Mario Dobovisek: Bayern – der Freistaat. Hier ist man stolz darauf, dass so manches anders ist. Man kennt sich, bei Weißbier und Schweinshaxen werden Geschäfte gemacht, auch Politik, da ist zum Beispiel die Nähe Horst Seehofers zum steuerflüchtigen Bayern-München-Chef Uli Hoeneß oder anderen Spezis aus Wirtschaft und Gesellschaft. Doch wenige Monate vor der Landtags- und Bundestagswahl muss die CSU in Bayern plötzlich erklären, warum führende Politiker in ihren Büros jahrelang Familienangehörige beschäftigt haben. Im Falle von Fraktionschef Georg Schmid sogar zu fürstlichen Gehältern. Schmid trat inzwischen zurück, Christa Stewens wird seine Nachfolgerin, doch die Debatte um eigentlich seit 13 Jahren verbotene familiäre Bande in den Büros bleibt, zumal es insgesamt 17 sogenannte Altfälle geben soll.
Saludos Amigos, buenos dias Ehefrauen (MP3-Audio)
Aus München Michael Watzke.
Unser Landeskorrespondent Michael Watzke berichtete. Und am Telefon begrüße ich Ursula Münch, sie ist Politikwissenschaftlerin und leitet die Akademie für politische Bildung in Tutzing. Guten Morgen, Frau Münch!
Ursula Münch: Guten Morgen!
Dobovisek: Der frühere CSU-Chef Erwin Huber sagte gestern an dieser Stelle bei uns im Deutschlandfunk, Seehofer und er hätten nicht gewusst, dass Georg Schmid jahrelang seine Frau beschäftigt hatte, und auch nichts von den anderen sogenannten Altfällen. Hören wir einmal gemeinsam, was Huber uns gestern sagte.
Erwin Huber: Ich habe beispielsweise nicht gewusst, dass es solche 17 Altfälle noch gibt, auch Seehofer beispielsweise hat das nicht gewusst. Wie soll man denn das wissen? Es ist nicht so, dass Kollektivwissen darüber da war, und das wird jetzt beendet.
Dobovisek: Klingt das für Sie plausibel, Frau Münch?
Münch: Grundsätzlich schon, also ich meine, dass man nicht unbedingt weiß als Kollege, wen der andere beschäftigt, zu welchen Bedingungen, kann schon sein, dass man es zumindest nicht von jedem überblickt. Grundsätzlich sind ja diese ganzen Verträge über das Landtagsamt gelaufen, also dass das die Kollegen nicht unmittelbar vielleicht mitbekommen. Aber ich gehe davon aus, dass zum Beispiel im jeweiligen Bezirksverband der CSU, zum Beispiel jetzt beim Herrn Schmid im Bezirksverband Schwaben, natürlich, dass die Kollegen gewusst haben, dass seine Frau für ihn arbeitet. Hätten sie es nicht gewusst, würde das ja bedeuten, die Frau müsste relativ wenig gearbeitet haben. Also da gehe ich schon mal davon aus, dass es im engeren Umfeld schon bekannt war, aber es hat halt niemanden gestört, weil man hat ja auch andere gekannt, die es gemacht haben. Also da ist einiges …
Dobovisek: Sozusagen das bayrische "Das war schon immer so"?
Münch: Ja, ich meine, da hat sich so ein bisschen was eingeschliffen, und tatsächlich war diese Sensibilität, dass es eine Übergangsregelung war und dass das hätte auslaufen sollen, bei allen Seiten nicht vorhanden – im Nachhinein unverständlich, aber auch die Opposition hat es anscheinend nie zu einem großen Thema gemacht. Es wundert einen, dass so was passieren kann, aber offensichtlich ist es eben passiert.
Dobovisek: Eine Übergangsregel, die inzwischen 13 Jahre andauerte – was sagt uns das über die bayrische Politik und die Moral?
Münch: Das sagt uns, dass solche Sachen sich einschleifen, wenn eine Partei sehr, sehr lange das Sagen hat. Das kann auch in anderen Ländern passieren. Das passiert … So was passiert dann leichter, wenn sich Strukturen verfestigen, und Strukturen verfestigen sich dann vor allem, wenn dann eben über Jahrzehnte lang eine Partei die jeweilige Vorherrschaft hat und Strukturen prägt.
Dobovisek: Freundschaft spielt ja eine große Rolle in Bayern. Können Sie das mal für uns ein bisschen erläutern, ein bisschen erklären?
Münch: Diese freundschaftlichen Bande, ich meine, man kennt sich, man kennt sich aus diesen verschiedenen Zusammenkünften, man kennt sich aus den Vereinen, von den Festen her, das gehört zu Bayern schon dazu, vor allem natürlich auf dem Land, aber durchaus auch in den größeren Städten spielt es eine Rolle, und es waren immer die, das sind immer die Gegebenheiten, wo die CSU eben besonders gut punkten kann. Das fiel der Landtagsopposition bis jetzt immer sehr schwer, der SPD, die hat da nie so richtig Fuß gefasst in diesen Freundschaftsklüngeln, in diesen Vereinsbünden, in diesen Männerbünden ja auch sehr häufig. Da hat die CSU von Anfang an, seit es den bayrischen Freistaat oder seit es die CSU im Freistaat gibt, immer einen gewissen Vorteil gehabt, und die anderen Parteien tun sich damit ein bisschen schwerer. Diese Geschäfte auf Gegenseitigkeit – das ist ja nichts Illegales von vornherein, aber dann ist natürlich, wenn diese Nähe entsteht, ist es unter Umständen dann mal eine Verquickung von tatsächlich Freundschaft und Beruflichem, und dann kann es unter Umständen problematisch werden.
Dobovisek: Haben Seehofer und Co, also die Parteiführung, einen problematischen Umgang mit ihren Spezis?
Münch: Also sie sollten einen kritischeren Umgang haben, ob er jetzt per se gleich problematisch ist, aber man sollte ihn kritischer haben. Ich meine, natürlich, das Resultat darf ja nicht sein, dass man keine Freunde mehr haben darf als Politiker, das wäre grauenhaft, weil dann geht endgültig niemand mehr in die Politik – so schön ist der Beruf jetzt auch wieder nicht –, wenn man im Grunde alles nur noch unter größten Transparenzmaßstäben und von vornherein die Kritik antizipieren muss. Also Freundschaft muss es auch für einen Politiker geben, selbstverständlich. Aber bei manchen, bei diesen engen Beziehungen, da muss man stärker drauf achten, ist es tatsächlich noch etwas, was man nach außen hin wirklich rechtfertigen kann, kritischer sein.
Dobovisek: Wo müsste da Ihrer Meinung nach die Linie verlaufen? Wenn wir uns zum Beispiel an den Altbundespräsidenten zurückerinnern, der ja sich hat einladen lassen von Freunden, offenbar – das Verfahren ist ja anhängig –, und in Bayern scheint das ja dann offenbar kein großes Problem zu sein.
Münch: Man muss aufpassen, dass man im Grunde dann keine Geschäfte auf Gegenseitigkeit macht – du lädst mich mal ein, und bei der nächsten Entscheidung kann es sein, dass ich dich besonders wohlwollend berücksichtige. Also da müsste man im Grunde von vornherein einerseits deutlich machen, jemand ist mein Freund, aber ihn nicht besser, nicht schlechter behandeln. Aber es darf natürlich auch nicht auf eine Schlechterbehandlung rauslaufen, und das ist immer die Schwierigkeit: Wenn ich jetzt niemanden mehr, der mein Freund ist, auch nur noch mit dem irgendwie zusammenarbeiten darf, dann ist das natürlich auch wieder eine schlechte Behandlung. Also das ist im Grunde genau die Schwierigkeit, die durch diese langen tradierten Strukturen auftritt, das würde dann sich ein bisschen ändern, wenn auch die anderen Parteien da etwas stärker in Bayern Fuß fassen und auch das eine oder andere nach außen hin stärker dringt. Und ich gehe mal davon aus, dass das auch passieren wird.
Dobovisek: Das klingt ja so, Frau Münch, als würden Sie aufrufen, die SPD zu wählen.
Münch: Das rufe ich nicht auf, ich rufe dazu auf, dass man als Bürger auch selber ein bisschen kritischer hinschaut. Und ich meine, das ist ja nicht nur in der großen Politik so, ich meine, das ist ja auch in den, auf der Ortsebene, auf der lokalen Ebene so, dass da die eine Hand die andere wäscht, und insofern, also diejenigen, die jetzt laut über die CSU und über die Politiker im Landtag rufen und schreien und sich beklagen, müssen natürlich auch mal gucken, wie sie es eigentlich im Ort machen, wie sie die Verhältnisse und die Beziehung zwischen dem Gemeinderat und dem Turnverein und dem Fußballverein gestalten. Das ist genau das Gleiche. Und deshalb rufe ich nicht zur Wahl einer bestimmten Partei auf, sondern zu etwas mehr, im Grunde zu etwas mehr Reflexion und nicht nur zum Schimpfen über die große Politik, sondern auch zu gucken, macht man das im Kleinen nicht genau so.
Dobovisek: Sie sagten, Freundschaft mit Politikern solle nicht zu einer Benachteiligung führen. Das gilt ja im Grunde auch für Familienmitglieder, die möglicherweise ja sogar die Qualifikation haben, um in einem Büro eines Abgeordneten zu arbeiten. Warum ist das per se einmal schlecht und wurde 2000 damit auch verboten in Bayern?
Münch: Es ist im Grunde von vornherein so dieses Gefühl, es könnte nach außen hin schlecht wirken. Also das war im Grunde schon damals dieses Antizipieren, wie könnte es wirken. Es ist jetzt tatsächlich der Effekt, dass man jetzt mit der Neuformulierung dieser Regelungen jetzt auch verbieten wird, dass zum Beispiel jemand, der mit einem Abgeordneten verwandt ist, für einen ganz anderen Abgeordneten arbeitet. Also das wird jetzt tatsächlich eintreten. So haben wir mal wieder einen Fall dafür, es hat eine Verhaltensweise gegeben, die zum Teil missbräuchlich war, jetzt wird ganz hart die Bremse gezogen, und dieses Bremse-Ziehen schadet dann im Grunde oder benachteiligt unter Umständen relativ viele Leute, weil eben frühere Generationen gewisse Privilegien nicht ordnungsgemäß genutzt haben. Das ist ein Verhalten, das wir öfters haben, und es ist natürlich problematisch. Also man hat dann tatsächlich als Familienmitglied eines Abgeordneten unter Umständen einen Nachteil, weil man nicht mal mehr für eine andere Fraktion, für einen ganz anderen Abgeordneten unter Umständen arbeiten kann, auch wenn das jetzt vielleicht eher ein theoretisch konstruierter Fall ist.
Dobovisek: Wie schwer ist denn die Last der Fälle Hoeneß und Schmid für die CSU vor dem Wahlkampf?
Münch: Also, Hoeneß muss man sehen – ich meine, da ist jetzt nicht unmittelbar ein Zusammenhang hergestellt. Der Zusammenhang besteht eben über diese Freundschaft und dieses Geflecht, natürlich, das schon, aber ob da jetzt tatsächlich eine Begünstigung daraus erwachsen ist, das müsste sich ja jetzt erst noch zeigen, ob da jetzt tatsächlich die Politik sich unerlaubt verhalten hat. Insgesamt ist es für die Politik ein Problem, was in der Fraktion passiert ist mit den Beschäftigungsverhältnissen, weil das insgesamt die Politik beschädigt, das Ansehen der Landtagsabgeordneten insgesamt, und für die CSU ist es tatsächlich … das kann sie doch Sympathien kosten, wobei kein Mensch weiß, was in den nächsten fünf Monaten noch passiert, ob man das längst wieder vergessen hat. Das hängt jetzt auch sicherlich insgesamt davon ab, wie man jetzt in den nächsten paar Wochen noch mit den Fällen umgeht. Aber es bleibt wieder so ein bisschen was natürlich hängen, erstens die Politik, das halte ich ehrlich gesagt für das Problematischere, und zweitens auch durchaus an der CSU.
Dobovisek: Dann sind wir gespannt, Frau Münch. Ursula Münch ist Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing. Vielen Dank für das Gespräch!
Münch: Gern geschehen, danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Unser Landeskorrespondent Michael Watzke berichtete. Und am Telefon begrüße ich Ursula Münch, sie ist Politikwissenschaftlerin und leitet die Akademie für politische Bildung in Tutzing. Guten Morgen, Frau Münch!
Ursula Münch: Guten Morgen!
Dobovisek: Der frühere CSU-Chef Erwin Huber sagte gestern an dieser Stelle bei uns im Deutschlandfunk, Seehofer und er hätten nicht gewusst, dass Georg Schmid jahrelang seine Frau beschäftigt hatte, und auch nichts von den anderen sogenannten Altfällen. Hören wir einmal gemeinsam, was Huber uns gestern sagte.
Erwin Huber: Ich habe beispielsweise nicht gewusst, dass es solche 17 Altfälle noch gibt, auch Seehofer beispielsweise hat das nicht gewusst. Wie soll man denn das wissen? Es ist nicht so, dass Kollektivwissen darüber da war, und das wird jetzt beendet.
Dobovisek: Klingt das für Sie plausibel, Frau Münch?
Münch: Grundsätzlich schon, also ich meine, dass man nicht unbedingt weiß als Kollege, wen der andere beschäftigt, zu welchen Bedingungen, kann schon sein, dass man es zumindest nicht von jedem überblickt. Grundsätzlich sind ja diese ganzen Verträge über das Landtagsamt gelaufen, also dass das die Kollegen nicht unmittelbar vielleicht mitbekommen. Aber ich gehe davon aus, dass zum Beispiel im jeweiligen Bezirksverband der CSU, zum Beispiel jetzt beim Herrn Schmid im Bezirksverband Schwaben, natürlich, dass die Kollegen gewusst haben, dass seine Frau für ihn arbeitet. Hätten sie es nicht gewusst, würde das ja bedeuten, die Frau müsste relativ wenig gearbeitet haben. Also da gehe ich schon mal davon aus, dass es im engeren Umfeld schon bekannt war, aber es hat halt niemanden gestört, weil man hat ja auch andere gekannt, die es gemacht haben. Also da ist einiges …
Dobovisek: Sozusagen das bayrische "Das war schon immer so"?
Münch: Ja, ich meine, da hat sich so ein bisschen was eingeschliffen, und tatsächlich war diese Sensibilität, dass es eine Übergangsregelung war und dass das hätte auslaufen sollen, bei allen Seiten nicht vorhanden – im Nachhinein unverständlich, aber auch die Opposition hat es anscheinend nie zu einem großen Thema gemacht. Es wundert einen, dass so was passieren kann, aber offensichtlich ist es eben passiert.
Dobovisek: Eine Übergangsregel, die inzwischen 13 Jahre andauerte – was sagt uns das über die bayrische Politik und die Moral?
Münch: Das sagt uns, dass solche Sachen sich einschleifen, wenn eine Partei sehr, sehr lange das Sagen hat. Das kann auch in anderen Ländern passieren. Das passiert … So was passiert dann leichter, wenn sich Strukturen verfestigen, und Strukturen verfestigen sich dann vor allem, wenn dann eben über Jahrzehnte lang eine Partei die jeweilige Vorherrschaft hat und Strukturen prägt.
Dobovisek: Freundschaft spielt ja eine große Rolle in Bayern. Können Sie das mal für uns ein bisschen erläutern, ein bisschen erklären?
Münch: Diese freundschaftlichen Bande, ich meine, man kennt sich, man kennt sich aus diesen verschiedenen Zusammenkünften, man kennt sich aus den Vereinen, von den Festen her, das gehört zu Bayern schon dazu, vor allem natürlich auf dem Land, aber durchaus auch in den größeren Städten spielt es eine Rolle, und es waren immer die, das sind immer die Gegebenheiten, wo die CSU eben besonders gut punkten kann. Das fiel der Landtagsopposition bis jetzt immer sehr schwer, der SPD, die hat da nie so richtig Fuß gefasst in diesen Freundschaftsklüngeln, in diesen Vereinsbünden, in diesen Männerbünden ja auch sehr häufig. Da hat die CSU von Anfang an, seit es den bayrischen Freistaat oder seit es die CSU im Freistaat gibt, immer einen gewissen Vorteil gehabt, und die anderen Parteien tun sich damit ein bisschen schwerer. Diese Geschäfte auf Gegenseitigkeit – das ist ja nichts Illegales von vornherein, aber dann ist natürlich, wenn diese Nähe entsteht, ist es unter Umständen dann mal eine Verquickung von tatsächlich Freundschaft und Beruflichem, und dann kann es unter Umständen problematisch werden.
Dobovisek: Haben Seehofer und Co, also die Parteiführung, einen problematischen Umgang mit ihren Spezis?
Münch: Also sie sollten einen kritischeren Umgang haben, ob er jetzt per se gleich problematisch ist, aber man sollte ihn kritischer haben. Ich meine, natürlich, das Resultat darf ja nicht sein, dass man keine Freunde mehr haben darf als Politiker, das wäre grauenhaft, weil dann geht endgültig niemand mehr in die Politik – so schön ist der Beruf jetzt auch wieder nicht –, wenn man im Grunde alles nur noch unter größten Transparenzmaßstäben und von vornherein die Kritik antizipieren muss. Also Freundschaft muss es auch für einen Politiker geben, selbstverständlich. Aber bei manchen, bei diesen engen Beziehungen, da muss man stärker drauf achten, ist es tatsächlich noch etwas, was man nach außen hin wirklich rechtfertigen kann, kritischer sein.
Dobovisek: Wo müsste da Ihrer Meinung nach die Linie verlaufen? Wenn wir uns zum Beispiel an den Altbundespräsidenten zurückerinnern, der ja sich hat einladen lassen von Freunden, offenbar – das Verfahren ist ja anhängig –, und in Bayern scheint das ja dann offenbar kein großes Problem zu sein.
Münch: Man muss aufpassen, dass man im Grunde dann keine Geschäfte auf Gegenseitigkeit macht – du lädst mich mal ein, und bei der nächsten Entscheidung kann es sein, dass ich dich besonders wohlwollend berücksichtige. Also da müsste man im Grunde von vornherein einerseits deutlich machen, jemand ist mein Freund, aber ihn nicht besser, nicht schlechter behandeln. Aber es darf natürlich auch nicht auf eine Schlechterbehandlung rauslaufen, und das ist immer die Schwierigkeit: Wenn ich jetzt niemanden mehr, der mein Freund ist, auch nur noch mit dem irgendwie zusammenarbeiten darf, dann ist das natürlich auch wieder eine schlechte Behandlung. Also das ist im Grunde genau die Schwierigkeit, die durch diese langen tradierten Strukturen auftritt, das würde dann sich ein bisschen ändern, wenn auch die anderen Parteien da etwas stärker in Bayern Fuß fassen und auch das eine oder andere nach außen hin stärker dringt. Und ich gehe mal davon aus, dass das auch passieren wird.
Dobovisek: Das klingt ja so, Frau Münch, als würden Sie aufrufen, die SPD zu wählen.
Münch: Das rufe ich nicht auf, ich rufe dazu auf, dass man als Bürger auch selber ein bisschen kritischer hinschaut. Und ich meine, das ist ja nicht nur in der großen Politik so, ich meine, das ist ja auch in den, auf der Ortsebene, auf der lokalen Ebene so, dass da die eine Hand die andere wäscht, und insofern, also diejenigen, die jetzt laut über die CSU und über die Politiker im Landtag rufen und schreien und sich beklagen, müssen natürlich auch mal gucken, wie sie es eigentlich im Ort machen, wie sie die Verhältnisse und die Beziehung zwischen dem Gemeinderat und dem Turnverein und dem Fußballverein gestalten. Das ist genau das Gleiche. Und deshalb rufe ich nicht zur Wahl einer bestimmten Partei auf, sondern zu etwas mehr, im Grunde zu etwas mehr Reflexion und nicht nur zum Schimpfen über die große Politik, sondern auch zu gucken, macht man das im Kleinen nicht genau so.
Dobovisek: Sie sagten, Freundschaft mit Politikern solle nicht zu einer Benachteiligung führen. Das gilt ja im Grunde auch für Familienmitglieder, die möglicherweise ja sogar die Qualifikation haben, um in einem Büro eines Abgeordneten zu arbeiten. Warum ist das per se einmal schlecht und wurde 2000 damit auch verboten in Bayern?
Münch: Es ist im Grunde von vornherein so dieses Gefühl, es könnte nach außen hin schlecht wirken. Also das war im Grunde schon damals dieses Antizipieren, wie könnte es wirken. Es ist jetzt tatsächlich der Effekt, dass man jetzt mit der Neuformulierung dieser Regelungen jetzt auch verbieten wird, dass zum Beispiel jemand, der mit einem Abgeordneten verwandt ist, für einen ganz anderen Abgeordneten arbeitet. Also das wird jetzt tatsächlich eintreten. So haben wir mal wieder einen Fall dafür, es hat eine Verhaltensweise gegeben, die zum Teil missbräuchlich war, jetzt wird ganz hart die Bremse gezogen, und dieses Bremse-Ziehen schadet dann im Grunde oder benachteiligt unter Umständen relativ viele Leute, weil eben frühere Generationen gewisse Privilegien nicht ordnungsgemäß genutzt haben. Das ist ein Verhalten, das wir öfters haben, und es ist natürlich problematisch. Also man hat dann tatsächlich als Familienmitglied eines Abgeordneten unter Umständen einen Nachteil, weil man nicht mal mehr für eine andere Fraktion, für einen ganz anderen Abgeordneten unter Umständen arbeiten kann, auch wenn das jetzt vielleicht eher ein theoretisch konstruierter Fall ist.
Dobovisek: Wie schwer ist denn die Last der Fälle Hoeneß und Schmid für die CSU vor dem Wahlkampf?
Münch: Also, Hoeneß muss man sehen – ich meine, da ist jetzt nicht unmittelbar ein Zusammenhang hergestellt. Der Zusammenhang besteht eben über diese Freundschaft und dieses Geflecht, natürlich, das schon, aber ob da jetzt tatsächlich eine Begünstigung daraus erwachsen ist, das müsste sich ja jetzt erst noch zeigen, ob da jetzt tatsächlich die Politik sich unerlaubt verhalten hat. Insgesamt ist es für die Politik ein Problem, was in der Fraktion passiert ist mit den Beschäftigungsverhältnissen, weil das insgesamt die Politik beschädigt, das Ansehen der Landtagsabgeordneten insgesamt, und für die CSU ist es tatsächlich … das kann sie doch Sympathien kosten, wobei kein Mensch weiß, was in den nächsten fünf Monaten noch passiert, ob man das längst wieder vergessen hat. Das hängt jetzt auch sicherlich insgesamt davon ab, wie man jetzt in den nächsten paar Wochen noch mit den Fällen umgeht. Aber es bleibt wieder so ein bisschen was natürlich hängen, erstens die Politik, das halte ich ehrlich gesagt für das Problematischere, und zweitens auch durchaus an der CSU.
Dobovisek: Dann sind wir gespannt, Frau Münch. Ursula Münch ist Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing. Vielen Dank für das Gespräch!
Münch: Gern geschehen, danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.