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"Da sehe ich große Probleme"

Laut Energiegutachten der Bundesregierung geht man von einem Anstieg der Biomasse von bisher fünf auf 30 Prozent aus. Das sei mit Nachhaltigkeitsaspekten nicht vereinbar, kritisiert Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung - zumal wenn die Produktion in Deutschland stattfinden sollte.

Claudia Kemfert im Gespräch mit Britta Fecke |
    Britta Fecke: Das Energiegutachten der Bundesregierung wurde in den letzten Tagen vor allem wegen seiner unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten bei der Verlängerung der AKW-Laufzeiten diskutiert. Nun ist aber ein weiterer Aspekt in den Fokus geraten, nämlich der empfohlene Ausbau der erneuerbaren Energieträger und dort besonders die Biomasse.

    Der Anteil der nachwachsenden Rohstoffe am gesamten Energieverbrauch soll nach Empfehlung der Gutachter von bisher fünf Prozent auf knapp 30 Prozent steigen.

    Ich bin jetzt verbunden mit Claudia Kemfert, Energieexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Frau Kemfert, was bedeutet denn der Ausbau der Biomasse in dieser Größenordnung für die Förderung der anderen erneuerbaren Energieträger wie Wind und Wasserkraft?

    Claudia Kemfert: Ich bin schon etwas erstaunt, dass entsprechend dieser Roh- oder Biomasseanteil insbesondere im Verkehrssektor dort angenommen wird, denn gerade im Mobilitätsbereich haben wir natürlich auch viele andere Bereiche, ob das jetzt Wasserstoff ist, oder die Elektromobilität, wo ich erwartet hätte, dass man entsprechend höhere Anteile in 40 Jahren sehen wird.

    Dieser hohe Biomasseanteil ist problematisch. Er ist mit Nachhaltigkeitsaspekten nicht vereinbar. Er würde auch entsprechend hohe Preise verursachen, gerade im Bereich Biomasse, und eine enorme Konkurrenz auch zur Nahrungsmittelproduktion hier bedeuten, insbesondere auch deshalb, weil das Gutachten davon ausgeht, dass nicht dieser Biomasseanteil importiert wird, sondern im Land produziert wird. Nur ein kleiner Teil, 20 Prozent, soll importiert werden. Das ist zu wenig und aus meiner Sicht auch sehr schwer zu erreichen.

    Fecke: Sie sprachen schon die Konkurrenz an mit der Nahrungsmittelproduktion. Wo sollen denn die Massen an Raps für Biosprit und Holz für Energiegewinnung überhaupt angebaut werden?

    Kemfert: Die Flächen gibt es natürlich schon, aber es gibt eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Es gibt aber Flächen in Osteuropa oder auch in Russland, wo man entsprechende Gutachten auch in der Vergangenheit angefertigt hat, wo man solche Größenordnungen produzieren könnte. Aber das Gutachten geht ja davon aus, dass es in Deutschland produziert wird. Also da sehe ich große Probleme und das halte ich auch für sehr, sehr schwer machbar.

    Fecke: Der Anbau wäre ja dann wie zum Beispiel bei Raps in Monokultur. Das bedeutet auch einen hohen Pestizideinsatz. Ist denn der Ausbau der Biomasse in diesem Umfang irgendwie nachhaltig beziehungsweise umweltverträglich umsetzbar?

    Kemfert: Es gibt Studien, die das verneinen, denn es gibt ja auch Studien vom Bundesumweltministerium, die mal die Biomassepotenziale in Deutschland auch gerade nachhaltig produziert errechnet haben, und die gehen ungefähr von der Hälfte aus, was das Gutachten hier annimmt. Da muss man schon sagen, das ist schwer mit Nachhaltigkeitskriterien vereinbar, zumal wenn man nicht davon ausgeht, dass dieser Biomasseanteil importiert, sondern in Deutschland 80 Prozent in dieser Größenordnung angebaut werden soll. Das ist sehr schwer mit Nachhaltigkeitskriterien vereinbar.

    Fecke: Der Ausbau der Windenergie soll nach den Szenarien der Gutachter bis 2020 zum Erliegen kommen. Was halten Sie davon?

    Kemfert: Das ist der nächste Punkt, der für mich überhaupt nicht nachvollziehbar ist, zumal das Bundesumweltministerium ja selber von deutlich höheren Offshore-Wind-Ausbaupotenzialen ausgeht. Die Studie sagt, 17 Gigawatt im Jahre 2030, das BMU selber nimmt 25 Gigawatt an. Also da gibt es schon allein eine Differenz, die nicht nachvollziehbar ist.

    Ich glaube auch, dass die Offshore-Wind-Potenziale hier massiv unterschätzt werden, denn gerade diese Potenziale sind natürlich riesig und man muss natürlich dann die Infrastruktur ausbauen und die Speicherung ist ja ein wichtiger Aspekt, und da ist natürlich auch eine Chance vertan, weil als Speicher könnte natürlich auch Methan oder Wasserstoff herhalten, eben für die Mobilität, denn die erneuerbaren Energien brauchen ja Speicher und die Mobilität könnte diesen Speicher liefern. Da hätte ich mir mehr erwartet, dass das auch in der Studie abgebildet wird.

    Fecke: Den einen Aspekt würde ich noch mal herausgreifen, Speicherung Wasserstoff. Was ist denn jetzt mit dem Ausbau der Elektromobilität, den die Bundesregierung ja eigentlich immer so prophezeit hat?

    Kemfert: Ja. Wenn das politische Vorgaben sind in dem Gutachten, dann kann man nur sagen, dann nimmt es die Bundesregierung nicht ernst mit der Elektromobilität und auch nicht mit dem Ausbau von Wasserstoff. Das ist sehr schade, weil als Speichermedium gerade Wasserstoff oder auch Biogas, Methan, was man mit erneuerbaren Energien produzieren kann, ein sehr, sehr guter Speicher wäre, auch zur Abfederung von Volatilitäten im Bereich erneuerbare Energien. Da vertut man, glaube ich, eine Chance, wenn man das nicht mit reinrechnet, und ich hoffe nicht, dass es politische Vorgaben sind, weil das würde ja bedeuten, dass die Bundesregierung es gar nicht ernst meint mit Elektromobilität, oder auch mit dem Ausbau von Wasserstoff, oder Elektromobilität.

    Fecke: Vielen Dank für diese Einschätzung an Claudia Kemfert, Energieexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Wir bitten, die Qualität der Leitung zu entschuldigen, wir mussten Frau Kemfert aus einem Kongress holen.

    Kemfert: Danke Ihnen!