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"Da braucht man aber keinen Nationalpark dazu, wenn man die Bäume schützen will."

Ein Nationalpark ist sozusagen ein Adelstitel für eine Region - er bescheinigt ihr eine vielfältige und schützenswerte Natur, wie sie nur wenige Gegenden zu bieten haben. Doch der Schutz dieser Natur erlegt Anwohnern und Besuchern Einschränkungen auf und deshalb ist der Vorschlag, im Steigerwald in Franken einen Nationalpark einzurichten, bei den Anwohnern nicht nur auf Zustimmung gestoßen. Das bekam am Donnerstag auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel bei einem Besuch in der Region zu spüren.

Patrick Obrusnik |
    "Er ist wunderschön. Natürlich. Das einzige, was wirklich bedrückt, ist die Tiefe der Gräben, die hier ausgehoben worden sind."

    Auch eine Wanderung durch den idyllischen Buchenwald konnte es nicht verbergen. Die Gräben im Steigerwald sind tatsächlich tief. Davon konnte sich Bundesumweltminister Gabriel den ganzen Tag überzeugen. Denn seit vor gut einem Jahr der Plan bekannt wurde, einen Nationalpark auszuweisen, brodelt es im Steigerwald:

    "Ich schütz die Natur und versuche, dem Klimawandel entgegenzuwirken." "Da braucht man aber keinen Nationalpark dazu, wenn man die Bäume schützen will." "Ihr kommt daher und wollt vor uns angeben, ihr Scheißer!" "Jetzt werden Sie doch nicht persönlich!"

    Bei dem Streit geht es um rund 11.000 Hektar Wald, vor allem Rotbuchenbestand. Knapp 10 Prozent der Gesamtfläche. Die Befürworter des Nationalparks wollen die Bäume für zukünftige Generationen erhalten:

    "Der Steigerwald ist mit seiner Artenvielfalt und mit den alten Bäumen das beste Buchenwaldgebiet Mitteleuropas, und wir müssen ihn einfach schützen." "Wir haben hier etwas, was wir europaweit nur noch ganz selten haben. Tolle alte Buchenwälder mit Baumpatriarchen, die einer Vielzahl von Vögel und Tieren Lebensraum geben. Und das ist eine Perle, die wir nicht nur für Bayern, sondern auch für Deutschland und für Europa schützen müssen."

    Widerstand gegen den Nationalpark regt sich vor allem aus den davon betroffenen Dörfern im Steigerwald. Viele Menschen haben hier Angst, ihren Wald - so wie sie ihn kennen - zu verlieren:

    "Wir wollen uns nicht einen Weg vorschreiben lassen, wo man noch in den Wald rein darf oder wieder raus muss. Wir können unser Holz holen, wir können Pilze sammeln, und das werden wir alles nachher nicht mehr. Ich möchte mich nicht einsperren lassen in meiner eigenen Heimat." "Wenn jemand Urwald sehen will, dann soll er nach Afrika gehen, oder nach Brasilien. Hier wollen wir einen Kulturwald haben, und nicht nur Urwald für ein paar Ausflügler."

    Es geht auch um wirtschaftliche Fragen: die Gegner fürchten Einbußen beim Holz, die Befürworter betonen gebetsmühlenhaft die Bedeutung eines Nationalparks für den lokalen Tourismus. Mittlerweile ist eine sachliche Diskussion zwischen den Parteien kaum mehr möglich. Das wusste auch der Bundesumweltminister - und erklärte: Er sei gekommen, um zu vermitteln. Die Problematik sei ihm bekannt - denn in seiner Heimat, dem Harz, habe es die gleiche Diskussion auch schon gegeben:

    "Heute, mehr als zehn Jahre danach, gibt es keinerlei Konflikte. Die Städte und Gemeinden haben sich dann darum beworben, dass sie sich Nationalparkgemeinde nennen dürfen. Wir haben den Nationalpark mit den Leuten entwickelt und nicht gegen sie. Es gibt heute keine Konflikte mehr."

    Die Gegner des Nationalparks ließ Gabriel aber nicht im Dunkeln: er wünsche sich den Nationalpark Steigerwald:

    "Sie haben - das wissen sie selber am besten, sie leben hier - einen Schatz hier bei sich. Und deswegen gibt es natürlich ein Interesse an der Ausweisung von Nationalparken. Ich wäre kein Umweltminister, wenn ich daran kein Interesse hätte. Aber mein Angebot ist, da wo wir helfen können, eine offene und transparente Debatte stattfindet. Und das ist mein Angebot. Dass ich da versuche, vielleicht auch mitzuhelfen."

    Bei der Moderation helfen. Viel mehr bleibt dem Bundesumweltminister auch nicht übrig. Denn die letztendliche Entscheidung über die Ausweisung eines Nationalparks liegt nicht - wie der Name fälschlicherweise impliziert - beim Bund, sondern allein beim Land:

    "An sich ist das eine Angelegenheit, die das Land Bayern mit sich selbst ausmachen muss. Sehen sie sich den Bayerischen Wald an: Bayern hat gezeigt, dass es das in hervorragender Weise kann. Ich bin mir sicher, das wird auch hier gelingen."

    Dessen waren sich die gut 500 Gegner des Nationalpark-Projekts gestern nicht sicher. Sie glaubten den Worten des hohen Politikers aus Berlin nicht ... und verabschiedeten ihn mit Pfiffen aus dem Steigerwald:

    "Ich bin für die Natur. Die Natur soll bleiben wie sie ist bei uns. Und das wäre sehr schön ... "