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"Da bin ich durchaus skeptisch"

Der grüne Gesundheitspolitiker Harald Terpe hält nichts von einem Bundesgesetz für Krankenhaushygiene. Gleichwohl müsse das "Hygieneregime" in den Kliniken verbessert werden. Statt neue Vorschriften zu erlassen, solle man besser auf den Vollzug von vorhandenen Verordnungen achten.

Harald Terpe im Gespräch mit Gerd Breker |
    Gerd Breker: Nach dem Tod dreier, mit einer verseuchten Fusion behandelten Babys an der Uniklinik in Mainz plant die Regierungskoalition bundesweite Hygienevorschriften. Es gäbe im Bereich der Krankenhaushygiene ein großes Problem, auf das der Gesetzgeber dringend reagieren müsse. – Am Telefon bin ich nun verbunden mit Harald Terpe von Bündnis 90/Die Grünen. Er ist Obmann seiner Partei im Bundestagsgesundheitsausschuss. Guten Tag, Herr Terpe.

    Harald Terpe: Guten Tag, Herr Breker.

    Breker: Herr Terpe, nach dem Supergau in Mainz, brauchen wir ein Bundesgesetz zur einheitlichen Regelung der Hygiene in den Krankenhäusern?

    Terpe: Ich denke, wir brauchen eine gesetzgeberische Initiative zur Durchführung oder zur Hygieneverordnung in den Ländern. Aber ob das ein Bundesgesetz sein soll, da bin ich durchaus skeptisch, ob es ein Bundesgesetz sein muss. Es muss durchgesetzt werden, dass alle Länder eine Hygienegesetzgebung, eine Hygieneverordnung haben.

    Breker: Es ist ja schon seltsam, Herr Terpe: Man geht ins Krankenhaus, um geheilt zu werden, und wird dann infiziert. Bis zu 600.000 Menschen würden sich in deutschen Kliniken jährlich mit Krankheitserregern infizieren, bis zu 40.000 Menschen würden jedes Jahr an diesen Infektionen sterben. Das ist doch eigentlich absurd.

    Terpe: Ja, das ist eine sehr hohe Zahl. Das ist natürlich ein Thema, das ein bisschen natürlich von dem Unglücksfall, von dem wirklich schicksalhaften Unglücksfall in Mainz abführt, weil da sind ja die ganzen Krankheitserreger der opportunistischen Infektion dabei. Wir haben eine Diskussion ja über dieses MRSA vor allen Dingen gehabt und da muss maßgeblich auch das Hygieneregime in den Ländern und Krankenhäusern verbessert werden. Das hängt aber nicht nur an den Verordnungen, sondern für meine Begriffe vor allen Dingen auch am Vollzug von Verordnungen.

    Breker: Sie haben den Vollzug angesprochen, Herr Terpe. Wer kontrolliert denn überhaupt die Hygiene in den Krankenhäusern? Wer macht das?

    Terpe: Es gibt in den unterschiedlichen Bundesländern unterschiedliche Zuständigkeiten. Es ist beispielsweise an den Universitätskliniken so, dass der Vollzug der Hygieneverordnung auch durch Hygienebevollmächtigte erfolgt. Darüber hinaus gibt es aber vor allen Dingen auch die Gesundheitsämter in den Kommunen, die beispielsweise die Hygiene, den Hygienevollzug kontrollieren müssen. Aber da wissen wir, dass das sozusagen in einer zu geringen Zahl der Fälle der Fall ist.

    Breker: Wie erklärt sich das? Sind die Gesundheitsämter personell nicht entsprechend ausgestattet? Wie kann das überhaupt sein?

    Terpe: Das ist sehr unterschiedlich. Es ist von Kommune und Land zu Land natürlich unterschiedlich. Aber generell hat es in den vergangenen Jahren auch wegen der Schuldenlast von Ländern und Kommunen auch einen Abbau von Personal in den Gesundheitsämtern gegeben.

    Breker: Nun hören wir im Zusammenhang mit dem Mainzer Fall, dass Schwestern und Pfleger in Sachen Hygiene meist besser agieren als die Ärzte. Muss da irgendwas geschehen an der Ausbildung? Wie erklärt sich so was? Man steht fassungslos da, Herr Terpe.

    Terpe: Natürlich ist das eine Frage der Aus- und Weiterbildung. Die Ausbildung – und da geht es ja vor allen Dingen um die Ausbildung der Studenten -, da ist es so, dass in den letzten Jahren an den Universitäten häufig auch gespart worden ist an den Lehrstühlen für Hygiene. Ich weiß das auch von der eigenen Universität, von der ich ja bin.

    Breker: Rostock!

    Terpe: Rostock. Dass es da in der Vergangenheit drei Lehrstühle gegeben hat für Hygiene, und die sind dann auch ein bisschen zusammengestrichen worden. Also auch da ist gespart worden. Aber ich sage, noch viel wichtiger ist auch die Weiterbildung und die ständige Fortbildung über Hygiene, also in der täglichen Praxis. Wenn man dann als Ärztin oder Arzt im Krankenhaus ist, muss man ein doch kontinuierliches Angebot auch an Hygieneweiterbildung haben und auch verpflichtend wahrnehmen.

    Breker: Wie kann man denn diese Nachlässigkeiten überhaupt erklären? Gibt es unter den Ärzten so eine Art Wunderglaube an die Antibiotika?

    Terpe: Ein bisschen hängt das auch damit zusammen, dass sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten mit der Einführung von Antibiotika, auch mit der Einführung und Verbesserung der Desinfektionsmittel, so ein bisschen das Gefühl breitgemacht hat, na ja, man könnte auf die sonstigen Basishygienemaßnahmen verzichten. Ich glaube nach wie vor, dass es zunächst darauf ankommt, seinen Körper und auch seine Hände zunächst sauber zu halten und dann auch der Einsatz von Desinfektionsmitteln erfolgen muss, und da gibt es durchaus Nachlässigkeiten. Sie haben es ja zurecht auch angesprochen: Offensichtlich ist es im mittleren medizinischen Personal dann häufig sogar besser gelungen, auch die permanente Weiterbildung auf diesem Gebiet zu realisieren und zu garantieren.

    Breker: So viele infizierte Säuglinge an diesem Wochenende an der Universitätsklinik in Mainz mit Todesfällen, so was fällt auf. Viele andere Fälle fallen nicht auf. Aber ist das jetzt nicht der Zeitpunkt, wo wirklich gehandelt werden muss?

    Terpe: Ich denke, es hat auch schon in der Vergangenheit eigentlich Zeitpunkte gegeben, wo man hätte handeln können und müssen, aber jetzt ist das ein Punkt, wo man nicht nur verbal Handlungsbereitschaft, sondern auch tatsächliche reale Handlungsbereitschaft haben muss, und ich denke, es ist notwendig, dass wir uns national mit der Frage Krankenhaushygiene beschäftigen, ohne dass ich jetzt das Wort reden muss, es muss ein nationales Gesetz geben, denn es gibt ja auch die Möglichkeit, dass man über die Gesundheitsministerkonferenz jetzt zu einem nationalen Aktionsplan Krankenhaushygiene kommt.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das die Forderung von Harald Terpe. Er ist Obmann der Bündnisgrünen im Bundestagsausschuss für Gesundheit. Herr Terpe, danke für dieses Gespräch.

    Terpe: Bitte!