Maximilian Atta: 16 Jahre, groß, schlank, schwarzes Haar, hört gerne elektronische Musik. So steht's bei Facebook. Und wenn es um soziale Medien geht, ist er ein Profi. Denn Max hat sich ausbilden lassen: zum "Digitalen Helden". Vor zwei Jahren hat er sich dafür freiwillig gemeldet und von Medienpädagogen gelernt, wie man zum Beispiel seine Profilseite bei Facebook so einrichtet, dass nicht alle Infos und Bilder für jeden sichtbar sind. Denn genau das sei der Fehler der meisten, die zu Mobbing-Opfern werden. Das zeigt auch eine Straßenumfrage in der Frankfurter Innenstadt.
"Es war zu dem Zeitpunkt, als ich mich geoutet habe. Dann hab ich halt irgendwann mal was gepostet, ein Bild, auf dem stand: "schwul sein ist ok". Und dann haben viele negativ drauf reagiert und haben mich sogar anonym gehatet von wegen: Ja, kannst dich umbringen."
Dass sich die 18-jährige Schülerin, die anonym bleiben möchte, schon mit 16 als lesbisch geoutet hat, findet sie heute selbst außergewöhnlich. Rückblickend, meint sie, habe es daran gelegen, dass sie Teil einer sehr großen Facebook-Community war und sich sicher fühlte unter ihren "Freunden". Über 1.400 standen auf ihrer Freundesliste.
"Ich war damals Justin-Bieber-Fan und dann denkt man sich: Ach komm, noch ein Fan, fügst du halt hinzu. Da hatte ich halt ziemlich viele, die ich überhaupt nicht kannte."
"Einfach nicht darauf reagieren"
Tagelang war sie ratlos, hat niemandem davon erzählt, ist nachts immer wieder an ihren PC und hat geschaut, ob weitere gehässige Kommentare dazu gekommen sind.
"Ich weiß noch, ich hab angefangen zu zittern. Ich wurde nervös, weil ich nicht wusste, was soll ich jetzt schreiben oder soll ich es einfach ignorieren? Da fühlt man sich echt hilflos: Gott, was machst Du da jetzt?"
Schließlich hat sie auf keinen der abfälligen Kommentare reagiert und die jeweiligen Personen geblockt. Völlig richtig, sagt Max:
"Das ist die perfekte Reaktion: Einfach nicht darauf reagieren, denn dann verlieren die Personen, die einen haten, die einen mobben, einfach das Interesse daran."
Typisch für Mobbing-Täter sei außerdem: Sie werden oft selbst missachtet und lassen ihren Frust im Netz an anderen aus. Eine fremde Person zu blamieren, bedeutet für sie, sich selbst besser zu fühlen, erklärt Max. Als Digitaler Held hat er viel mit Tätern gesprochen. Sie hätten oft niemanden, der ihnen erklärt, wie verletzend ihr Verhalten ist - doch gerade das sei wichtig im Kampf gegen Cybermobbing:
"Dass der Täter dann auch von sich aus in gewisser Weise dem Opfer helfen kann, indem er sich entschuldigt, es zu einem Dialog zwischen den zwei Personen kommt. Und sich dann der Schüler, das Opfer, sehr viel besser fühlt in der ganzen Schulgemeinschaft, weil er weiß, derjenige, der das alles erst losgetreten hat, der ist zu mir gekommen und hat gesagt: Entschuldigung, das war so nicht gemeint."
"Nimmst du mich wahr? Bin ich schön?"
Ein Teil ihrer Ausbildung ist Datenschutz. Acht Monate lang lernen sie in Workshops und mithilfe einer Online-Lernplattform zum Beispiel, wie man sichere Passwörter erstellt oder Konflikte löst, erklärt Gregory Grund, Medienpädagoge und Mitbegründer der Initiative. Die Art, wie Teenies heute nach Aufmerksamkeit streben, habe sich durch die sozialen Medien verändert. Sie wollen nicht mehr nur wie Popstars sein, sie fotografieren sich auch in ähnlichen Posen: mit zu viel Haut, zu viel Schminke oder zu vielen Mädchen im Arm. Solche Bilder seien prädestiniert für Mobbing-Attacken:
"Wir gehen dann Fälle durch, wenn zum Beispiel jemand selbst in eine öffentliche Gruppe ein Bild gestellt hat, was wirklich selbst entblößend sein kann. Da sollen auch die Digitalen Helden im Rahmen ihrer Möglichkeiten mal fragen: Sag mal, warum hast Du es denn in eine Gruppe gestellt mit 8-000 Leuten? Was wolltest Du denn damit erreichen? Die stellen ja Fragen durch Postings von so einem Bild wie: Hallo Welt, siehst du mich? Nimmst du mich wahr? Bin ich schön? Bist du mein Freund? Das fragen sie heute nicht mehr nur im Kleinen ihre zehn Freunde, das fragen sie eben auf Facebook 10.000 Leute."
Insgesamt 36 hessische Schulen bilden inzwischen ihre Schüler zu "Digitalen Helden" aus.