Eine eigenartige, undefinierbare Spannung liegt über der Eingangsszenerie. Sieben Tänzer schmiegen sich in einen riesigen Vorhang aus leichtem Stoff. Sie starren uns an oder ins Leere. Ein Song in einer unverständlichen Sprache wird gesungen, nur teilweise sind die Sätze verständlich: 'You are my favourite asshole', zum Beispiel. Die Spannung steigt, die Körperhaltungen werden unnatürlicher: die Tänzer schwingen mit fast geradem Körper bis zum Boden und werden wie von unsichtbaren Kräften wieder zurückgesogen. Irgendetwas stimmt hier nicht. Der Vorhang führt ein Eigenleben.
Auch im weiteren Verlauf des Stückes dreht sich alles um dieses riesige Objekt. Der Stoff wird nun – abgenommen von der Decke – immer wieder im Raum neu angeordnet. Hin und her gezogen, geschnürt, befestigt, wieder gelockert, verdreht oder über die Weite des Bühnenraums auseinandergezogen. Wären sie nicht so sportlich, kraftvoll, kompakt und höchst beweglich, könnten die Tänzer auch unter großem Druck stehende Bühnenarbeiter sein, so engagiert gehen sie mit der immerwährenden Umstrukturierung des Materials zur Sache. Dazu dröhnt ohropax-durchdringender Bass in verschiedenen Tonlagen, kontrastiert von leise klingenden Glocken. Lichtblitze glimmen, flammen und zucken – so fein, als hätte man eine Störung im Auge.
Der 'Plateau Effekt' bezeichnet einen Punkt der Stagnation nach lang ansteigender Entwicklung. Auf der Hochebene angekommen, geht es auf einmal nur noch geradeaus. So verfährt Choreograph Jefta van Dinther in seiner gleichnamigen Tanzproduktion mit der Spannung: er lässt sie dank zunehmender Bewegungs-, Licht- und Soundintensität steigen und steigen und irgendwann wird sie auf einem hohen Niveau konstant gehalten. Da können die Tänzer noch so kraftvoll Aktion erzeugen, weiter nach oben geht der Spannungsbogen nicht mehr. Doch nicht immer ist dieses Verfahren der Dramaturgie auch zuträglich, denn es generiert auch Wiederholungen und mitunter Leerlauf.
Bühnenkünste wollen nicht verschmelzen
Ohnehin ist nicht so recht ersichtlich, wohin Jefta van Dinther mit 'Plateau Effect' will: geht es um gruppendynamische Prozesse? Um unterschiedliche Spannungseffekte oder formale Experimente mit verschiedenen Bühnenmitteln? Oder will er doch den Stoff als autonomes Material in den Vordergrund stellen? Irgendwie sollen alle Ansätze untergebracht werden – eine gewisse Unentschiedenheit bleibt als Eindruck.
Und auch der angekündigte 'synästhetische Effekt' beschränkt sich auf ganz wenige Momente. Dabei ist Jefta van Dinther die Synästhesie, dieses anspruchsvollste aller Bühnenkunststücke, schon einmal gelungen: In seinem Solo 'Grind', das eigentlich ein Trio war, weil er es zusammen mit der Lichtdesignerin Minna Tiikkainen und dem Musiker David Giers erarbeitet hat. In 'Grind' versetzte eine treibende Musik den Körper des Tänzerchoreographen in wellenförmigen Bewegung, die sich wiederum in den Wallungen des Lichts fortsetzte. Das Licht selbst vermochte den Raum und den Köper zu bewegen, was sich wiederum in der Musik akustisch spiegelte und so fort. Körperliche Bewegung, Licht und Musik beeinflussten sich nicht nur gegenseitig, sondern verbanden sich tatsächlich zu einem Eindruck.
Hier, in der Produktion ’Plateau Effect’, in der Dinther wieder mit Tiikkainen und Giers als gleichberechtigten künstlerischen Partnern arbeitet, bleiben die Sphären getrennt voneinander: Zwar zieht die überlaute, basslastige Musik alleine schon in einen klubnacht-ähnlichen Taumel, zeigt Minna Tiikkainen als Königin des Lichts wieder ihre ganze Feinheit und die famosen Cullberg-Ballett-Tänzer agieren mit unerbittlicher Hingabe – doch verschmelzen wollen die Bühnenkünste hier nicht. Dennoch bleiben Momente von optischer, akustischer und energetischer Überwältigung im Kopf; 'Plateau Effect' schürt – trotz dramaturgischer Schwächen – Neugierde auf weitere Arbeiten von Jefta van Dinther und seinen großartigen Kollegen.