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"Da gibt es gute Leute beim IWF"

Der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, muss sich dem Vorwurf der versuchten Vergewaltigung stellen. Jürgen Koppelin, FDP-Obmann im Haushaltsausschuss des Bundestages, glaubt jedoch nicht, dass dieser Fall die Beratungen über weitere Finanzhilfen für Griechenland und Portugal belasten könnte.

Jürgen Koppelin im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Jürgen Koppelin, FDP-Obmann im Haushaltsausschuss.
    Jürgen Koppelin, FDP-Obmann im Haushaltsausschuss. (Deutscher Bundestag)
    Tobias Armbrüster: Dominique Strauss-Kahn, der Chef des Internationalen Währungsfonds IWF, sitzt seit dem Wochenende in Untersuchungshaft in New York. Der Vorwurf: Er soll versucht haben, ein Zimmermädchen in einem Hotel zu vergewaltigen. Es ist eine Nachricht mit vielen Facetten, viele Experten befürchten auch Auswirkungen an den Finanzmärkten. Heute Nachmittag wird die New Yorker Polizei den IWF-Chef einer DNA-Analyse unterziehen, dabei soll unter anderem überprüft werden, ob Strauss-Kahn noch immer Kratzer oder genetische Spuren des mutmaßlichen Opfers an sich trägt. Die Verhaftung des IWF-Chefs ist nicht die einzige Geschichte, die Finanzpolitiker heute bewegt. In Brüssel kommen heute die Finanzminister der Euro-Länder zusammen, um über das Rettungspaket für Portugal und über weitere Hilfen auch für Griechenland zu beraten. Der IWF spielt bei diesen Zahlungen ja ebenfalls eine Rolle. Am Telefon hier bei uns im Deutschlandfunk ist Jürgen Koppelin, der FDP-Obmann im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages. Schönen guten Tag, Herr Koppelin.

    Jürgen Koppelin: Ja, guten Tag.

    Armbrüster: Herr Koppelin, auch an Sie erst mal eine Frage zum IWF-Chef. Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie am Wochenende von der Verhaftung von Dominique Strauss-Kahn gehört haben?

    Koppelin: Ich habe im ersten Moment gedacht, das kann nicht wahr sein, da muss irgendjemand seine Finger im Spiel gehabt haben. Insofern würde ich auch nie eine Verurteilung des IWF-Chefs machen. Er ist noch nicht verurteilt, er muss angehört werden, das wird ja wohl heute geschehen, und dann sehen wir mal weiter.

    Armbrüster: Könnte dieser Fall die Beratungen über weitere Finanzhilfen belasten? Immerhin ist ja der IWF dabei ein wichtiger Mitspieler.

    Koppelin: Das glaube ich nicht. Der Bundesfinanzminister hat sich da ja auch schon zu geäußert und hat gesagt, da gibt es gute Leute beim IWF. Man muss ja auch mal darüber sprechen, was ist überhaupt der IWF. Die meisten wissen es ja gar nicht. Das ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die haben viele Aufgaben, internationale Zusammenarbeit in der Währungspolitik, Ausweitung des Welthandels, dann natürlich Stabilisierung der Wechselkurse, was sehr wichtig ist, Kreditvergaben, Überwachung der Geldpolitik. Das ist alles sehr, sehr umfangreich und das macht ja auch nicht einer alleine. Und ich darf mal darauf hinweisen, das ist bisher, glaube ich, ein bisschen zu kurz gekommen: Ich gehe davon aus, dass die Regierungschefs und diejenigen, die starkes Interesse am IWF haben, natürlich sich schon langfristig auch Gedanken gemacht haben über die Nachfolge von Strauss-Kahn, denn Strauss-Kahn sollte ja in wenigen Tagen quasi Präsidentschaftskandidat in Frankreich der Sozialisten werden, und ich denke, in der Funktion hätte er dieses Amt auch nicht mehr wahrnehmen können.

    Armbrüster: Kommen wir dann, Herr Koppelin, auf das, was heute in Brüssel auf der Tagesordnung steht. Da soll unter anderem auch gesprochen werden über ein weiteres mögliches Hilfspaket für Griechenland. Wird die FDP einem solchen Hilfspaket zustimmen?

    Koppelin: Das kann ich so spontan nicht sagen. Wir müssen ja erst mal die Ergebnisse abwarten und was uns dann auch der Bundesfinanzminister im Haushaltsausschuss vorlegen wird. Ich kann nur sagen, was ich so im Augenblick sehe, bin ich sehr kritisch eingestellt, denn Griechenland hat seine Aufgaben nicht erfüllt. Ich weiß, wie bitter das auch ist für Griechenland selbst, aber wenn ich nur mal ein Stichwort gebe, Auflage war starke Privatisierung, das fehlt bisher. Defizitabbau im Haushalt, das fehlt bisher. Und ich sage auch und weise darauf hin, die Demonstrationen in Griechenland, veranstaltet durch die Gewerkschaften, wo man die Bevölkerung auf die Straße bringt, die sind nicht gerade hilfreich.

    Armbrüster: Aber ich meine, die Regierung in Griechenland merkt natürlich, dass sie ordentlich unter Druck steht. Sie würden ihr also raten, noch mehr zu sparen als ohnehin?

    Koppelin: Ja, sie müssen das. Da brauchen die meinen Rat gar nicht. Wir haben bisher für Griechenland etwa 110 Milliarden erbracht als Rettungspaket. Ich muss doch irgendwann mal wissen, wenn ich wieder ja sage, wo ist jetzt die Grenze, wo ist der Punkt erreicht, wo man sagt, es geht nicht mehr.

    Armbrüster: Also weiter sparen, auch wenn in Griechenland noch weitere Leute auf die Straße gehen, wenn es möglicherweise zu Ausschreitungen kommt, oder auch zu weiteren Generalstreiks?

    Koppelin: Ja, aber Griechenland kann ja nicht ein Fass ohne Boden sein. Wir müssen ja irgendwann mal sehen, greift diese Hilfe, die wir gegeben haben. Im Augenblick sehe ich es nicht und dann ist es auch dem deutschen Steuerzahler, aber auch in den anderen europäischen Ländern nicht mehr zuzumuten. In Finnland kennt man die Diskussion. Da hat ja sogar eine Partei einen Riesenwahlerfolg erreicht, indem sie gesagt hat, keine Hilfe mehr. Die Menschen verstehen es nicht mehr und sagen, wir kriegen hier nichts. Ich habe auch neulich öffentlich gesagt, es kann nicht sein, dass wir anderen EU-Staaten intensivst helfen müssen mit Finanzpaketen, 22 Milliarden noch mal demnächst in einen Rettungsfonds wenn auch in Raten eingezahlt, diesmal dann sogar in Bar, und für den deutschen Steuerzahler, für denjenigen, der hier den Karren zieht in Deutschland, für die Menschen da ist nichts über, da ist kein Geld für Steuersenkungen, da ist dieses nicht da, da ist jenes nicht da. Wir erleben harte Belastungen, damit wir unseren Laden hier in Ordnung bringen, unsere Schulden abbauen, und dann sollen wir für andere EU-Staaten geradestehen. Das kann am Ende nicht wahr sein, das wird keiner mehr begreifen.

    Armbrüster: Deutet sich da, Herr Koppelin, ein neuer europaskeptischer Kurs der FDP an?

    Koppelin: Nein, ganz im Gegenteil! Wir sind für Europa. Denn das hat ja unser neuer Bundesvorsitzender Philipp Rösler doch wohl sehr deutlich gemacht: Wir wollen weiter die Europapartei bleiben. Aber es hat doch keinen Zweck, wenn ich sage, wir sind Europapartei, andere auch, wir sind für Europa, und gleichzeitig zum Beispiel meine Nachbarn in Dänemark ihre Grenze fast dicht machen, ich dies und jenes sehe und die Menschen europaskeptisch werden, noch skeptischer werden, weil sie alles nicht mehr verstehen. Dann müssen wir den Menschen das draußen erklären, warum bestimmte Entscheidungen so getroffen werden. Wenn die Menschen das aber draußen nicht mehr verstehen, dann, finde ich, muss die Politik darauf reagieren, dann haben wir auch als Politiker etwas falsch gemacht.

    Armbrüster: Wie stehen Sie denn zu dem Rettungspaket für Portugal? Gelten da die gleichen Vorbehalte?

    Koppelin: Ja selbstverständlich! Für alle! Die haben alle über ihre Verhältnisse gelebt. Wir übrigens ja in Deutschland auch. Nur wir versuchen, das mit dieser Regierung jetzt in den Griff zu kriegen. Deswegen ist ja das auch alles nicht einfach für diese Regierung. Wir haben von Anfang an, zu Beginn dieser Koalition gesagt, wir müssen sparen, wir müssen einschneidende Maßnahmen beschließen, ein großes Sparpaket ist bei uns verabschiedet worden. Und das Interessante ist ja, was viele in Deutschland auch nicht sehen, dass bei uns in Deutschland durch diese Entscheidung dieser Bundesregierung die Konjunktur besser läuft, die Arbeitslosenzahlen herunter gehen, also wir fast ein zweites Wirtschaftswunder haben. Und wenn andere europäische Staaten hohe Arbeitslosenzahlen haben, immer mehr Defizit haben, Deutschland ist eine völlige Ausnahme und wir sollten mal stolz auf unsere Bundesregierung und auf unser Land sein, auch auf die Menschen, die das erwirtschaften.

    Armbrüster: Sie sind nun in der Bundesregierung ein ziemlich zurecht gestutzter kleiner Koalitionspartner. Wie wollen Sie diesen Kurs gegen die Union durchsetzen?

    Koppelin: Also das sehe ich nicht, dass wir zurecht gestutzt sind. Wir arbeiten hervorragend in der Bundesregierung zusammen. Die CDU/CSU, die haben ihre Meinung. Ich muss ja auch da schon trennen. CDU hat eine Meinung, die CSU hat Auffassungen, wir auch, und da muss man dann zusammenkommen. Aber am Ende muss eben die Vernunft siegen und ich denke, auch die FDP ist die Stimme der Vernunft in dieser Koalition.

    Armbrüster: Die FDP hat bei ihrem Parteitag am Wochenende beschlossen, dass sie bei dem dauerhaften Euro-Rettungsschirm durchsetzen will, dass vor jeder Kreditvergabe der Bundestag gefragt wird. Warum diese Maßnahme, diese Vorsichtsmaßnahme?

    Koppelin: ... , weil wir verantwortlich sind, auch ich im Haushaltsausschuss ja gerade, für das Geld, was der Steuerzahler uns gibt, der Regierung gibt, dem Parlament gibt und wir sollen es vernünftig verwalten. Ich bin Verwalter der Gelder der Steuerzahler und da, finde ich, ist es nur recht und billig, dass das Parlament mit entscheidet. Wir entscheiden für den deutschen Steuerzahler mit und wir wollen mitreden und der deutsche Steuerzahler soll durch uns mitreden dürfen.

    Armbrüster: Und mal angenommen, alle 17 Mitglieder der Euro-Gruppe wollen so eine Abstimmung, würde das nicht eine Hilfe unnötig in die Länge ziehen?

    Koppelin: Das muss nicht sein. Man kann Entscheidungen auch schnell treffen. Wissen Sie, ich habe schon mit dem Haushaltsausschuss mal, ich glaube, es war an einem Pfingstsonntag arbeiten müssen, weil es um Riesenrettungspakete der damaligen Koalition für Opel ging. Also das geht alles, das geht alles sehr schnell. Gott sei Dank haben wir dieses Rettungspaket von Milliarden übrigens nicht gemacht, auch auf Drängen der FDP, wenn ich mal daran erinnern darf. Also wir können uns schon durchsetzen als FDP. Das kann ganz schnell gehen. Ich bin ja und die Abgeordneten auch jederzeit bereit, in sitzungsfreien Wochen, ja selbst am Sonntag hier zusammenzukommen. Das ist so wichtig, da kommt es nicht darauf an, ob ich einen freien Sonntag habe oder nicht.

    Armbrüster: Hier bei uns im Deutschlandfunk war das der FDP-Haushaltspolitiker Jürgen Koppelin. Besten Dank für das Gespräch.

    Koppelin: Ja, bitte schön.