Bettina Klein: Angeblich gar nicht überschattet von den neuesten Enthüllungen zur Steuerflucht des Präsidenten gestaltet der FC Bayern heute zu Hause in München das erste Halbfinalspiel in der Champions League gegen Barcelona. Auch Uli Hoeneß wird auf der Tribüne sitzen. Aber wenn es so läuft wie bei der Pressekonferenz gestern, dann werden keinerlei Fragen zum Thema Selbstanzeige etwa beantwortet.
Von den sportlichen dann doch noch mal zu den politischen Aspekten im Fall Hoeneß. Mein Kollege Peter Kapern sprach darüber gestern Abend mit Manfred Lehmann, er ist Vorsitzender der Steuergewerkschaft in Nordrhein-Westfalen, und er fragte ihn, was es eigentlich für die Steuergerechtigkeit bedeutet hätte, wenn das letztlich geplatzte Steuerabkommen mit der Schweiz zustande gekommen wäre.
Manfred Lehmann: Das Steuerabkommen hätte die Anonymität gewährleistet. Das hätte dazu geführt, dass sich Steuerhinterzieher nicht offenbaren müssen und damit viel bessergestellt werden als jemand, der eine Selbstanzeige aufgibt, oder der in der Vergangenheit die verschiedenen Amnestien genutzt hat. Insofern wäre das Abkommen quasi in so eine neutrale Zone hineingelaufen, und jetzt ist es anders: Jetzt muss man sich offenbaren, wie man sieht.
Peter Kapern: Ist dieser Fall um Uli Hoeneß das richtige Beispiel, um jetzt die Debatte um das Steuerabkommen mit der Schweiz noch einmal aufzuwerfen?
Lehmann: Meines Erachtens nach ist es das nicht, weil das Steuerabkommen war zum einen erledigt, zum anderen in seinen Inhalten an verschiedenen Stellen problematisch. Der Fall Hoeneß ist eine klassische Selbstanzeige, da geht es um die Vollständigkeit und da geht es am Ende eigentlich darum, dass wir dieses Instrument schon immer hatten. Ich glaube also, man sollte das Steuerabkommen thematisch ruhen lassen, ein besseres kriegen wir nicht, und als Nächstes wäre dann internationaler Druck auf Datenaustausch auszuüben.
Kapern: Aber gleichwohl möchte ich noch mal nachfragen, Herr Lehmann. Ihr Verband hat ja das Scheitern des Steuerabkommens begrüßt. Gleichwohl müssen wir jetzt feststellen, dass wir quasi eine Amnestie durch Verjährung bekommen, wenn nämlich diese Steuerhinterzieher in der Schweiz jetzt nicht auffliegen und sich nicht selbst anzeigen.
Lehmann: Das ist so. Durch das fehlende Abkommen hat man zumindest keine Zäsur in diesem Jahr. Umso wichtiger ist es, dass man jetzt sehr schnell zu internationalen Lösungen kommt, damit eben diese Verjährung nicht laufend fortgesetzt eintritt. Auf der anderen Seite ist halt die Frage, wie man abwägt. Klar: Mit dem Steuerabkommen wäre mehr Geld reingekommen, als wenn man auf Anzeigen oder auf CDs setzt. Auf der anderen Seite wäre aber die Steuerhinterziehung quasi salonfähig gemacht worden, und da steht Moral gegen Moneten.
Kapern: Und warum muss sich der Staat gegen die Moneten und für die Moral entscheiden?
Lehmann: Weil die Bürgerinnen und Bürger, die immer ehrlich ihre Steuern zahlen und sich dabei offenbaren und offen mit dem Finanzamt umgehen, diese Bürgerinnen und Bürger haben es einfach nicht verdient, dass diejenigen, die sich permanent am Staat vorbei drücken, am Ende auch noch straffrei wegkommen. Dann lieber die Gefahr erhöhen, entdeckt zu werden, dann lieber die Gefahr erhöhen, dass man dafür dann auch bestraft wird, wenn man sich am Staat vorbeimogelt. Also im Interesse des normalen Steuerzahlers ist die jetzige Lösung die bessere.
Kapern: Aber der Bundesfinanzminister verweist darauf, dass man mit dem Abkommen ganze Fischschwärme gefangen hätte, während jetzt nur einzelne Fische ins Netz gehen, und er muss es wissen, denn schließlich verwaltet er die deutschen Schuldenberge, die ja durch das Geld hätten abgebaut werden können.
Lehmann: Ja das ist eben der Punkt, wenn man darauf setzt, möglichst viel Geld einzunehmen. Dann wäre das mit dem Abkommen gegangen. Aber ist denn der Preis okay, dass diejenigen, die ehrlich Steuern zahlen, sich dann anschließend betrogen fühlen und sich fragen müssen, was habe ich hier eigentlich gemacht? Sämtliche Selbstanzeigen der Vergangenheit, alles, was die Steuerfahndung bisher ermittelt hätte, wäre in diesem Zusammenhang einfach entwertet worden, und das steht gegen den reinen finanziellen Vorteil.
Kapern: Herr Lehmann, noch ein anderer Punkt am Fall Hoeneß ist interessant. Die SPD will jetzt genau wissen, warum und wann Horst Seehofer, der bayerische Ministerpräsident, informiert worden ist über den Fall Hoeneß. Er hat ja selbst gesagt, er sei seit Langem darüber auf dem laufenden gehalten worden. Ist das eigentlich üblich in der Landespolitik, dass der Regierungschef von den Finanzbehörden über die großen Steuerfälle in seinem Land informiert wird?
Lehmann: Es ist nicht unüblich. In besonderen Fällen von überragender Bedeutung wird auf jeden Fall der Finanzminister informiert, und dann will ich nicht ausschließen, dass an der einen oder anderen Stelle dann auch mal bei Gesprächen das Thema angesprochen wird. Aber es ist definitiv der Ausnahmefall, es mag dann hier der Größe des Problems geschuldet sein.
Kapern: Ist das problematisch, wenn ein Politiker, der auch eine inhaltliche Nähe zum Beschuldigten in so einem Steuerverfahren hat, über den Gang der Dinge auf dem laufenden gehalten wird?
Lehmann: Verantwortliche Politiker müssen im Zweifelsfalle so informiert werden, dass sie tatsächlich auch entsprechend handeln können. Ein Finanzminister muss über extreme Fälle bescheid wissen, wenn sie dann anschließend vielleicht auch mit Öffentlichkeit einhergehen, und ein Ministerpräsident, der sich vielleicht vorbehält, in extremen Fällen informiert zu werden. Ich halte das auch für richtig. Das lässt sich nicht ändern, denn wie steht ein Ministerpräsident da, der morgens der Zeitung entnehmen muss, was in diesen Fällen passiert sein könnte.
Kapern: Das heißt, das Misstrauen der SPD in dieser Sache ist unbegründet?
Lehmann: Na ja, ich stelle mir vor, dass die SPD vielmehr darauf abstellt, ob denn die Selbstanzeige, die hier eingereicht worden ist, wie denn da die Informationen weitergegangen sind. Das ist auch ein Thema, was uns als Steuergewerkschaft umtreibt. Selbstanzeigen sind normalerweise vertraulich. Deswegen unterliegen sie dem Steuergeheimnis. Da darf natürlich ein Ministerpräsident von wissen, wenn er dann nichts weitersagt. Aber wie konnte es passieren, dass es an die Öffentlichkeit kommt? Ich kann mir vorstellen, dass es bei den Fragen auch darum geht, wie diese Wege gelaufen sind, und vor allen Dingen, ob die Selbstanzeige rechtzeitig eingegangen ist, oder ob vielleicht einer sogar vor der Selbstanzeige einen Hinweis hatte.
Kapern: Halten Sie das für möglich?
Lehmann: Ich würde es nicht ausschließen, aber ich halte es im Moment nicht für sehr wahrscheinlich.
Klein: Manfred Lehmann, der Vorsitzende der Steuergewerkschaft in Nordrhein-Westfalen, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Die Fragen stellte Peter Kapern.
Von den sportlichen dann doch noch mal zu den politischen Aspekten im Fall Hoeneß. Mein Kollege Peter Kapern sprach darüber gestern Abend mit Manfred Lehmann, er ist Vorsitzender der Steuergewerkschaft in Nordrhein-Westfalen, und er fragte ihn, was es eigentlich für die Steuergerechtigkeit bedeutet hätte, wenn das letztlich geplatzte Steuerabkommen mit der Schweiz zustande gekommen wäre.
Manfred Lehmann: Das Steuerabkommen hätte die Anonymität gewährleistet. Das hätte dazu geführt, dass sich Steuerhinterzieher nicht offenbaren müssen und damit viel bessergestellt werden als jemand, der eine Selbstanzeige aufgibt, oder der in der Vergangenheit die verschiedenen Amnestien genutzt hat. Insofern wäre das Abkommen quasi in so eine neutrale Zone hineingelaufen, und jetzt ist es anders: Jetzt muss man sich offenbaren, wie man sieht.
Peter Kapern: Ist dieser Fall um Uli Hoeneß das richtige Beispiel, um jetzt die Debatte um das Steuerabkommen mit der Schweiz noch einmal aufzuwerfen?
Lehmann: Meines Erachtens nach ist es das nicht, weil das Steuerabkommen war zum einen erledigt, zum anderen in seinen Inhalten an verschiedenen Stellen problematisch. Der Fall Hoeneß ist eine klassische Selbstanzeige, da geht es um die Vollständigkeit und da geht es am Ende eigentlich darum, dass wir dieses Instrument schon immer hatten. Ich glaube also, man sollte das Steuerabkommen thematisch ruhen lassen, ein besseres kriegen wir nicht, und als Nächstes wäre dann internationaler Druck auf Datenaustausch auszuüben.
Kapern: Aber gleichwohl möchte ich noch mal nachfragen, Herr Lehmann. Ihr Verband hat ja das Scheitern des Steuerabkommens begrüßt. Gleichwohl müssen wir jetzt feststellen, dass wir quasi eine Amnestie durch Verjährung bekommen, wenn nämlich diese Steuerhinterzieher in der Schweiz jetzt nicht auffliegen und sich nicht selbst anzeigen.
Lehmann: Das ist so. Durch das fehlende Abkommen hat man zumindest keine Zäsur in diesem Jahr. Umso wichtiger ist es, dass man jetzt sehr schnell zu internationalen Lösungen kommt, damit eben diese Verjährung nicht laufend fortgesetzt eintritt. Auf der anderen Seite ist halt die Frage, wie man abwägt. Klar: Mit dem Steuerabkommen wäre mehr Geld reingekommen, als wenn man auf Anzeigen oder auf CDs setzt. Auf der anderen Seite wäre aber die Steuerhinterziehung quasi salonfähig gemacht worden, und da steht Moral gegen Moneten.
Kapern: Und warum muss sich der Staat gegen die Moneten und für die Moral entscheiden?
Lehmann: Weil die Bürgerinnen und Bürger, die immer ehrlich ihre Steuern zahlen und sich dabei offenbaren und offen mit dem Finanzamt umgehen, diese Bürgerinnen und Bürger haben es einfach nicht verdient, dass diejenigen, die sich permanent am Staat vorbei drücken, am Ende auch noch straffrei wegkommen. Dann lieber die Gefahr erhöhen, entdeckt zu werden, dann lieber die Gefahr erhöhen, dass man dafür dann auch bestraft wird, wenn man sich am Staat vorbeimogelt. Also im Interesse des normalen Steuerzahlers ist die jetzige Lösung die bessere.
Kapern: Aber der Bundesfinanzminister verweist darauf, dass man mit dem Abkommen ganze Fischschwärme gefangen hätte, während jetzt nur einzelne Fische ins Netz gehen, und er muss es wissen, denn schließlich verwaltet er die deutschen Schuldenberge, die ja durch das Geld hätten abgebaut werden können.
Lehmann: Ja das ist eben der Punkt, wenn man darauf setzt, möglichst viel Geld einzunehmen. Dann wäre das mit dem Abkommen gegangen. Aber ist denn der Preis okay, dass diejenigen, die ehrlich Steuern zahlen, sich dann anschließend betrogen fühlen und sich fragen müssen, was habe ich hier eigentlich gemacht? Sämtliche Selbstanzeigen der Vergangenheit, alles, was die Steuerfahndung bisher ermittelt hätte, wäre in diesem Zusammenhang einfach entwertet worden, und das steht gegen den reinen finanziellen Vorteil.
Kapern: Herr Lehmann, noch ein anderer Punkt am Fall Hoeneß ist interessant. Die SPD will jetzt genau wissen, warum und wann Horst Seehofer, der bayerische Ministerpräsident, informiert worden ist über den Fall Hoeneß. Er hat ja selbst gesagt, er sei seit Langem darüber auf dem laufenden gehalten worden. Ist das eigentlich üblich in der Landespolitik, dass der Regierungschef von den Finanzbehörden über die großen Steuerfälle in seinem Land informiert wird?
Lehmann: Es ist nicht unüblich. In besonderen Fällen von überragender Bedeutung wird auf jeden Fall der Finanzminister informiert, und dann will ich nicht ausschließen, dass an der einen oder anderen Stelle dann auch mal bei Gesprächen das Thema angesprochen wird. Aber es ist definitiv der Ausnahmefall, es mag dann hier der Größe des Problems geschuldet sein.
Kapern: Ist das problematisch, wenn ein Politiker, der auch eine inhaltliche Nähe zum Beschuldigten in so einem Steuerverfahren hat, über den Gang der Dinge auf dem laufenden gehalten wird?
Lehmann: Verantwortliche Politiker müssen im Zweifelsfalle so informiert werden, dass sie tatsächlich auch entsprechend handeln können. Ein Finanzminister muss über extreme Fälle bescheid wissen, wenn sie dann anschließend vielleicht auch mit Öffentlichkeit einhergehen, und ein Ministerpräsident, der sich vielleicht vorbehält, in extremen Fällen informiert zu werden. Ich halte das auch für richtig. Das lässt sich nicht ändern, denn wie steht ein Ministerpräsident da, der morgens der Zeitung entnehmen muss, was in diesen Fällen passiert sein könnte.
Kapern: Das heißt, das Misstrauen der SPD in dieser Sache ist unbegründet?
Lehmann: Na ja, ich stelle mir vor, dass die SPD vielmehr darauf abstellt, ob denn die Selbstanzeige, die hier eingereicht worden ist, wie denn da die Informationen weitergegangen sind. Das ist auch ein Thema, was uns als Steuergewerkschaft umtreibt. Selbstanzeigen sind normalerweise vertraulich. Deswegen unterliegen sie dem Steuergeheimnis. Da darf natürlich ein Ministerpräsident von wissen, wenn er dann nichts weitersagt. Aber wie konnte es passieren, dass es an die Öffentlichkeit kommt? Ich kann mir vorstellen, dass es bei den Fragen auch darum geht, wie diese Wege gelaufen sind, und vor allen Dingen, ob die Selbstanzeige rechtzeitig eingegangen ist, oder ob vielleicht einer sogar vor der Selbstanzeige einen Hinweis hatte.
Kapern: Halten Sie das für möglich?
Lehmann: Ich würde es nicht ausschließen, aber ich halte es im Moment nicht für sehr wahrscheinlich.
Klein: Manfred Lehmann, der Vorsitzende der Steuergewerkschaft in Nordrhein-Westfalen, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Die Fragen stellte Peter Kapern.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.