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Dänisches Lebensgefühl
Der Hygge-Hype

Die Dänen gelten als glücklichste Menschen der Welt. Deshalb wird ihr Lebensgefühl "Hygge" immer angesagter - auch in Deutschland. Doch glücklich wie ein Däne – das ist gar nicht so einfach, sagt der dänische Hygge-Forscher Carsten Levisen. Hygge lasse sich nur schwer in andere Kulturen übertragen – und könne durch seine Kommerzialisierung bedroht werden. 

Von Christian Röther  |
    Zwei Personen stoßen am 30.11.2016 in Garmisch-Partenkirchen (Bayern) in einer Kneipe mit Bier in der Flasche an.
    Essen, trinken, mit anderen Menschen zusammen sein: So würden Dänen "hygge" übersetzen. (dpa/picture alliance/Angelika Warmuth)
    Vier Mal haben die Vereinten Nationen bislang ihren Weltglücksreport veröffentlicht. Dreimal auf Platz 1, auch aktuell: die Dänen. Sie sind damit quasi offiziell die glücklichsten Menschen der Welt. Eines Ihrer Glücksgeheimnisse heißt "Hygge". Wobei, geheim ist Hygge eigentlich nicht mehr. Vor allem in Großbritannien. Die Briten haben 2016 öfter nach "Hygge" gegoogelt, als nach "Brexit", sagt Carsten Levisen. Der Linguist von der Uni Roskilde in Dänemark forscht über Hygge.
    "Wenn man die Dänen fragt, was Hygge ist, würden sie als erstes sagen: essen, trinken, mit anderen Menschen zusammen sein. Entspannt sein und an nichts Böses denken."
    Auch in Deutschland wird das dänische Hygge immer populärer. Das Wort ist nicht einfach zu übersetzen, in etwa als "gemütliche Geselligkeit". Da klingt "Hygge" doch deutlich spannender, und deshalb kann man inzwischen auch schon Hygge-Ratgeber auf Deutsch kaufen. Sie empfehlen für Hygge: Kerzen, Kamin und Wollpulli, Tee oder Wein, Musik, Freunde einladen. Doch so einfach lässt sich Hygge nicht in andere Kulturen übertragen, sagt Carsten Levisen:
    "Ein Kollege von mir wollte Hygge nach Indien bringen. Er hat gesagt: Lasst uns ein paar Kerzen anzünden und uns in einen Kreis setzen. Seine Freunde waren besorgt: Ist jemand gestorben? Hygge kann man also nicht einfach so herstellen. Man kann es nicht anfassen, sondern es entsteht in unseren Köpfen."
    Hygge ist für die Dänen das Wichtigste
    Carsten Levisen ist mit seiner Hygge-Forschung auch in Deutschland gefragt. Ein Vortrag am Skandinavischen Seminar der Uni Göttingen. Levisen erzählt die Geschichte von Sepp Piontek. Der deutsche Trainer hat den dänischen Fußball in den 80er Jahren in die Erfolgsspur gebracht. Dafür musste er den Dänen aber erst mal ihr Hygge abgewöhnen: zum Beispiel Pommes essen und Rumhängen.
    "If you are a national team, well, you are not supposed to eat French fries, are you?
    Den Dänen ist ihr Hygge also auch im professionellen Kontext wichtig, erklärt Carsten Levisen.
    "Studien zeigen, dass den Deutschen im Beruf Sicherheit am wichtigsten ist. Die Briten wollen Geld und die Dänen nette Kollegen. Das hängt mit Hygge zusammen. Hygge ist für die Dänen das Wichtigste: im Job, in der Familie, im Sport, überall."
    "Hygge and money – oh, it's not a good mix."
    Jetzt wird Hygge also international – und kommerziell. Wenn man "Hygge" bei deutschen Internet-Kaufhäusern eintippt, dann findet man: jede Menge Bücher, klar, dazu Kerzen, Tassen und Schürzen, aber auch Armbanduhren oder Schutzhüllen für Smartphones. Zwar verbrauchen die Dänen mit deutlichem Abstand das meiste Kerzenwachs in Europa, doch Carsten Levisen findet: Hygge, das kann man sich nicht kaufen. Kommerzielle Interessen und Hygge passen für ihn nicht zusammen.
    "Hygge and money – oh, it's not a good mix."
    Carsten Levisen blickt also auch mit einer gewissen Skepsis auf den "Hygge-Hype", wie er es nennt. Und er glaubt: So geht es vielen Dänen.
    "Als Hygge international wurde, haben die Dänen das Recht verloren, zu definieren, was Hygge bedeutet. Und das verängstigt natürlich viele Dänen: Sie könnten ihr Lieblingskonzept verlieren – durch den internationalen Hype und weil Hygge offiziell ins britische Wörterbuch aufgenommen wurde."
    Hygge, das Glück aus Dänemark – es könnte die Dänen also am Ende unglücklich machen. Oder besser gesagt: die offiziell glücklichsten Menschen der Welt ein kleines bisschen weniger glücklich.