Silvia Engels: Ursula Münch ist Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing. Guten Tag, Frau Münch!
Ursula Münch: Guten Tag, Frau Engels!
Engels: Sie haben ja die CSU immer im Blick. Waren Sie überrascht, wie hart Ministerpräsident Seehofer auf diesen eigenmächtigen Vorstoß seiner Wirtschaftsministerin Aigner in Energiefragen reagiert hat?
Münch: Also ein wenig überrascht war ich schon. Wir sind alle dran gewohnt, dass der Ministerpräsident da oft kein Blatt nimmt vor sich und auch manchmal sehr harte Worte spricht, das haben schon verschiedene Kabinettsmitglieder ja leidvoll erfahren müssen. Dass es dieses Mal Frau Aigner trifft, hätte man in dem Ausmaß nicht damit gerechnet. Andererseits wurde sie schon des Öfteren auch gerügt dafür, dass sie eben nicht so viel so schnell vorgelegt hat zur Energiepolitik, wie sich das wohl Seehofer auch erwartet hatte. Das war wohl auch der Grund, warum Frau Aigner jetzt vorstellig geworden ist und ein an und für sich nicht abgesprochenes Papier präsentiert hat, weil sie jetzt eben dann auch tatsächlich liefern wollte und auch einfach auch ein bisschen sich auf die Hinterbeine wohl stellen wollte.
Engels: Nun ist es ja so, dass sie in ihrem Anliegen nicht ganz alleine stand. Zunächst hatte ja Gerda Hasselfeldt, die Landesgruppenvorsitzende der CSU, ihr ja noch etwas den Rücken gestärkt, indem sie grundsätzlich gesagt hatte, Debattenvorschläge müssten in einer demokratischen Partei möglich sein. Das wurde dann auch wieder etwas zurückgezogen. Wie ist ihre Rolle in diesem Konflikt einzuordnen?
Münch: Sie hat tatsächlich so eine vermittelnde Rolle versucht, zu spielen, und tatsächlich auch das bemüht, worum es ja tatsächlich gehen sollte, dass man nicht von vornherein fertige Papiere vorlegt, sondern das Ganze noch als einen Diskussionsprozess, das Ringen um die beste Lösung sucht, das war der Versuch von Hasselfeldt, der dann aber im Grunde von Seehofer auch ein bisschen eingebremst worden ist. Allzu hoch würde ich das jetzt im Grunde auch nicht hängen. Das heißt jetzt nicht, dass die Frau Aigner im Kabinett nichts mehr zu sagen hat, dass sie keine Kronprinzessin mehr ist, ganz im Gegenteil, sie hat eigentlich auch bewiesen, dass sie nicht gleich einknickt und nicht gleich vorauseilenden Gehorsam walten lässt.
Engels: Aber es ist möglicherweise Teil dieses Machtkampfes, der ja um die Nachfolge um Horst Seehofer als Ministerpräsident entbrennen wird. Wie hat da jetzt möglicherweise Markus Söder, der ja auch als Kronprinz gilt, punkten können?
Münch: Der wird sicherlich sich gestern Abend relativ entspannt am Abend zurückgezogen haben und das Ganze mit einem inneren Lächeln beäugt haben, aber er weiß auch, dazu ist er klug genug, das zu wissen, er weiß auch, dass es das nächste Mal wieder ihn treffen kann. Wir haben hier einen gewissen Politikstil hier in Bayern, im Kabinett, wo das öffentliche Watschen und das öffentliche also Abstrafen zur Politik, zur Kabinettsdisziplin dazugehört oder zur Disziplin, die der Ministerpräsident noch versucht, auszuüben. Die Frage ist, wie lange ihm das gelingen kann, wie lange das im Grunde tatsächlich dann auch ein Politikmodus ist, eine Form ist, die die Leute sich gefallen lassen. Das geht so lange gut, so lange verschiedene Leute, verschiedene Kabinettsmitglieder, sei es in Bayern, sei es im Bund, im Rennen sind, aber irgendwann mal kann es natürlich auch sein, dass er es übertreibt. Also da muss auch Seehofer durchaus vorsichtig dosieren.
Weitere Machtdemonstrationen bis zu den Europawahlen
Engels: Da höre ich Zweifel heraus, dass er diesen Stil unendlich lang fortsetzen kann – auch vielleicht gerade mit Blick auf die CSU-Basis?
Münch: Ja, ich meine, auch die Basis betrachtet manches sicherlich mit einer gewissen Einschränkung, dass man im Grunde das Ganze schon wahrnimmt als ein Machtspiel des Ministerpräsidenten, des Parteivorsitzenden, dass man durchaus bereit ist, einiges hinzunehmen. Wenn es dann aber zu verletzend wird oder wenn man das Gefühl hat, dass nicht mehr diskutiert wird in der Partei, sondern dass er bestimmt, was er als Dialog und was er als Aufstand betrachtet, das würde ihm zum Nachteil gereichen, also wenn diese Stimmung sich tatsächlich ausbreiten sollte. Insofern muss er klug dosieren. Das kann er an und für sich, also normalerweise ist er schon jemand, der auf solche Stimmungen dann reagiert und das dann auch wieder zurückfährt. Ich gehe davon aus, dass wir jetzt aber damit leben müssen: Zumindest bis zu den Kommunalwahlen oder auch bis zu den Europawahlen wird der Zustand jetzt noch ein bisschen nach außen hin das auch zu demonstrieren, anhalten, aber natürlich wird er auch danach anhalten, weil die Frage der Nachfolge uns ja die nächsten Jahre beschäftigen wird.
Engels: Gehen wir mal weg vom Personal, hin zu den Inhalten: Die CSU hat sich in Wildbad-Kreuth nicht nur wieder in Sachen Zuwanderung profiliert, sie grenzt sich auch wieder bei Mindestlohn oder der Rente mit 63 etwas deutlicher von der SPD ab, zumindest verbal, egal, was im Koalitionsvertrag steht. Warum?
Münch: Das ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass man selber das Gefühl hat als CSU und es ja auch weiß, dass man in einer Großen Koalition immer weniger zu sagen hat als in einer kleinen Koalition mit der FDP. Die CSU ist jetzt schwächer, das ist bei allen Großen Koalitionen so, umso größer versucht sie sich jetzt im Grunde bisschen zu machen, sich verbal größer zu machen. Das gelingt natürlich in dieser Zeit, in der nachrichtenarmen Zeit Ende Dezember, Anfang Januar gelingt so etwas am besten und man merkt ja auch, die Medien reagieren drauf, das öffentliche Interesse ist da, und da versucht jetzt Seehofer und die gesamte Partei um die Landesgruppe, Position zu beziehen. Sachen nachzutarocken, mit denen man im Koalitionsvertrag nicht ganz glücklich ist, und natürlich – jeder Koalitionsvertrag lässt ja auch gewisse Deutungen zu.
Da sind noch offene Stellen, die man dann versucht, zu interpretieren. Das ist der vermeintlichen Schlechterstellung und der tatsächlichen auch zahlenmäßig und von der Bedeutung der Ressorts in der Großen Koalition geschuldet, es ist aber vor allem auch der Tatsache geschuldet, dass jede Politik der CSU immer auch auf Bayern zielt, die zielt jetzt weniger auf ein bundesdeutsches Publikum, sondern im Grunde geht es immer darum, der bayrischen Wahlbevölkerung, die eben im März wieder wählen wird bei den Kommunalwahlen und dann im Mai wählen wird bei den Europawahlen … Und man muss und will der bayrischen Bevölkerung deutlich machen, dass man bayrische Interessen auf der Bundesebene angemessen repräsentiert und darstellt, und dazu muss man sich immer ein bisschen in Szene setzen. Das gehört dazu.
Engels: Ursula Münch, sie ist Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing und wir ordneten mit ihr ein den Zustand und die Perspektiven der CSU. Vielen Dank!
Münch: Danke schön!
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