80 Jahre D-Day
Unterschiedliches Gedenken in Europa

Die Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 war einer der Wendepunkte im Zweiten Weltkrieg und die größte Militäroperation der Weltgeschichte. Europa erinnert unterschiedlich an den Tag – trotz seiner gesamteuropäischen Bedeutung.

    Ein Denkmal zeigt bewaffnete amerikanische Soldaten und ein Landungsboot am Strand in der Normandie.
    Gedenken an Alliierte: Ein Denkmal mit US-Soldaten und Higgins-Boot erinnert am Utah Beach an die Landung im Jahr 1944 in der Normandie. (picture alliance / Global Warming Images / Ashley Cooper)
    Für die Bezeichnung „D-Day“ gibt es mehrere Bedeutungen: "Decision Day" für Entscheidungstag oder „Delivery Day“, also Liefertag, aber auch „Doomsday“, was jüngster Tag heißt. Manchmal "Debarkation Day", Tag der Ausschiffung. Meist aber nur D-Day als der Zeitpunkt einer größeren militärischen Operation.
    Am Morgen des 6. Juni 1944 landen US-amerikanische, britische und kanadische Soldaten an mehreren Stränden der Normandie. Der Angriff markiert einen entscheidenden Wendepunkt im Kampf gegen Hitler-Deutschland. Gemeinsam mit der sowjetischen Roten Armee nehmen die westlichen Alliierten die deutschen Truppen von nun an in die Zange.

    Inhalt

    Schwarz-weiß Foto: US-Truppen gehen von einem Landungsboot der US-Küstenwache an Land.
    Alliierte Landung in der Normandie 1944. Innerhalb eines Monats sollen mehr als eine Million Menschen in die Normandie gebracht worden sein. Die Zahlen dazu variieren.  (picture alliance / akg-images)

    Was geschah am D-Day?

    Mit der Operation „Overlord“ begann vor 80 Jahren die Invasion der Alliierten gegen Nazideutschland. Der D-Day markiert jenen Tag, an dem die westeuropäische Front eröffnet wurde. Die Alliierten hatten die Landung monatelang vorbereitet. Strandabschnitte wurden mit Codenamen versehen: Sword, Juno, Gold, Omaha, Utah.
    Grafik-Karte zeigt Landung und Vormarsch der Alliierten in der Normandie im Juni 1944.
    Die Operation "Overlord" war die größte militärische Operation in der gesamten Weltgeschichte. (dpa / dpa-infografik GmbH)
    In der Nacht vom 5. auf den 6. Juni 1944 setzten mehr als 3000 Landungsboote über den Ärmelkanal. Unterstützt wurden sie von 1200 Kriegsschiffen und Tausenden Schiffen und Booten sowie mehr als 11.000 Flugzeugen.
    170.000 US-Amerikaner, Briten und Kanadier landeten an einem Tag in der Normandie. Mehr als 20.000 Soldaten sprangen mit Fallschirmen hinter der Front ab.
    Ziel des gemeinsamen Angriffs war der sogenannte Atlantikwall der deutschen Wehrmacht. Die 2685 Kilometer lange Verteidigungslinie bestand aus Bunkeranlagen, Geschützstellungen, Hindernissen, Sprenggranaten und Minen.
    Die Bauten waren von fast 300.000 Zwangsarbeitern aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Dänemark, Norwegen, den britischen Kanalinseln und dem Deutschen Reich errichtet worden. In weniger als 24 Stunden überrannten die Alliierten die deutschen Truppen.
    Bunker am Strand
    Bunker am Strand, Relikte des Atlantikwalls aus dem 2. Weltkrieg in Dänemark. Nach dem D-Day ist der Atlantikwall überwunden. (picture alliance / imageBROKER / Moritz Wolf)
    Hollywood-Starregisseur John Ford filmte damals die Invasion. Jetzt sind seine Aufnahmen erstmals ausschließlich in Farbe zu sehen.

    Wie hoch waren die Verluste?

    Auf britischer Seite direkt am Kanal gegenüber von Calais haben die Alliierten 1944 eine Geisterarmee aufgebaut. Pappflugzeuge standen auf den Rollfeldern, an der schmalsten Stelle zwischen England und Frankreich. Bis heute hält sich die Vorstellung, die Wehrmacht fiel auf diesen Trick herein - was nicht stimmt. Die besseren deutschen Panzertruppen standen 1944 in der Normandie.
    Die Verluste waren auf beiden Seiten enorm hoch: Allein am D-Day kamen 4400 bis 6000 alliierte Soldaten ums Leben, auf deutscher Seite 4000 bis 9000 Mann. Viele der Toten waren beinahe noch Kinder. Insgesamt fielen bei der Operation „Overlord“ auf beiden Seiten mehr als 100.000 Soldaten.
    Darüber hinaus wurden mehr als 300.000 Verwundete und Vermisste sowie Zehntausende Opfer aus der französischen Zivilbevölkerung beklagt. Die, die die Invasion überlebten und als Veteranen in ihre Heimat zurückkehrten, schwiegen oft ein Leben lang über das Kriegsgeschehen.

    Was waren die Folgen des D-Days?

    Der D-Day eröffnete neben der Ostfront und nach der Landung in Sizilien im Sommer 1943 eine weitere Front. In den folgenden Wochen und Monaten rückten die Alliierten schnell Richtung Rhein vor. Das Ende des Nazireichs hatte begonnen.
    Alliierte wie Deutsche glaubten damals, vom D-Day hinge die Entscheidung des Zweiten Weltkrieges ab. Die moderne Forschung ist sich hingegen einig, dass der Krieg für das Deutsche Reich längst verloren war.
    Der D-Day und die anschließende Normandie-Schlacht waren wichtige Schritte für die Niederlage des „Dritten Reichs“, müssen aber im Kontext gesehen werden, schreibt der Militärhistoriker Peter Lieb.

    Wie wird an diesen Tag erinnert?

    Bis heute erinnern die ehemaligen Kriegsparteien an den D-Day. Doch sie tun es auf unterschiedliche Weise. Briten, Franzosen und US-Amerikaner setzen auf emotionales Heldentum. Das schreiben Celia Burgdorff vom Deutschen Historischen Institut Paris und Anja Czymmeck, Leiterin des Auslandsbüros Frankreich der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, in ihrem Bericht "80 Jahre D-Day - Rück- und Ausblick auf französische, europäische und deutsch-französische Erinnerungskultur".
    Die französische Erinnerungspolitik sei eng mit dem Militär verbunden. Gedenkfeiern finden meist in Uniform statt. Oft würden die Heldentaten der Soldaten in den Mittelpunkt gerückt. Dies liege auch an der symbolischen Rolle des Präsidenten, der zugleich Chef der Streitkräfte ist.
    In der Region der Normandie waren die ersten Touristen laut Burgdorff und Czymmeck in den 1950er-Jahren vor allem Angehörige der Verstorbenen. In den folgenden Jahrzehnten habe sich ein regelrechter „Erinnerungstourismus“ entwickelt. Befördert durch zahlreiche an den Landungsstränden gegründete Museen.
    Bei sogenannten Battlefield-Tours, Schlachtfeldtouren an der ehemaligen "Hauptkampflinie", sollen die Besucher die Invasion in der Normandie selbst durchleben. Jedes Jahr wird zudem mit Fallschirmsprüngen und Volksfesten der Landung gedacht. In sogenannten Reenactments werden die Kriegsszenen von Darstellern in historischen Uniformen nachgestellt.

    Neues Denkmal wird eingeweiht

    Die Feiern anlässlich der runden Jubiläen haben in der Normandie inzwischen den Status hochrangiger politischer und diplomatischer Treffen. Dieses Jahr findet das D-Day-Festival vom 1. bis 16. Juni am US-Landungsstrand Omaha Beach statt.
    2019 weihten US-Amerikaner und Franzosen am Omaha Beach in der Normandie ein neues Denkmal für die eingesetzten Elitetruppen der US-Marine ein. Dafür waren etliche Angehörige aus den USA angereist, Kinder und Enkelkinder der inzwischen wenigen noch lebenden Veteranen.
    Zwei Jahre nach der Invasion Russlands in die Ukraine spielt der Krieg in Osteuropa beim 80-jährigen Jubiläum des D-Days auch eine Rolle. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron heißt Russland zwar willkommen, Russlands Präsident Wladimir Putin aber bewusst nicht.
    Mehrere Dudelsackspieler am Strand von Utah Beach bei der Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des D-Day. An die Spitzen der Hornpfeifen sind amerikanische  Flaggen angebracht.
    Dudelsackspieler bei der Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des D-Day in Utah Beach nahe Saint-Martin-de-Vareville in der Normandie. Utah Beach war der Codename für einen der Strandabschnitte, an dem die Alliierten vor 80 Jahren ihre "Operation Overlord" begannen. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Jeremias Gonzalez)
    Der erste deutsche Regierungschef, der an der Gedenkfeier teilnehmen durfte, war 2004 Gerhard Schröder. 2024 wird Bundeskanzler Olaf Scholz zu Gast sein.

    Wie erinnert Deutschland an den D-Day?

    In Deutschland und auch in Österreich wird der D-Day nicht gefeiert. Die Erinnerung ist von dem Gedanken geprägt, dass von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgehen solle, konstatieren Celia Burgdorff vom Deutschen Historischen Institut Paris und Anja Czymmeck, Leiterin des Frankreich-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung.
    So wird in Deutschland auch die Nachstellung von Militärszenen mit Uniformen abgelehnt. Laut der Historikerin Jessica Gienow-Hecht von der Freien Universität Berlin wird diese Darstellung oft als eigener militärischer Akt wahrgenommen und damit als Bedrohung und als Wiederholung der Fehler der Vergangenheit. In Deutschland stünden Trauer und Trauma im Mittelpunkt. Diese würden allerdings nicht offen verhandelt, sagt Gienow-Hecht.
    In Deutschland ist der 8. Mai als "Tag der Befreiung" in mehreren Bundesländern ein Gedenktag. Abseits offizieller Akte finden beispielsweise an den sowjetischen Kriegsdenkmälern in Berlin am 8. und 9. Mai Gedenkveranstaltungen statt. In vielen Ländern der ehemaligen Sowjetunion wird der 9. Mai als „Tag des Sieges“ über Nazideutschland gefeiert. 

    mfied

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