Archiv

CSU-Politiker kritisiert Berichterstattung
Goppel: Medien mitverantwortlich für Umfragetief

Der CSU-Politiker Thomas Goppel hat die Medien mitverantwortlich für die schlechten Umfragewerte seiner Partei gemacht. Diese hätten täglich nur noch über die Asylpolitik berichtet, sagte er im Dlf. Wichtige andere Themen wie Renten, Pflege und Gesundheit kämen in den Medien kaum noch vor.

Thomas Goppel im Gespräch mit Dirk Müller |
    Der CSU-Politiker Thomas Goppel bei einer Rede in Rott am Inn am 20.10.2014.
    Der CSU-Politiker Thomas Goppel führt das Umfragetief seiner Partei unter anderem auf die Art der Berichterstattung zurück, die zu sehr die Asylpolitik thematisiert habe (picture alliance / dpa / Nicolas Armer)
    Dirk Müller: Schadensbegrenzung – das haben wir eben gehört von Markus Söder – zumindest, weil sich die CSU in einem historischen Umfragetief befindet. Am Telefon ist nun der CSU-Politiker Thomas Goppel, viele Jahre lang Minister in der bayerischen Landesregierung, Sprecher der Gruppierung christsozialer Katholiken. Thomas Goppel verfolgt die Entwicklung seiner Partei fast immer äußerst kritisch und ist auch deswegen nun bei uns am Telefon. Guten Morgen!
    Thomas Goppel: Ich bin nicht deswegen bei Ihnen am Telefon, Herr Müller. Ich bin bei Ihnen am Telefon, weil ich mit Ihnen gerne streite.
    Müller: Wunderbar!
    Goppel: So ist das.
    Müller: Dann war das eine Hoffnung von mir.
    Goppel: Erwartung reicht.
    Müller: Dann eine Erwartung. – Dann beginnen wir gleich. Wäre es ohne Horst Seehofer besser?
    Goppel: Das kann man so nicht sagen. Mit Horst Seehofer hat die CSU ein Tief von vor inzwischen zehn Jahren sehr gut überwunden und in der Zeit auch glänzende Arbeit geleistet. Da können Sie sagen was Sie wollen. Es steht kein Land in Deutschland und darüber hinaus in Europa so gut da wie wir. Von der Arbeit her gibt es keinerlei Kritik. Das möchte ich Ihnen schon ausdrücklich sagen. Es gibt niemanden, der eine bessere politische Entwicklung eingeleitet hat.
    Müller: Jetzt höre ich schon ein Aber heraus.
    Goppel: Bitte?
    "Seehofer gehört zu denen, die aus ihrem Herzen keine Mördergrube machen"
    Müller: Jetzt höre ich bei Ihnen schon ein Aber heraus.
    Goppel: Nein! Der Horst Seehofer gehört zu denen, die aus ihrem Herzen keine Mördergrube machen und gelegentlich Formulierungen wählen, bei denen er selbst anschließend sofort sagt, das war ja nur ein Späßle. Wir ärgern uns darüber. Ich selber bin stink sauer über solche Formulierungen, weil sie nicht helfen, denn es bleibt nur die Formulierung hängen und nicht die Nachbemerkung. Die lassen ja Ihre Kollegen dann gerne weg. Dadurch verändert sich die Stimmungslage immer wieder und immer aufs Neue.
    Müller: Hat er ein Darstellungsproblem?
    Goppel: Ich weiß nicht, ob er ein Problem hat. Er ist jedenfalls mit sich selber so im Reinen, dass es ihm egal ist, was die Wirkung auslöst, und das ist nicht gut.
    Müller: Das heißt, Sie sind dann auch nicht mit ihm im Reinen?
    Goppel: Mein Gott, mit wem bin ich im Reinen? Da muss man doch nicht lang herumtun. Wir leben in einer Zeit, in der wir miteinander diskutieren, auf höchstem Niveau, in bester Lage, was die politische Gegebenheit anlangt, und in einer Zeit der Empfindlichkeit, die natürlich ganz wesentlich immer sich darauf konzentriert, möglichst einem aus der Union nachzusagen, dass er so daneben lag, dass man jedenfalls die SPD vergessen machen kann, dass sie selber in derselben Situation auch schon war. Ich will nicht ablenken, sondern will darauf hinweisen: So was gibt es überall.
    Müller: Aber wir müssen ja über die CSU jetzt in diesem Zusammenhang reden.
    Goppel: Ja, ist doch super!
    "Seehofer hat an dieser Stelle das Ziel nicht mehr im Auge gehabt"
    Müller: Ich versuche das noch mal. Hat Horst Seehofer mit diesem Hickhack in den vergangenen Wochen der Partei geschadet?
    Goppel: Darf ich es herumdrehen – wirklich, weil ich der Meinung bin, er hat an dieser Stelle das Ziel nicht mehr im Auge gehabt, das er vorher ganz sicher als Ministerpräsident heftiger im Auge gehabt hat.
    Müller: Wie kann das denn passieren?
    Goppel: Das müssen Sie mich nicht fragen. Das müssen Sie ihn selber fragen.
    Müller: Er sagt meistens nicht zu, wenn wir ihn fragen wollen.
    Goppel: Ich glaube schon, er hört zu, aber er ist derjenige, der bei der Antwort dann auf das Späßle ausweicht.
    Müller: Und das versteht dann kaum jemand?
    Goppel: Das tut er bei mir auch. – Na gut, okay. Da bin ich derselben Meinung. Die Begeisterung über solche Entwicklungen hält sich bei vielen in Grenzen und ich selber äußere sie nach außen so oder so herum nicht.
    Müller: Aber das hört sich doch ein bisschen an, als war er in der Vergangenheit gut, aber jetzt reicht es auch.
    Goppel: Nee, das geht zu weit. Der Ministerpräsident hat selbst an den Beispielen, die Thomas Goppel, Bernhard, Stevens und andere heißen, vor zehn Jahren festgestellt, es ist die Zeit für eine andere Zusammensetzung. Wir sind, sagen wir jedenfalls, grußlos gegangen und haben auch an dieser Stelle gelernt, dass man Zeiten hat, in denen man gut ist, und andere, in denen man besser anderen das Ruder überlässt.
    Müller: Was meinen Sie jetzt mit Zusammensetzung?
    Goppel: Bitte was?
    Müller: Was meinen Sie mit Zusammensetzung? Sie haben gesagt, vor zehn Jahren haben wir gesagt, wir brauchen eine neue Zusammensetzung.
    Goppel: Ich war Mitglied im Kabinett und der Bernhard war es auch, und die Frau Stevens war es auch, und wir sind von einem Tag auf den anderen altersbedingt nach Hause geschickt worden. Das sollten Sie eigentlich noch wissen. Sie sind doch politisch informiert!
    "Wer eine Regel aufstellt, muss sie auch selbst befolgen"
    Müller: Ja, ja. Ich wollte das nur noch mal klar und deutlich von Ihnen hören und das haben Sie ja jetzt gemacht. – Das heißt, ein bisschen höre ich jetzt wieder raus, dass Horst Seehofer das jetzt auch machen könnte?
    Goppel: Das was er für andere für wichtig hält, ist für ihn selbst nicht ausgeschlossen. Er meint das wahrscheinlich. Aber ich bin der Meinung: Wer eine Regel aufstellt, muss sie auch selbst befolgen.
    Müller: Er ist nicht ganz konsequent?
    Goppel: Das ist richtig.
    Müller: Markus Söder – sind Sie damit im Reinen?
    Goppel: Mit Markus Söder habe ich lange gekämpft und lange gerauft über ganz viele Themen und Fragen. Er war ja in ein paar Fällen mein Nachfolger, Generalsekretär, im Bereich des Umweltministeriums und so weiter, bei Finanzen ist er dann oben drübergestiegen. In den Zeiten habe ich viel mit ihm gestritten, weil ich der Meinung war, dass das Ziel, das er im Auge hat, wichtiger ist als die Arbeit, die er leistet. Heute bin ich von dem, was er tut, möchte ich ganz ausdrücklich sagen, angetan, sehr begeistert.
    Müller: Aber Sie haben ihm nicht gesagt, er soll mit Asyl-Tourismus argumentieren?
    Goppel: Na hören Sie mal! Bin ich derjenige, der einem Ministerpräsidenten Ratschläge gibt? Das mache ich nicht. Davon abgesehen: Wenn Sie nachschauen, wie viele von den Flüchtenden – jetzt bin ich ganz bewusst mit dem Begriff ganz vorsichtig – zu uns kommen, nicht mit dem Ziel, Asyl zu haben, sondern das nächste Mal wiederkommen und noch mal, dann ist der Begriff einer, der sicherlich zu sehr auf diese Stelle setzt, aber gleichzeitig auch etwas ausdrückt, was Tatsache ist. Dass ihn die Führungskräfte besser nicht verwenden, das hat der Söder selber gesagt.
    Müller: Das hat er jetzt gesagt. Wochenlang ist er mit diesem …
    Goppel: Wochenlang? Das waren jetzt 14 Tage. Nur weil Sie es jeden Tag bei sich senden und andere es dauernd wiederholen, ist es nicht monatelang.
    Müller: Ich habe es auch jeden Tag gelesen. Jetzt ist ihm aufgefallen, das machen wir jetzt nicht, weil es so polarisiert hat, weil das so umstritten war?
    Goppel: Herr Müller, Herr Müller.
    Müller: Okay. – Ist es eine Stärke von Söder, dass er jetzt gesagt hat, okay, dann lassen wir das sein, ich habe vielleicht viele verletzt dadurch?
    Goppel: Sie können das als sehr gutes und klares Einsichtsvermögen bezeichnen und von daher selber klar werden. Wenn einer mit sich selbst so im Reinen ist, dass er zugesteht, dass bestimmte Dinge jetzt dann auch anders gesagt werden können, ist das ein Qualitätsmerkmal. Entdecken Sie das bei ein paar anderen in unserem Land? – Ich tue mich schwer.
    "In den Umfragen ist die CSU gesunken aus einer ganzen Abfolge von Themen"
    Müller: 38 Prozent – unser Umfragetief. Wir haben ein bisschen über Horst Seehofer geredet. Da haben Sie jetzt gesagt, okay, das ist nicht optimal gelaufen. Markus Söder macht die Sache gut, sogar eine Stärke von ihm, vom neuen bayerischen Ministerpräsidenten, dass er vielleicht Fehler oder Versäumnisse einräumen kann. Ist das alles, warum die Partei so weit gesunken ist - in den Umfragen, wollen wir dazu sagen?
    Goppel: Nein. In den Umfragen ist sie gesunken aus einer ganzen Abfolge von Themen, die den Leuten natürlich auf den Nägeln brennen. Ich persönlich denke, dass alle die, die ein anderes Thema für wichtiger halten, ständig in die Seite hineingeschoben werden, in der dann nichts geschieht, und die den Eindruck haben, dass wir das Geld, das wir im Augenblick ja durchaus ganz hilfreich zur Verfügung haben, nicht dort verwenden, wo unsere Bürger es brauchen – Rentner, für die ich zum Beispiel unterwegs bin als Seniorensprecher, Pflege, für die ich genauso unterwegs bin, Gesundheit. Da sind viele, viele Themen des einfachen Bürgers, bei denen er erwartet, dass wir aufhören, über Menschen in anderen Ländern beziehungsweise bei uns zu Gast und auf dem Heimweg diskutieren und dort unser Geld ausgeben, während sie selber in Mühe in diesem Alltag ihr Dasein pflegen. Das machen die zum Teil wirklich mit ganz großer Mühe und da verstehe ich, dass Grant rauskommt.
    Goppel: Medien konfrontieren Sie uns jeden Tag mit Asyl und Co
    Müller: Das ist auch ein Versäumnis der CSU?
    Goppel: Nein, das ist kein Versäumnis, sondern die Öffentlichkeit diskutiert so und speziell die Damen und Herren Müller und Co. in den verschiedenen Sendern. Bitte: Müller und Co. ist kein Schimpfwort, damit wir uns recht verstehen.
    In der Ausgangsposition heute konfrontieren Sie uns jeden Tag mit Asyl und Co und sind dann an dieser Stelle sofort beleidigt, wenn irgendjemand anders uns in der Politik erinnert, dass wir nicht nur darüber diskutieren dürfen. Das ist genau das Problem. Ich möchte gerne über vieles mit Ihnen diskutieren, kriege aber gar keine Frage.
    Müller: Ich habe Sie ja gefragt, wo sind die Versäumnisse.
    Goppel: Sie haben mich nicht danach gefragt, warum ich jetzt in der Frage Rente und sonst was in der Konzeption nicht so optimal bin, sondern Sie haben gesagt, Asyl, ist das denn alles. Da sage ich Ihnen: Nein, ist es nicht.
    Müller: Da haben Sie eine klare Antwort gegeben. Das tun ja viele auch aus dem Lager Goppel und Co., wenn ich das so zurückgeben darf.
    Goppel: Nur zu!
    Müller: Noch mal zur Asylpolitik zurückkommend. Da sagen Sie, machen die Medien. Hat Horst Seehofer, frage ich jetzt mal, nicht das Thema so weit nach vorne lanciert, dass es fast gar keine andere Möglichkeit mehr gab, als mit diesem Thema jeden Tag anzufangen?
    Goppel: Sie entschuldigen sich. Das können Sie gerne tun.
    Müller: Nein, nein! Es war eine Frage an Sie.
    Goppel: Ich empfinde die Frage als Entschuldigung.
    Müller: Ja, ja. War aber nicht so gemeint.
    Goppel: Doch, doch. Es ist ganz einfach: Sie haben die berühmte Hand, bei der der Zeigefinger auf den anderen deutet, und selber drei Finger, die abgebogen zu Ihnen selbst zurückzeigen. Das gilt für jeden, nicht nur für mich.
    Müller: Ich schaue jetzt gerade auf meine Hand.
    Goppel: Sie zeigen ja nicht auf mich in dem Moment, sondern auf den Seehofer, und da ist es eindeutig. Sie können ihn natürlich auch auf die Hand setzen, das ist auch eine Möglichkeit, freundlich anbieten. Aber so klingt das nicht.
    "Das ist doch sein Thema"
    Müller: Er hat jeden Tag über Asylpolitik und Flüchtlingspolitik gesprochen. Das ist äußerst umstritten gewesen.
    Goppel: Als Bundesinnenminister muss er das doch! Das ist doch sein Thema! Das wird er ja wohl auch noch sagen dürfen.
    Müller: Nein, er ist ja auch CSU-Chef. Er kann ja auch die Pflege-Problematik thematisieren.
    Goppel: Ja. Da hat er aber ausdrücklich gesagt, dass er in München jetzt nicht mehr diese Zuständigkeit hat. Und der CSU-Chef ist derjenige, der sein eigenes Thema ernst nimmt. Nimmt es einer aus der Politik ernst, sagen Sie, was für ein komischer Tropf. Nimmt er es nicht ernst, sagen Sie, er vernachlässigt die Politik.
    Müller: Nein, hat ja keiner getan.
    Goppel: Es genügen ja die Kommentare, die Sie dazu geben.
    Müller: Aber vielleicht sollte er mehrere Themen ernst nehmen?
    Goppel: Das habe ich gerade vorher selber gesagt, dass es für uns insgesamt mehrere Themen gibt, bei denen wir ernster unterwegs sein sollten.
    Müller: Dann deckt aber der CSU-Chef im Moment nicht alle Themen ab, die er abdecken sollte?
    Goppel: Er hat eine Aufgabe, bei der alle anderen dauernd daneben stehen und sagen, du musst das regeln. Die Kanzlerin sagt, nein, die Fragen, wie das jetzt geht, muss er mit den Länderministern weiter erörtern, muss immer auf dem Kiwief sein in dieser Thematik. Und Sie fragen mich, warum er nicht über Pflege redet – davon abgesehen, dass ich gar nicht weiß, ob Sie es nachher veröffentlichen würden.
    Müller: …, dass wir was veröffentlichen? Unser Gespräch?
    Goppel: Nein, Quatsch! …, dass Sie veröffentlichen, dass der Bundesinnenminister sich zu einem Thema äußert, bei dem er nicht zuständig ist, wobei ich ihn immer so kenne, dass er, wenn ihm danach ist, kein Thema auslässt. Im Moment werden wohl alle anderen dafür sorgen, dass ihm nach nichts anderem ist, als darauf zu achten, dass er selbst nicht daneben sitzt.
    Müller: 7:29 Uhr im Deutschlandfunk – CSU-Politiker Thomas Goppel bei uns heute Morgen im Interview. Ich danke ganz herzlich, dass Sie wieder Zeit gefunden haben, und wünsche einen schönen Tag.
    Goppel: Lassen Sie uns ein bisschen besonnen sein. Danke!
    Müller: Wir versuchen es. Ich danke Ihnen!
    Goppel: Danke! Auf Wiederhören.
    Müller: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.