Gerwald Herter: Das Atomunglück von Fukushima hat gezeigt, dass selbst hoch entwickelte Länder wie Japan größte Schwierigkeiten damit haben, Kernschmelzen in einem havarierten Atomkraftwerk zu verhindern. Restrisiken müssen neu bewertet werden, auch die Bundesregierung ist davon überzeugt. Diese Erkenntnis soll zum Wiedereinstieg in den raschen Ausstieg führen. Atomkraftgegner und auch Befürworter blickten gestern gebannt auf die Verhandlungen der Koalition im Kanzleramt.
In Berlin sind wir jetzt mit dem FDP-Generalsekretär, mit Christian Lindner verbunden. Er war im Kanzleramt dabei. Guten Morgen, Herr Lindner.
Christian Lindner: Guten Morgen, Herr Herter.
Herter: Herr Lindner, keine Revisionsklausel, endgültiger Ausstieg bis 2022. Was hat die FDP in den Verhandlungen überhaupt durchsetzen können?
Lindner: Den Punkt, den Sie gerade genannt haben, Revisionsklausel, hat die FDP nicht in die Gespräche eingebracht. Das war eine Überlegung der CSU. Uns ging es um Rationalität bei der Energiewende. Für uns war und ist sicher, dass die sichere Versorgung der Industrienation Deutschland gewährleistet bleibt und dass wir die finanziellen Folgen der Energiewende für die Stromkunden und den Bundeshaushalt unter Kontrolle behalten, und hier ist es der FDP gelungen, diese Rationalität, diesen Realismus in den Plänen zu verteidigen, und ich glaube, dass das ein gutes Ergebnis damit nicht nur für die Koalition, sondern auch für uns Freie Demokraten ist.
Herter: Aber Sie wollten einen Zielkorridor, also einen Zeitraum von bis, in dem ausgestiegen werden soll. Warum ist daraus nicht geworden, obwohl Ihr Parteivorsitzender, der neue Wirtschaftsminister Rösler, sich gestern noch öffentlich darauf festgelegt hatte?
Lindner: Für uns war wichtig, dass es eine regelmäßige Kontrolle des Fortschritts gibt, und dieses Ziel ist erreicht. In Zukunft wird der Energieminister, also der Bundeswirtschaftsminister, und es wird auch der Bundesumweltminister einen Bericht vorlegen über den weiteren Ausbau unserer Stromnetze, die Bereitstellung von Stromspeichern und den Zuwachs von erneuerbaren Energiequellen. Das wird jedes Jahr vorgelegt, damit die entsprechenden Planungen angepasst werden können. Dazu wird es auch ein Planungsbeschleunigungsgesetz geben. Was ist das für ein Mechanismus? – Wir wollen sicherstellen, dass die notwendigen Kapazitäten für den Ersatz von Kernenergie auch tatsächlich realisiert werden, wenn sich herausstellt, ...
Herter: Aber was passiert, wenn das nicht geschehen kann?
Lindner: Wenn sich herausstellt, dass es Verzögerungen gibt, dann wird durch eine Beschleunigung der Planungsvorhaben für Kraftwerke oder für Stromnetze gegengesteuert werden. Wir haben, wenn ich das noch sagen darf, ein zweites Element von Vorsorge vorgesehen. In einem Jahrzehnt, wie die Ethikkommission das angeregt hat und für möglich erachtet, werden wir aussteigen, aber im Jahr 2022 werden wir noch einen weiteren Bestand an Anlagen haben und wir werden jetzt die eben schon diskutierte Kaltreserve mit im System behalten, um einen Blackout zu vermeiden. Das waren unsere wichtigen Anliegen.
Herter: Da sagt der SPD-Chef Gabriel, der mal Umweltminister war, ein Atomkraftwerk lässt sich nicht in Kaltreserve halten. Warum sehen Sie das anders?
Lindner: Herr Gabriel unterliegt hier, glaube ich, einem Missverständnis, das man rasch in weiteren Gesprächen aufklären kann. Es geht nicht darum, wie bei fossilen Kraftwerken eine Kaltreserve vorzuhalten, die jetzt ad hoc oder binnen weniger Stunden ans Netz geht, sondern für die nächsten – und nur für die -, für die nächsten beiden Winter bis 2013 soll eine Reserve vorgehalten werden, die bei einer Großlage wegen der Witterung binnen einer Woche wieder am Netz sein kann, weil wir erst danach, nach 2013, hinreichend viele neue Kapazitäten haben, die jetzt schon in der Realisierung sind. Also es geht nur um zwei Jahre und wir folgen damit einer Empfehlung der Bundesnetzagentur, einer Behörde, der, wenn ich es richtig sehe, ein SPD-Mitglied vorsteht, und die dringend gemahnt hat, wie auch Teile der Ethikkommission, eine solche Reserve in unserem Netz für die nächsten zwei Winter einzuplanen.
Herter: Was müssen Sie der Energiewirtschaft anbieten, damit sie diese Kaltreserve vorhält?
Lindner: Das, was finanziell jetzt erforderlich ist dafür, muss noch geklärt werden, war gestern nicht abschließend Gegenstand der Gespräche. Hier ging es darum, dass wir einen Blackout vermeiden, denn das ist ja auch eine Frage der regionalen Stromversorgung, komplizierte Fragestellungen, und dafür wird es einen Ausgleich geben müssen, der aber sehr überschaubar sein wird. Es gibt jetzt Prognosen in einer Größenordnung eines zweistelligen Millionen-Euro-Betrages, also angesichts des Gesamtvolumens ein überschaubarer Betrag für jetzt auch nur zwei Winter. Daneben werden wir ja die Brennelementesteuer – Herr Herter, das muss man unterstreichen – ja weiter erheben in einer Milliarden-Größenordnung ...
Herter: Und welcher Ausgleich wird da geschaffen für die Industrie?
Lindner: Da gibt es keinen Ausgleich. Es bleibt bei der Brennelementesteuer, wie sie vorgesehen ist. Sie ist eingeführt worden, um die Industrie zu beteiligen an der Beseitigung der Schäden bei der Asse, also Fragen der Endlagerung, und das wird auch weiter so in dem finanziellen Tableau verbleiben. Das war uns wichtig, weil wir dadurch auch Spielräume im Bundeshaushalt erhalten, die wir für andere Fragen, beispielsweise die Entlastung bei der Einkommenssteuer für untere und mittlere Einkommen in der Periode, weil wir da diese Gelder, diese Milliarden-Beträge brauchen.
Herter: Herr Linder, der Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin, sagt, es bleiben da Hintertürchen offen. Welche Hintertürchen sind das?
Lindner: Ich sehe keine Hintertüren. Herr Trittin bewertet offenbar Spekulationen, die es am gestrigen Abend teilweise in Berichten gab, die aber alle jetzt gegenstandslos sind. Sie haben ja auch das Gespräch begonnen mit einer Revisionsklausel. All das gibt es nicht. Es gibt einen Korridor, dass schrittweise nacheinander Anlagen vom Netz gehen, sehr berechenbar, jetzt sofort sieben alte plus Krümmel, dann in 2021 das Gros und dann die letzten Anlagen 2022, da gibt es keinerlei sogenannte Hintertüren sondern das ist ein ganz transparenter klarer Fahrplan. Ich halte den auch für richtig, insbesondere auch, dass die sieben alten Meiler vom Netz gehen. Hier hat es ja auch schon zu einem frühen Zeitpunkt aus der FDP gegeben, die das nahegelegt haben.
Herter: Dennoch bleiben Restrisiken. Ausgangspunkt war ja die Katastrophe von Fukushima. Können Sie für die Sicherheit der Atomkraftwerke bis zum Ausstieg garantieren?
Lindner: Im Rahmen dessen, was möglich ist. Aber ich weise darauf hin, dass nach unserer Planung die Anlagen jetzt schneller vom Netz gehen, als die frühere rot-grüne Bundesregierung das für möglich und erforderlich gehalten hat. Es ist gegenüber der damaligen Planung von Rot-Grün einiges mehr an Sicherheit vorgesehen. Schon bei unserem Energiekonzept sind ja die Sicherheitsanforderungen an die Anlagen erhöht worden, die ältesten Anlagen gehen jetzt vom Netz. Also im Rahmen dessen, was mach menschlichem Ermessen möglich ist, haben wir jetzt weltweit für alle führenden Industrienationen, kann man das sagen, das ehrgeizigste Vorhaben bei der Energiewende. Wir behalten die Rationalität, aber wir sind außerordentlich ehrgeizig und haben damit Konsequenzen aus Fukushima gezogen, bereiten aber zugleich auch unsere Volkswirtschaft – das ist uns wichtig – auf zukünftige Rohstoffknappheiten vor. Es ist also nicht nur eine Konsequenz aus Fukushima, sondern wir nutzen auch Chancen für eine Effizienzökonomie, die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands begründen soll.
Herter: Das war der FDP-Generalsekretär Christian Lindner über die Beschlüsse der Koalition zum Atomausstieg. Herr Lindner, vielen Dank für dieses Gespräch.
Lindner: Gerne, Herr Herter.
Koalition beschließt Atomausstieg bis 2022
Verbraucherzentrale Bundesverband mit Atomausstieg-Beschluss zufrieden
In Berlin sind wir jetzt mit dem FDP-Generalsekretär, mit Christian Lindner verbunden. Er war im Kanzleramt dabei. Guten Morgen, Herr Lindner.
Christian Lindner: Guten Morgen, Herr Herter.
Herter: Herr Lindner, keine Revisionsklausel, endgültiger Ausstieg bis 2022. Was hat die FDP in den Verhandlungen überhaupt durchsetzen können?
Lindner: Den Punkt, den Sie gerade genannt haben, Revisionsklausel, hat die FDP nicht in die Gespräche eingebracht. Das war eine Überlegung der CSU. Uns ging es um Rationalität bei der Energiewende. Für uns war und ist sicher, dass die sichere Versorgung der Industrienation Deutschland gewährleistet bleibt und dass wir die finanziellen Folgen der Energiewende für die Stromkunden und den Bundeshaushalt unter Kontrolle behalten, und hier ist es der FDP gelungen, diese Rationalität, diesen Realismus in den Plänen zu verteidigen, und ich glaube, dass das ein gutes Ergebnis damit nicht nur für die Koalition, sondern auch für uns Freie Demokraten ist.
Herter: Aber Sie wollten einen Zielkorridor, also einen Zeitraum von bis, in dem ausgestiegen werden soll. Warum ist daraus nicht geworden, obwohl Ihr Parteivorsitzender, der neue Wirtschaftsminister Rösler, sich gestern noch öffentlich darauf festgelegt hatte?
Lindner: Für uns war wichtig, dass es eine regelmäßige Kontrolle des Fortschritts gibt, und dieses Ziel ist erreicht. In Zukunft wird der Energieminister, also der Bundeswirtschaftsminister, und es wird auch der Bundesumweltminister einen Bericht vorlegen über den weiteren Ausbau unserer Stromnetze, die Bereitstellung von Stromspeichern und den Zuwachs von erneuerbaren Energiequellen. Das wird jedes Jahr vorgelegt, damit die entsprechenden Planungen angepasst werden können. Dazu wird es auch ein Planungsbeschleunigungsgesetz geben. Was ist das für ein Mechanismus? – Wir wollen sicherstellen, dass die notwendigen Kapazitäten für den Ersatz von Kernenergie auch tatsächlich realisiert werden, wenn sich herausstellt, ...
Herter: Aber was passiert, wenn das nicht geschehen kann?
Lindner: Wenn sich herausstellt, dass es Verzögerungen gibt, dann wird durch eine Beschleunigung der Planungsvorhaben für Kraftwerke oder für Stromnetze gegengesteuert werden. Wir haben, wenn ich das noch sagen darf, ein zweites Element von Vorsorge vorgesehen. In einem Jahrzehnt, wie die Ethikkommission das angeregt hat und für möglich erachtet, werden wir aussteigen, aber im Jahr 2022 werden wir noch einen weiteren Bestand an Anlagen haben und wir werden jetzt die eben schon diskutierte Kaltreserve mit im System behalten, um einen Blackout zu vermeiden. Das waren unsere wichtigen Anliegen.
Herter: Da sagt der SPD-Chef Gabriel, der mal Umweltminister war, ein Atomkraftwerk lässt sich nicht in Kaltreserve halten. Warum sehen Sie das anders?
Lindner: Herr Gabriel unterliegt hier, glaube ich, einem Missverständnis, das man rasch in weiteren Gesprächen aufklären kann. Es geht nicht darum, wie bei fossilen Kraftwerken eine Kaltreserve vorzuhalten, die jetzt ad hoc oder binnen weniger Stunden ans Netz geht, sondern für die nächsten – und nur für die -, für die nächsten beiden Winter bis 2013 soll eine Reserve vorgehalten werden, die bei einer Großlage wegen der Witterung binnen einer Woche wieder am Netz sein kann, weil wir erst danach, nach 2013, hinreichend viele neue Kapazitäten haben, die jetzt schon in der Realisierung sind. Also es geht nur um zwei Jahre und wir folgen damit einer Empfehlung der Bundesnetzagentur, einer Behörde, der, wenn ich es richtig sehe, ein SPD-Mitglied vorsteht, und die dringend gemahnt hat, wie auch Teile der Ethikkommission, eine solche Reserve in unserem Netz für die nächsten zwei Winter einzuplanen.
Herter: Was müssen Sie der Energiewirtschaft anbieten, damit sie diese Kaltreserve vorhält?
Lindner: Das, was finanziell jetzt erforderlich ist dafür, muss noch geklärt werden, war gestern nicht abschließend Gegenstand der Gespräche. Hier ging es darum, dass wir einen Blackout vermeiden, denn das ist ja auch eine Frage der regionalen Stromversorgung, komplizierte Fragestellungen, und dafür wird es einen Ausgleich geben müssen, der aber sehr überschaubar sein wird. Es gibt jetzt Prognosen in einer Größenordnung eines zweistelligen Millionen-Euro-Betrages, also angesichts des Gesamtvolumens ein überschaubarer Betrag für jetzt auch nur zwei Winter. Daneben werden wir ja die Brennelementesteuer – Herr Herter, das muss man unterstreichen – ja weiter erheben in einer Milliarden-Größenordnung ...
Herter: Und welcher Ausgleich wird da geschaffen für die Industrie?
Lindner: Da gibt es keinen Ausgleich. Es bleibt bei der Brennelementesteuer, wie sie vorgesehen ist. Sie ist eingeführt worden, um die Industrie zu beteiligen an der Beseitigung der Schäden bei der Asse, also Fragen der Endlagerung, und das wird auch weiter so in dem finanziellen Tableau verbleiben. Das war uns wichtig, weil wir dadurch auch Spielräume im Bundeshaushalt erhalten, die wir für andere Fragen, beispielsweise die Entlastung bei der Einkommenssteuer für untere und mittlere Einkommen in der Periode, weil wir da diese Gelder, diese Milliarden-Beträge brauchen.
Herter: Herr Linder, der Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin, sagt, es bleiben da Hintertürchen offen. Welche Hintertürchen sind das?
Lindner: Ich sehe keine Hintertüren. Herr Trittin bewertet offenbar Spekulationen, die es am gestrigen Abend teilweise in Berichten gab, die aber alle jetzt gegenstandslos sind. Sie haben ja auch das Gespräch begonnen mit einer Revisionsklausel. All das gibt es nicht. Es gibt einen Korridor, dass schrittweise nacheinander Anlagen vom Netz gehen, sehr berechenbar, jetzt sofort sieben alte plus Krümmel, dann in 2021 das Gros und dann die letzten Anlagen 2022, da gibt es keinerlei sogenannte Hintertüren sondern das ist ein ganz transparenter klarer Fahrplan. Ich halte den auch für richtig, insbesondere auch, dass die sieben alten Meiler vom Netz gehen. Hier hat es ja auch schon zu einem frühen Zeitpunkt aus der FDP gegeben, die das nahegelegt haben.
Herter: Dennoch bleiben Restrisiken. Ausgangspunkt war ja die Katastrophe von Fukushima. Können Sie für die Sicherheit der Atomkraftwerke bis zum Ausstieg garantieren?
Lindner: Im Rahmen dessen, was möglich ist. Aber ich weise darauf hin, dass nach unserer Planung die Anlagen jetzt schneller vom Netz gehen, als die frühere rot-grüne Bundesregierung das für möglich und erforderlich gehalten hat. Es ist gegenüber der damaligen Planung von Rot-Grün einiges mehr an Sicherheit vorgesehen. Schon bei unserem Energiekonzept sind ja die Sicherheitsanforderungen an die Anlagen erhöht worden, die ältesten Anlagen gehen jetzt vom Netz. Also im Rahmen dessen, was mach menschlichem Ermessen möglich ist, haben wir jetzt weltweit für alle führenden Industrienationen, kann man das sagen, das ehrgeizigste Vorhaben bei der Energiewende. Wir behalten die Rationalität, aber wir sind außerordentlich ehrgeizig und haben damit Konsequenzen aus Fukushima gezogen, bereiten aber zugleich auch unsere Volkswirtschaft – das ist uns wichtig – auf zukünftige Rohstoffknappheiten vor. Es ist also nicht nur eine Konsequenz aus Fukushima, sondern wir nutzen auch Chancen für eine Effizienzökonomie, die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands begründen soll.
Herter: Das war der FDP-Generalsekretär Christian Lindner über die Beschlüsse der Koalition zum Atomausstieg. Herr Lindner, vielen Dank für dieses Gespräch.
Lindner: Gerne, Herr Herter.
Koalition beschließt Atomausstieg bis 2022
Verbraucherzentrale Bundesverband mit Atomausstieg-Beschluss zufrieden