Sandra Schulz: Einen Flughafen zu bauen, das kann in Berlin ja mal ein bisschen länger dauern. Aber schnell kann die Hauptstadt auch. Erst Ende Januar fiel die Entscheidung, den Internationalen Frauentag zu einem gesetzlichen Feiertag in Berlin zu machen. Damit prescht das Bundesland vor. In Berlin werden heute dort Tausende zur dazugehörigen Demonstration zum heutigen Weltfrauentag erwartet. CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer kündigt an, die Förderung von Frauen in der Politik zu einem ihrer persönlichen Schwerpunkte zu machen.
Am Telefon ist jetzt Barbara Stamm (CSU), langjährige Sozialpolitikerin in München und bis zum vergangenen Jahr auch Präsidentin des bayerischen Landtages. Schönen guten Tag!
Barbara Stamm: Ja, hallo!
Schulz: Julia Klöckner, die CDU-Vize, wünscht sich eine Frau als Bundespräsidentin. Sie sagte "Focus Online", es werde Zeit für ein Stück Normalität auch im höchsten Amt. Was wünschen Sie diesem Land zum Internationalen Frauentag?
Stamm: Ja! Zunächst möchte ich natürlich mal sagen, man soll auch das, was man erreicht hat, nicht immer unter den Teppich kehren. Wir haben gemeinsam viel miteinander erreicht. Aber ich sage dann immer: Da ist natürlich noch Luft nach oben. Von daher gesehen wünsche ich es mir schon als noch selbstverständlicher, dass Frauen wirklich in allen Bereichen sichtbar sind. Sie können es und sie sind dazu bestens geeignet, bestens ausgebildet, und von daher gesehen sollte das wirklich unser gemeinsames Anliegen sein, dass Frauen hier überall – ob das jetzt im beruflichen Bereich ist, oder ob das im politischen Bereich ist – insgesamt deutlich sichtbarer sind aufgrund ihrer Fähigkeiten, die sie haben.
Frauenquote - "bin heute mehr denn je dafür"
Schulz: Wer sagt es den Männern in Ihrer Partei, die ja immer noch deutlich in der Mehrheit sind?
Stamm: Ja gut, bei uns in der Partei – Sie sprechen jetzt ja gerade mit einer Politikerin, die immer ganz streng gegen eine Frauenquote gewesen ist, und ich bin heute mehr denn je dafür, weil es mir einfach zu langsam gegangen ist, auch in meiner Partei nicht nur zu langsam, sondern wir haben letztlich auch Verschlechterungen, vor allen Dingen auch im kommunalen Bereich, und das kann eine Partei nicht wollen. Deshalb muss sie offensiv daran arbeiten, das zu verändern, und deswegen sollte man nicht immer gegen etwas sein, sondern man sollte jetzt wirklich – da habe ich unlängst auch meine Partei nicht nur aufgefordert, sondern ich habe sie dringend darum gebeten, jetzt mal wirklich juristisch zu überprüfen, was möglich ist, dass vor allen Dingen auch im politischen Bereich mehr Frauen hier in die Verantwortung kommen.
Schulz: Das heißt, das Paritätsgesetz, das ja politisch im Moment zur Diskussion steht, das das Land Brandenburg seit einiger Zeit hat, das würde Ihnen auch für den Bund vorschweben?
Stamm: Ich bin zumindest der Meinung – und das war auch meine Bitte an meine Partei -, hier jetzt wirklich mal rechtlich heranzugehen, ob das machbar ist, dass wir hier vom Bundesverfassungsgericht eine Absage bekommen, dass das so nicht geht. Das ist jetzt einfach wichtig, was geht und was geht nicht. Wir in der CSU, wir haben jetzt festgestellt, vor allen Dingen auch bei den letzten Landtagswahlen – ich bin ja selbst davon betroffen -, dass wir ein Wahlrecht haben, das die Situation von Frauen verschlechtert, vor allen Dingen dann, wenn wir keine Stimmkreise haben.
Schulz: Jetzt erklären Sie uns Ihre Zögerlichkeit in diesem Punkt, wenn Sie sagen, das muss jetzt rechtlich erst mal geklärt werden. Die CSU hat ja an nicht wenigen Gesetze mitgeschrieben, die juristisch höchst umstritten waren – Vorratsdatenspeicherung, jetzt das Polizeigesetz in Bayern. Das wird in Karlsruhe überprüft. Warum jetzt ausgerechnet beim Thema Gleichstellung erst mal abwarten, was die Juristen sagen?
Stamm: Das ist bei mir kein Abwarten, sondern ich bin einfach eine Politikerin, die jetzt nicht aus der Situation heraus dann Forderungen stellt. Ich glaube, die Menschen wollen das irgendwo auch nicht mehr. Ich bin schon der Meinung, dass Politik Forderungen stellen kann und auch muss, die dann letztlich auch realisierbar sind.
Schulz: Nimmt Ihre Partei, Frau Stamm, nimmt die CSU das Thema ernst genug?
Stamm: Wenn man sich unseren Ministerpräsidenten anschaut, wenn man sich unseren Parteivorsitzenden anschaut – Seehofer hat ja da auch sehr intensiv dran gearbeitet, Markus Söder tut es noch bewusster. Es wird auf der Ebene hier ganz oben, wenn ich das mal so sagen darf, ernst genommen. Aber wenn ich dann in die Basis schaue und wenn ich dann sehe, was sich dort abspielt – ich muss auch immer sagen: Wir Frauen können da auch noch ein Stück mehr dazutun, weil wir auch nicht die Mitglieder an Frauen haben, die wir benötigen.
Seehofers Männerfoto "hat mich erschüttert"
Schulz: Der Punkt kommt natürlich oft, dass die Frauen auch ihren Beitrag dazu leisten müssen. – Jetzt würde ich aber doch noch mal bei Ihrem zumindest langjährigen Ministerpräsidenten und auch dem langjährigen CSU-Chef bleiben, bei Horst Seehofer. Das Foto seines Innenministeriums im Frühjahr, das fällt jetzt sicherlich vielen Hörerinnen und Hörern ein, wenn sie von Ihnen hören, das sei immer ein großes Thema von Horst Seehofer gewesen: ein Ministeriumsfoto mit Staatssekretären, mit den Chefs aus diesem Haus. Da waren nur Männer drauf. – Jetzt sagen Sie uns noch mal, inwiefern das Thema ernst genommen wird?
Stamm: Da muss ich sagen, das hat mich natürlich erschüttert. Ich hätte mir da anderes erwartet. Das sage ich Ihnen ganz offen. Ich gehöre auch zu denjenigen, die das immer auch mahnend nicht nur innerhalb der Partei, sondern auch nach außen hin deutlich gemacht haben, dass wir hier zu wenig auch im Erscheinungsbild gemacht haben, um deutlich zu machen, wir haben Frauen. Wir haben sie nämlich! Es ist ja nicht so, dass wir sie nicht haben. Sondern wir arbeiten auch intensiv daran, dass wir hier eine deutliche Verbesserung bekommen.
Schulz: Jetzt sagen Sie uns noch mal, erklären Sie uns noch mal: Welche konkrete Forderung stellen Sie heute, am 8. März 2019 auf, damit sich für alle, denen der Geduldsfaden jetzt vielleicht langsam ein bisschen dünn wird, konkret etwas abzeichnet?
Stamm: Ich erwarte, dass es selbstverständlich ist, in allen Bereichen, nicht nur bei uns in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft, dass wir den Frauen die Aufgaben, die sie gerne in Verantwortung wahrnehmen möchten, erleichtern. Da gehört natürlich auch das Ganze dazu, wie machen wir es mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Kinderbetreuung und all diese Dinge. Das sind ja auch die Themen, die wir nebenher noch sehen müssen. Und ich erwarte, dass wir hier alle gemeinsam daran arbeiten.
Schulz: Frau Stamm, wie wollen Sie daran arbeiten? Was muss passieren? Welche politischen Stellschrauben?
Stamm: Entschuldigen Sie! Ich bin eine Politikerin, die deutlich und sichtbar macht, dass ich das will, dass ich auch sehr viel dafür tue, dass sich auch einiges gebessert hat, auch in Spitzenpositionen. Ich erwarte aber auch die Einigkeit der Frauen, dass wir das hier gemeinsam tun, das miteinander auch gut absprechen, wie wir das tun. Und wenn Sie jetzt die Parität ansprechen und auch das Gesetz – ich bin der Meinung, dass wir uns selbst daran machen müssen. Wir müssen ja auch Wahlrecht verändern. Wir haben in Bayern ein Wahlrecht, das im Grunde genommen die Situation von Frauen nicht unbedingt verbessert. Da müssen wir auch selber heran, dass wir da auch mehr Chancen Frauen geben können.
Schulz: Die langjährige Landtagsabgeordnete in München, Barbara Stamm, die CSU-Politikerin heute hier bei uns im Deutschlandfunk. Danke Ihnen ganz herzlich!
Stamm: Bitte schön.
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