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Cyberattacken
Eine neue Dimension

Der Angriff auf den französischen Fernsehsender TV5 Monde hat Behörden in Deutschland aufgescheucht. Das zuständige Bundesamt fürchtet Nachahmertaten, der Verfassungsschutz spricht von einer neuen Dimension von Angriffen. Die Bundesregierung sieht dagegen Unternehmen und Bürger in der Pflicht.

Von Johannes Kulms |
    Schattenriss einer Fernsehkamera und ihres Kameramanns vor einer weißen Wand mit dem Logo von TV5 Monde.
    Wegen eines Hackerangriffs hat TV5 Monde zeitweise nicht senden können. (picture alliance / dpa / Dominic Favre)
    Bisher habe man Glück gehabt, dass Cyberattacken in Deutschland keinen großen Schaden angerichtet hätten. Das sagte der Vizepräsident des Bundesamtes für Sicherheit der Informationstechnik, Andreas Könen, im ARD-Fernsehen. Könen sieht die Netze des Bundes beim Thema Cyber-Sicherheit gut aufgestellt. Nachholbedarf hätten dagegen die Unternehmen:
    "Wir kooperieren mit den kritischen Infrastrukturen, also genau mit den Energieversorgern, Wasserversorgern und anderen seit 2005. Wir haben ein sehr vertrauensvolles Verhältnis aufgebaut. Aber dennoch: Gerade da hören wir, was alles noch offen ist, was an neuen Erfahrungen etwa die Firmen bewegt. Und was noch in den Netzen und IT- und Computersystemen zu tun bleibt."
    Könen befürchtet nach der Cyber-Attacke auf den französischen Fernsehsender TV5 Monde Nachahmertaten.
    Der Verfassungsschutz sieht mit dem Angriff eine neue Dimension erreicht. Auch wenn noch nicht genau bekannt sei, wer hinter der Attacke stehe, lasse sich darin eine neue Qualität der virtuellen Kriegsführung erkennen, sagte Verfassungsschutz-Präsident Hans- Georg Maaßen. Maaßen sprach von einer offensiven Machtdemonstration gegen ein demokratisches Medium.
    Bundesregierung wiegelt ab
    Das Bundesinnenministerium sieht nach den Ereignissen in Frankreich keine gestiegene Gefahr. Die Situation sei ohnehin angespannt, sagte BMI-Sprecher Tobias Plate:
    "In der Tat ist es jedenfalls so, dass die Angriffe technisch immer anspruchsvoller und komplexer werden und demnach auch der Bedarf, sich gegen solche Angriffe zu schützen, kontinuierlich steigt."
    Eine Antwort darauf sei die Cyber-Sicherheitsstrategie der Bundesregierung aus dem Jahr 2011, so Plate. Aber auch vom IT-Gesetz, das das Parlament noch nicht verabschiedet hat, verspricht sich das Innenministerium baldigen Schutz- wobei dieser von staatlicher Seite auch Grenzen habe:
    "Jeder muss ein Stück weit seine digitale Sorglosigkeit, wenn die noch vorhanden ist, ein bisschen zu den Akten legen und sich daran gewöhnen, dass hier viel zu tun ist. Der Staat kann weder allein schon aus rechtlichen Gründen ein bestimmtes Level an Selbstschutz allen flächendeckend vorschreiben. Noch kann er Experten hinschicken, die sozusagen zwangsweise die IT-Sicherheit aufrüsten. Das wäre auch ein bisschen absurd."
    Opposition wirft Regierung Verhamlosung vor
    Die Opposition sieht dagegen Versäumnisse. Die Bundesregierung habe die Bedrohung viel zu lange nicht ernst genommen und reine Symbolpolitik betrieben, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung.
    Der Berliner IT-Sicherheitsforscher Sandro Gaycken hält es für möglich, dass sich ein ähnlicher Angriff wie auf TV5 Monde auch in Deutschland ereignen könnten:
    "Natürlich ist es interessant, im Moment sowohl für Terroristen als auch für andere Parteien, die an Propaganda Interesse haben, Medien zu kapern und da irgendwie Sachen zu installieren, vielleicht auch mal massiv zu stören, irgendwelche Nachrichten darüber zu verbreiten. Und da denke ich dann, dass unsere deutschen Medien auch nicht ausreichend gut aufgestellt sind", sagte Gaycken im Deutschlandfunk. Nachholbedarf sieht der Wissenschaftler sowohl bei der Entwicklung von Produkten aber auch bei der Expertise gegen Cyberattacken.