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Dagegen sein
Rocken gegen Rassismus

Die Black-Lives-Matter-Bewegung hat in Großbritannien einen Vorgänger: Rock Against Racism. Ein kollektives, antirassistisches Statement in den 1970ern von Punks und Hippies. Anlass war der Schock, den eine Rede von Eric Clapton ausgelöst hatte.

Von Robert Rotifer |
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Festivalplakat Rock Against Racism aus London im Jahr 1978 (© Collection particulière - Photo © Bertrand Huet / Tutti)
Es war der heiße Sommer 1976, im Odeon in Birmingham spielte der Gitarrengott Eric Clapton sein übliches Repertoire Blues-derivierter Hits, darunter auch seine Version dieses Songs des jamaikanischen Reggae-Propheten Bob Marley. Doch in einer Pause zwischen zwei Songs ließ Clapton zum Erstaunen des Publikums plötzlich eine mit rassistischen Kraftausdrücken gespickte Brandrede vom Stapel: "Bewahrt Britannien davor, eine schwarze Kolonie zu werden. Werft die Ausländer raus", sagte er: "Britannien muss weiß bleiben."
"It was shocking!"
Red Saunders, damals ein 30-jähriger Fotograf und Clapton-Fan, erinnert sich heute noch an seinen blanken Schock über Claptons Äußerungen: "It was shocking. I mean, you can't believe how shocking it was." Für einen schwarzer Musik tief verschuldeten Künstler wie Eric Clapton war diese Tirade zwar völlig widersinnig, aber sie passte verheerend gut ins von rechtsextremen Gruppierungen wie der National Front aufgeheizte politische Klima eines krisengeschüttelten Großbritannien. Also schrieb Red Saunders einen empörten Leserbrief an die damals noch in Millionenauflagen erscheinende Musikpresse. Darin rief er die Szene zu einem klaren Statement auf. Es war Zeit, gegen den Rassismus zu rocken. Die Reaktion auf Saunders' Aufruf war überwältigend: hunderte Zuschriften von Fans, Musikerinnen und Musikern. Die Idee kam ins Rollen und wuchs sich bald zu einer Bewegung aus.
Standpunkte herausfordern
Vom Herbst 1976 an organisierte die Plattform Rock Against Racism hunderte Konzerte, und wie Red Saunders sich erinnert, wurde dabei nicht bloß zu den Bekehrten gepredigt: "Wir hatten viele rassistische Jugendliche bei unseren Gigs, aber der ganze Sinn lag ja darin, ihre Standpunkte in einer Debatte herauszufordern. Musik ist eine mächtige Waffe. Ich sah Leute, die sich bei Konzerten selbst in Frage stellten. Sie sagten 'Ich bin nur wegen der Musik hier. Ich mag Reggae.' - 'Wirklich? Weißt du auch, dass die National Front Reggae für Affenmusik hält?'
Punks und Hippies für eine gemeinsame Sache
Die breite Popularität des Reggae und das Aufkeimen des Punk lieferten den idealen Soundtrack zu einer Bewegung, in der sich nicht nur verschiedene Jugendkulturen, sondern auch zwei Generationen vereinten: Im Namen des Antirassismus machten die Punks und der politische Flügel der alten Hippies ausnahmsweise einmal gemeinsame Sache." Wenn Punk und Reggae nicht zu jener Zeit ihren Durchbruch gehabt hätten, hätte es auch Rock Against Racism nie gegeben. Aber wir als seine Begründer waren in den Sechzigern als libertäre Hippies mit Frieden, Liebe, Dope und Rock'n'Roll aufgewachsen. Der Vietnamkrieg hatte uns politisiert. Die Leute fragten uns oft, warum unter uns Aktivisten nicht mehr Schwarze seien, aber es war schließlich unser Job, Rassismus unter Weißen zu bekämpfen. Und wir verbündeten uns dabei mit den Schwarzen. Ich sagte das vom ersten Tag an: Wann immer Rock Against Racism ein Konzert macht, werden schwarze und weiße Bands zusammen spielen."
Vereinter antirassistischer Aktivismus
Im Frühling 1978 kulminierte "Rock Against Racism" mit einem Karnevalsumzug nach karibischem Vorbild, vom Londoner Trafalgar Square bis zum Victoria Park im damals verarmten Osten der Stadt. Am Ende der größten Demo gegen Rassismus, die London je erlebt hatte, versammelten sich dort rund 100.000 Menschen, und auf der Bühne sorgten Bands wie The Clash dafür, dass dieses Signal durch das ganze East End dröhnte. Rock Against Racism sollte nach vier weiteren Jahren schließlich die Luft ausgehen. Der Rassismus war noch lange nicht besiegt, aber im britischen Kontext bildete diese Bewegung ein historisches Vorbild für vereinten antirassistischen Aktivismus, bis hin zu den Black Lives Matter-Protesten in diesem Jahr.