Dirk-Oliver Heckmann: Angefangen hatte alles mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das hatte entschieden, die Regelsätze von Hartz-IV-Beziehern seien völlig willkürlich zu Stande gekommen, vor allem die Kosten, die mit der Bildung der Kinder zusammenhängen, müssten in Zukunft berücksichtigt werden. Monatelang hatten daraufhin Regierung und Opposition miteinander gerungen, denn Schwarz-Gelb hat ja seit geraumer Zeit keine eigene Mehrheit im Bundesrat mehr. Das Ergebnis: das sogenannte Bildungspaket der Bundesregierung, das seit dem 1. April rückwirkend beantragt werden kann. Das Problem: Kaum ein Berechtigter hat bisher entsprechende Hilfen beantragt. Für heute hat die zuständige Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Ursula von der Leyen von der CDU, zu einem Runden Tisch eingeladen.
Und beim runden Tisch in Berlin dabei ist Gerd Landsberg, er ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, und ihn begrüße ich jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen!
Gerd Landsberg: Guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Herr Landsberg, die Zahl derjenigen, die bisher einen Antrag gestellt haben, liegt in Großstädten zumindest bei etwa zwei Prozent. Wie viele sind es bei Ihnen in den Gemeinden?
Landsberg: Inzwischen ist das eigentlich überholt. Die Zahl zwei Prozent beruhte ja auf einer Umfrage Anfang letzter Woche. Nun hat es ja diese Medienkampagne gegeben, auch unser Gespräch gehört ja letztlich dazu. Wir haben also deutliche Zunahme der Anträge und ich bin sicher, dass am Ende die meisten den Antrag stellen werden. Es wäre übrigens das erste Mal in der Geschichte, dass wir Sozialleistungen nicht los werden. Man muss einfach auch sehen: Das Gesetz ist erst am 29. März ins Gesetzblatt gekommen, wir haben jetzt mal gerade Mitte April, niemand hat erwartet, dass die Leute in Doppelreihe stehen, um dort diese Anträge auszufüllen und zu beantragen. Das braucht etwas Zeit und ich halte diese Aufgeregtheit, die in den Medien, auch in Ihrem Vorbericht zum Ausdruck gekommen ist, für völlig unangemessen.
Heckmann: Was ist denn der Grund dafür aus Ihrer Sicht, dass bisher so wenige Personen den Antrag gestellt haben?
Landsberg: Zunächst mal liegt das daran, dass die Informationen natürlich auch erst bei den Bürgern und den Betroffenen ankommen müssen. Es liegt sicherlich auch daran, dass bei bestimmten Bereichen im Moment der Bedarf nicht ist. Sie stellen keinen Antrag, Kosten eines Schulausfluges ersetzt zu bekommen, wenn der Schulausflug nicht ansteht. Es kommt hinzu, das ist ja auch thematisiert worden im Vorbericht, so weit es um Förderunterricht geht, müssen die Länder – wir leben nun mal in einer Bürokratie – entsprechende Erlasse der Schulministerien herausgeben, die liegen teilweise nicht vor. Man muss auch wissen, es sind 2,5 Millionen Leistungsempfänger, das dauert etwas. Aber ich bin eigentlich zuversichtlich, dass es am Ende funktionieren wird.
Heckmann: Ich schlage mal vor, Herr Landsberg, wir hören mal kurz rein, was Ursula von der Leyen, die zuständige Ministerin, am Montag im "Morgenmagazin" von ARD und ZDF dazu gesagt hat.
O-Ton Ursula von der Leyen: Jetzt müssen wir uns mit den Kommunen, die das ja umsetzen – die wollten ja auch das Bildungspaket umsetzen -, dass diese Kommunen vor Ort jetzt werben, dass wir gemeinsam informieren, dass wir auch mal nachfragen bundesseitig: Habt ihr genügend Leute, die sich darum kümmern. Wir zahlen das ja alles bundesseitig. Das ist jetzt das Ziel.
Heckmann: So weit Ursula von der Leyen. – Herr Landsberg, haben Sie auch das Gefühl, dass Frau von der Leyen Ihnen da ein bisschen den schwarzen Peter zuschieben möchte?
Landsberg: Das glaube ich nicht. Es ist schon richtig, dass wir die Informationen verbessern müssen, übrigens nicht nur unsere, sondern natürlich auch die des Ministeriums. Ich habe am letzten Samstag mit der Ministerin gesprochen und wir haben auch schon Vorschläge unterbreitet, wie man die Informationssituation verbessern kann. Da muss man wissen: Es geht ja nicht nur um die Informationen an die Betroffenen, es geht zum Beispiel auch um die Informationen der Lehrer, der Erzieher in den Kindergärten, und das kann man deutlich besser machen. Es gibt übrigens Gemeinden, die haben auf YouTube Filme. Das ist sehr unterschiedlich und darüber werden wir sprechen, dass man vom Guten lernt und versucht, das dann auch in die Breite zu bringen.
Das Ganze hat übrigens auch schon interessante Nebenaspekte gehabt. Es gibt zum Beispiel die ersten Orchester in Bayern, die für zehn Euro diesen Kindern beibringen, wie man ein Instrument spielt. Das ist etwas Freiwilliges, Zusätzliches. Also das zeigt, es ist nicht alles so dramatisch wie die Kritik, die teilweise da geäußert wird.
Heckmann: Jetzt soll ja jeder Berechtigte schriftlich informiert werden. Das Ministerium in Berlin hat gesagt, diese Informationen sollen die Kommunen übernehmen. Wie begeistert sind Sie von diesem Vorschlag?
Landsberg: Wir werden heute darüber sprechen. Grundsätzlich ist das denkbar. Man muss ja wissen, überwiegend sind es ja Erwerbslose, die haben sowieso ja regelmäßigen sowohl brieflichen wie persönlichen Kontakt zum Job-Center. Der Berater weiß natürlich, das ist jemand, der Kinder hat, und kann natürlich dann auch die entsprechende Information transportieren. Ob das das individuelle Anschreiben sein muss, das weiß ich nicht, aber ich würde mich da auch gar nicht gegen wehren wollen.
Heckmann: SPD und Grüne, Herr Landsberg, hatten ja gefordert, es sei besser, das Geld direkt in die Vereine und Schulen zu geben. Wäre das nicht wirklich die bessere Alternative gewesen, auch angesichts der hohen Verwaltungskosten, die mit dem Programm verbunden sind?
Landsberg: Herr Heckmann, da werden alte Vorurteile und alte Schlachten geschlagen. Natürlich hätten wir als Kommunen das ganz toll gefunden, wenn der Bund gesagt hätte, bitte, eine, zwei Milliarden für Schulen, für Kindergärten. Nur das Verfassungsgericht hat etwas anderes gesagt. Das Verfassungsgericht hat gesagt, es muss einen individuellen Rechtsanspruch auf Teilhabe geben. Und egal was irgendwelche Minister oder Wohlfahrtsverbände erklären, damit ist eine solche Lösung verschlossen. Das muss man einfach akzeptieren! Das ist natürlich auch ein bisschen die deutsche Sehnsucht nach der Einzelfallgerechtigkeit, aber wenn das oberste deutsche Verfassungsgericht sagt, es muss einen individuellen Rechtsanspruch geben, dann kann der Gesetzgeber mitnichten hingehen und sagen, so, wir stecken jetzt zwei Milliarden in Schulen und Kindergärten. Das ist das Problem.
Heckmann: Aber was ist denn mit den Kindern, deren Eltern nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich für ihre Kinder wirklich einzusetzen und diesen Antrag zu stellen?
Landsberg: Ich glaube, dass die Mehrheit der Eltern natürlich das will. Und wir können natürlich niemanden dazu zwingen.
Heckmann: Die Mehrheit der Eltern. Aber es wird auch andere Fälle geben.
Landsberg: Die wird es geben, aber die gibt es auch bei Eltern, die selber genug Geld haben und die als Antragsteller gar nicht in Betracht kommen. Ich glaube, es ist ein Urtrieb des Menschen, dass er für seine Kinder etwas Gutes tun will. Man muss entsprechend aufklären. Aber es lässt sich natürlich nie vermeiden, dass einer sagt: Nein, ich will gar nicht, dass mein Kind Sport macht. Und ich sehe auch gar nicht ein, warum soll das Kind Musikunterricht nehmen oder Ähnliches. Das lässt sich nicht ganz ausschließen. Aber wir leben ja in einem System mit Eltern nicht nur alleine, sondern mit Erziehern, mit Schulen. Ich glaube, dass man das schon auf einen guten Weg bringen kann und man soll nicht an Einzelfällen das ganze System in Frage stellen.
Vielleicht noch einen Satz, weil ja immer gesagt wird, das ist also die Riesenbürokratie. Es sind einfachste Formulare. Jeder Handy-Vertrag ist deutlich komplizierter. Ich glaube, es ist schon auch das Recht des Steuerzahlers – es sind ja über eine Milliarde Steuergelder -, dass hier eine gewisse Kontrolle stattfindet. Und dass die Betroffenen da überfordert sind, das kann man wahrlich nicht sagen.
Heckmann: In Berlin findet heute der runde Tisch zum Bildungspaket der Bundesregierung statt. Mit dabei Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Herr Landsberg, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Landsberg: Bitte schön, Herr Heckmann!
Und beim runden Tisch in Berlin dabei ist Gerd Landsberg, er ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, und ihn begrüße ich jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen!
Gerd Landsberg: Guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Herr Landsberg, die Zahl derjenigen, die bisher einen Antrag gestellt haben, liegt in Großstädten zumindest bei etwa zwei Prozent. Wie viele sind es bei Ihnen in den Gemeinden?
Landsberg: Inzwischen ist das eigentlich überholt. Die Zahl zwei Prozent beruhte ja auf einer Umfrage Anfang letzter Woche. Nun hat es ja diese Medienkampagne gegeben, auch unser Gespräch gehört ja letztlich dazu. Wir haben also deutliche Zunahme der Anträge und ich bin sicher, dass am Ende die meisten den Antrag stellen werden. Es wäre übrigens das erste Mal in der Geschichte, dass wir Sozialleistungen nicht los werden. Man muss einfach auch sehen: Das Gesetz ist erst am 29. März ins Gesetzblatt gekommen, wir haben jetzt mal gerade Mitte April, niemand hat erwartet, dass die Leute in Doppelreihe stehen, um dort diese Anträge auszufüllen und zu beantragen. Das braucht etwas Zeit und ich halte diese Aufgeregtheit, die in den Medien, auch in Ihrem Vorbericht zum Ausdruck gekommen ist, für völlig unangemessen.
Heckmann: Was ist denn der Grund dafür aus Ihrer Sicht, dass bisher so wenige Personen den Antrag gestellt haben?
Landsberg: Zunächst mal liegt das daran, dass die Informationen natürlich auch erst bei den Bürgern und den Betroffenen ankommen müssen. Es liegt sicherlich auch daran, dass bei bestimmten Bereichen im Moment der Bedarf nicht ist. Sie stellen keinen Antrag, Kosten eines Schulausfluges ersetzt zu bekommen, wenn der Schulausflug nicht ansteht. Es kommt hinzu, das ist ja auch thematisiert worden im Vorbericht, so weit es um Förderunterricht geht, müssen die Länder – wir leben nun mal in einer Bürokratie – entsprechende Erlasse der Schulministerien herausgeben, die liegen teilweise nicht vor. Man muss auch wissen, es sind 2,5 Millionen Leistungsempfänger, das dauert etwas. Aber ich bin eigentlich zuversichtlich, dass es am Ende funktionieren wird.
Heckmann: Ich schlage mal vor, Herr Landsberg, wir hören mal kurz rein, was Ursula von der Leyen, die zuständige Ministerin, am Montag im "Morgenmagazin" von ARD und ZDF dazu gesagt hat.
O-Ton Ursula von der Leyen: Jetzt müssen wir uns mit den Kommunen, die das ja umsetzen – die wollten ja auch das Bildungspaket umsetzen -, dass diese Kommunen vor Ort jetzt werben, dass wir gemeinsam informieren, dass wir auch mal nachfragen bundesseitig: Habt ihr genügend Leute, die sich darum kümmern. Wir zahlen das ja alles bundesseitig. Das ist jetzt das Ziel.
Heckmann: So weit Ursula von der Leyen. – Herr Landsberg, haben Sie auch das Gefühl, dass Frau von der Leyen Ihnen da ein bisschen den schwarzen Peter zuschieben möchte?
Landsberg: Das glaube ich nicht. Es ist schon richtig, dass wir die Informationen verbessern müssen, übrigens nicht nur unsere, sondern natürlich auch die des Ministeriums. Ich habe am letzten Samstag mit der Ministerin gesprochen und wir haben auch schon Vorschläge unterbreitet, wie man die Informationssituation verbessern kann. Da muss man wissen: Es geht ja nicht nur um die Informationen an die Betroffenen, es geht zum Beispiel auch um die Informationen der Lehrer, der Erzieher in den Kindergärten, und das kann man deutlich besser machen. Es gibt übrigens Gemeinden, die haben auf YouTube Filme. Das ist sehr unterschiedlich und darüber werden wir sprechen, dass man vom Guten lernt und versucht, das dann auch in die Breite zu bringen.
Das Ganze hat übrigens auch schon interessante Nebenaspekte gehabt. Es gibt zum Beispiel die ersten Orchester in Bayern, die für zehn Euro diesen Kindern beibringen, wie man ein Instrument spielt. Das ist etwas Freiwilliges, Zusätzliches. Also das zeigt, es ist nicht alles so dramatisch wie die Kritik, die teilweise da geäußert wird.
Heckmann: Jetzt soll ja jeder Berechtigte schriftlich informiert werden. Das Ministerium in Berlin hat gesagt, diese Informationen sollen die Kommunen übernehmen. Wie begeistert sind Sie von diesem Vorschlag?
Landsberg: Wir werden heute darüber sprechen. Grundsätzlich ist das denkbar. Man muss ja wissen, überwiegend sind es ja Erwerbslose, die haben sowieso ja regelmäßigen sowohl brieflichen wie persönlichen Kontakt zum Job-Center. Der Berater weiß natürlich, das ist jemand, der Kinder hat, und kann natürlich dann auch die entsprechende Information transportieren. Ob das das individuelle Anschreiben sein muss, das weiß ich nicht, aber ich würde mich da auch gar nicht gegen wehren wollen.
Heckmann: SPD und Grüne, Herr Landsberg, hatten ja gefordert, es sei besser, das Geld direkt in die Vereine und Schulen zu geben. Wäre das nicht wirklich die bessere Alternative gewesen, auch angesichts der hohen Verwaltungskosten, die mit dem Programm verbunden sind?
Landsberg: Herr Heckmann, da werden alte Vorurteile und alte Schlachten geschlagen. Natürlich hätten wir als Kommunen das ganz toll gefunden, wenn der Bund gesagt hätte, bitte, eine, zwei Milliarden für Schulen, für Kindergärten. Nur das Verfassungsgericht hat etwas anderes gesagt. Das Verfassungsgericht hat gesagt, es muss einen individuellen Rechtsanspruch auf Teilhabe geben. Und egal was irgendwelche Minister oder Wohlfahrtsverbände erklären, damit ist eine solche Lösung verschlossen. Das muss man einfach akzeptieren! Das ist natürlich auch ein bisschen die deutsche Sehnsucht nach der Einzelfallgerechtigkeit, aber wenn das oberste deutsche Verfassungsgericht sagt, es muss einen individuellen Rechtsanspruch geben, dann kann der Gesetzgeber mitnichten hingehen und sagen, so, wir stecken jetzt zwei Milliarden in Schulen und Kindergärten. Das ist das Problem.
Heckmann: Aber was ist denn mit den Kindern, deren Eltern nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich für ihre Kinder wirklich einzusetzen und diesen Antrag zu stellen?
Landsberg: Ich glaube, dass die Mehrheit der Eltern natürlich das will. Und wir können natürlich niemanden dazu zwingen.
Heckmann: Die Mehrheit der Eltern. Aber es wird auch andere Fälle geben.
Landsberg: Die wird es geben, aber die gibt es auch bei Eltern, die selber genug Geld haben und die als Antragsteller gar nicht in Betracht kommen. Ich glaube, es ist ein Urtrieb des Menschen, dass er für seine Kinder etwas Gutes tun will. Man muss entsprechend aufklären. Aber es lässt sich natürlich nie vermeiden, dass einer sagt: Nein, ich will gar nicht, dass mein Kind Sport macht. Und ich sehe auch gar nicht ein, warum soll das Kind Musikunterricht nehmen oder Ähnliches. Das lässt sich nicht ganz ausschließen. Aber wir leben ja in einem System mit Eltern nicht nur alleine, sondern mit Erziehern, mit Schulen. Ich glaube, dass man das schon auf einen guten Weg bringen kann und man soll nicht an Einzelfällen das ganze System in Frage stellen.
Vielleicht noch einen Satz, weil ja immer gesagt wird, das ist also die Riesenbürokratie. Es sind einfachste Formulare. Jeder Handy-Vertrag ist deutlich komplizierter. Ich glaube, es ist schon auch das Recht des Steuerzahlers – es sind ja über eine Milliarde Steuergelder -, dass hier eine gewisse Kontrolle stattfindet. Und dass die Betroffenen da überfordert sind, das kann man wahrlich nicht sagen.
Heckmann: In Berlin findet heute der runde Tisch zum Bildungspaket der Bundesregierung statt. Mit dabei Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Herr Landsberg, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Landsberg: Bitte schön, Herr Heckmann!