiebung mit organisiert, etwa in Verbindung mit solchen Ausreisezentren. Das entlastet die Länder und beschleunigt das Verfahren."
CSU verärgert über CDU-Vorstoß
Eine Verlagerung der Kompetenzen von den Ländern auf die Bundesebene? Etwa bei Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern oder der Zuständigkeit der Landesverfassungsschutz-Ämter? Bayerns Innenminister Herrmann reagiert verärgert:
Eine derartige Debatte zum jetzigen Zeitpunkt lenke von den eigentlichen Problemen und Herausforderungen zur raschen Bekämpfung des Terrorismus ab, so Herrmann. Sein Bundes-Kollege de Maiziere solle stattdessen das aktuelle Positionspapier der CSU-Landesgruppe mit dem Titel "Sicherheit für unsere Freiheit" studieren. Die Kernforderungen dieses siebenseitigen Entwurfs:
Lückenlose Registrierung und Sicherheitsüberprüfung aller ankommenden Flüchtlinge die Speicherung von Fluggastdaten, Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft von islamistischen Extremisten, elektronische Fußfesseln, längere Abschiebehaft und einen neuen Haftgrund gegen Gefährder und nicht zuletzt: mehr Video-Überwachung und den Einsatz von biometrischen Gesichtserkennungs-Systemen.
Obergrenze weiter strittig
Die meisten dieser Forderungen sind auch in der CDU mehrheitsfähig. Die Unionsparteien seien sich zu 99 Prozent einig, sagte jüngst CDU-Vorstandsmitglied Julia Klöckner. Zu dem einen Prozent Uneinigkeit gehört die CSU-Dauerforderung nach einer Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr.
Aber CSU-Landesgruppen-Chefin Gerda Hasselfeldt hat den Begriff wohlweislichen aus allen Positions-Papieren der Klausurtagung gestrichen. Hasselfeldt will die Kanzlerin nicht erneut reizen. Ob sich CSU-Chef Seehofer ebenso zurückhalten wird? Seine Neujahrs-Ansprache deutet eher auf das Gegenteil hin.