Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte angekündigt, im Freistaat gesonderte Aufnahmeeinrichtungen für die Balkan-Flüchtlinge zu schaffen - und damit einen Sturm der Entrüstung bei SPD und Opposition ausgelöst. Die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi nannte das Vorgehen Seehofers "ein ziemlich erbärmliches Spiel". Es gehe nicht um praktische Lösungen, sondern Seehofer wolle offensichtlich das Signal setzen, dass in Bayern Flüchtlinge nicht willkommen seien, sagte sie dem Sender "n-tv".
Özuguz offen für Vorschlag der CSU
Der Bund befürwortet dagegen das umstrittene Vorhaben. Die gesonderten Aufnahmeeinrichtungen seien "abgestimmt" und Gegenstand des Beschlusses des Flüchtlingsgipfels vom 18. Juni, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums der Nachrichtenagentur AFP. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, zeigte sich offen für den Vorschlag. "Das ist durchaus eine Idee", sagte die SPD-Politikerin im RBB-Inforadio. Sie sprach sich dafür aus, "ehrlich" mit Asylbewerbern umzugehen, die Deutschland erreichen, auch was ihre möglichen Bleibechancen angehe.
Auch der Städte- und Gemeindebund sprach sich für die gesonderten Einrichtungen aus. Dieser Schritt könne die Städte und Gemeinden entlasten, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, im WDR 5.
Pro Asyl: "Nährboden für Hetze und Angriffe"
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisiert das Vorgehen der CSU scharf. "Die Rhetorik von Horst Seehofer und seiner Partei unterscheidet sich kaum noch vom rechtspopulistischen Furor", teilt Pro Asyl auf seiner Internetseite mit. "Auch aus den Westbalkanstaaten kommen Menschen, die gute Gründe haben, ihr Herkunftsland zu verlassen - ihre Fluchtgründe werden jedoch nicht anerkannt."
In anderen europäischen Ländern lägen die Schutzquoten für Asylsuchende aus dem Kosovo bei um die 40 Prozent (Schweiz, Finnland) und bei Antragstellern aus Serbien bei 37 Prozent (Schweiz), im Fall von bosnischen Antragstellern bei circa 20 Prozent (Frankreich und Belgien) und bezüglich albanischer Asylsuchender bei 18 Prozent (Großbritannien), so Pro Asyl. Besonders Sinti und Roma würden im westlichen Balkan unter Diskriminierung und Verfolgung leiden: "Wenn etwa Roma keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, zu Bildung, zu medizinischer Versorgung haben, ihre Siedlungen zwangsgeräumt werden und dies alles im Zusammenwirken massive Folgen hat, dann kann dies kumulative Verfolgung im Sinne des Asylrechts darstellen."
Trotzdem würden die Asylanträge dieser Menschen zu 99 Prozent abgelehnt. "Diese Ablehnungspolitik den Opfern von Diskriminierung und sozialem Elend vorzuwerfen, ist zynisch. So wird mit der rassistischen Stigmatisierung ganzer Flüchtlingsgruppen der Nährboden für Hetze und Angriffe geschaffen." Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann verteidigte jedoch die gesonderte Unterbringung in Bayern. "Das beste Mittel gegen Rechtsextremismus ist, dass der Staat konsequent handelt", sagte er am Donnerstag im "Morgenmagazin" des ZDF. Dazu gehöre es auch, einen Missbrauch des Asylrechts zu bekämpfen.
Bosnien, Mazedonien und Serbien - sicher per Gesetz
Die drei Westbalkan-Staaten Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien waren 2014 auf Bestreben der Unionsfraktion per Gesetz zu sicheren Herkunftsländern erklärt worden. Das soll die Voraussetzungen für eine Beschleunigung des Asylverfahrens schaffen, die Einzelfallprüfung muss aber beibehalten werden. Denn schließlich werden zwar die meisten Asylbewerber aus diesen Ländern abgewiesen, aber eben nicht alle. Ein geringer Prozentsatz von weniger als einem Prozent wird anerkannt.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) möchte gerne weitere Balkan-Staaten als sichere Herkunftsländer einstufen. Im Gespräch sind dafür Kosovo, Albanien oder Montenegro. Dafür braucht er aber eine Mehrheit im Bundesrat, für die auch die Unterstützung der Grünen benötigt wird. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der sich wegen seiner Zustimmung zur Gesetzesänderung bezüglich der drei anderen Staaten viel Kritik aus der eigenen Partei anhören musste, signalisierte Bereitschaft zur Ausweitung des Kreises der sicheren Herkunftsländer.
Bischof warnt vor "rhethorischer Dramatisierung"
Der Hildesheimer katholische Bischof Norbert Trelle warnte vor einer "rhetorischen Dramatisierung", da diese leicht zu einer Verschärfung der gesellschaftlichen Lage beitragen könne. Zugleich erinnerte der Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz in einem Interview mit der "Katholischen Nachrichten-Agentur" (KNA) daran, dass Asyl "ein individuelles Menschenrecht" sei, auch wenn die Situation auf dem Balkan nicht vergleichbar mit der Lage in Syrien oder im Irak sei. "Die immer weitergehende Ausweitung der Liste 'sicherer Herkunftsländer' ist deshalb nicht unproblematisch", sagte Trelle.
(nch/nin)