Der Applaus der Aktionäre dauerte eine knappe Minute, Anerkennung für einen Unternehmenschef von Weltrang, wie es der Aufsichtsratsvorsitzende vorab formulierte. Nach 13 Jahren an der Daimler-Spitze war es der letzte große Auftritt von Dieter Zetsche. Seine Bilanz auf der Hauptversammlung war durchwachsen. Das Positive zuerst:
"Mit Mercedes Benz wollten wir bis 2020 das Premiumsegment anführen. Schon seit 2016 sind wir die Nummer 1. Diese offensive war kein Selbstzweck. Damit haben wir uns die notwendige Stärke erarbeitet, um bei der noch viel größeren Aufgabe die Führungsrolle einzunehmen, der Transformation der Automobilindustrie."
Auf der anderen Seite mahnte Zetsche zum wiederholten Mal einen weiterhin anhaltenden und künftigen Sparkurs an. Alles stehe auf dem Prüfstand, fixe und variable Kosten, Details jedoch Fehlanzeige.
Die Transformation zur Elektromobilität wird teuer
In der Bilanz 2018 konnte zwar der Konzernumsatz um zwei Prozent gesteigert werden, doch liegt man beim Ebit mit 11,1 Milliarden Euro deutlich unter dem Vorjahreswert. Auch mit den jüngsten Quartalsergebnissen und dem Börsenkurs zeigte sich Zetsche nicht zufrieden.
Transformation heißt das Zauberwort für die Zukunft. Hierbei liegt der strategische Schwerpunkt auf der Elektrifizierung der Fahrzeuge. Eine teurer Investitionsprozess, so Zetsche, doch das Ziel sei klar:
"Allein bei unseren PKW stecken wir zehn Milliarden Euro in den Ausbau unserer Elektroflotte. Schon 2022 werden wir in Europa CO2-neutral produzieren. Und vor 2040 soll unsere gesamte Neuwagenflotte CO2-neutral sein."
Der Dieselskandal belastet die 13jährige Zetsche-Ära
Nicht nur Lob, sondern auch Kritik übten Aktionärsvertreter: Hat der Konzern zu spät auf die klimapolitischen Herausforderungen und somit den Trend zu mehr Elektrofahrzeugen reagiert? Auch Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, zieht eine durchwachsene Bilanz:
"Die deutsche Industrie ist dafür bekannt, dass sie etwa mit Innovationen länger braucht, sie dafür dann aber richtig umsetzt. Insofern bin ich noch nicht pessimistisch, aber es wird alles sehr, sehr viel Geld kosten. Das sind als mehr als 20 oder 30 Milliarden Euro. Und ich habe den Eindruck, dass man da auch noch nicht die Technologie richtig herausgearbeitet hat. Ist es Wasserstoff, ist es Batterie? Was ist es eigentlich am Ende des Tages? Und man hat auch den Eindruck die Chinesen sind schon deutlich weiter."
Beim Dieselskandal geriet auch Daimler in die Ermittlungen. Man arbeite mit den Behörden zusammen, heißt es lapidar. Der Diesel sei weiter unverzichtbarer Teil der Produktpalette.
Neustrukturierung ante portas
Aller Voraussicht nach wird die Hauptversammlung am Nachmittag eine Neustrukturierung des Konzerns beschließen. Es entstehen drei rechtlich selbstständige Einheiten - damit könne man besser und schneller auf die künftigen Herausforderungen reagieren, so die Konzernspitze. Zudem sei man kooperationsfähiger. Der neue Konzernchef Ola Källenius trat heute noch nicht groß in Erscheinung. Es ist der letzte Tag von Dieter Zetsche, der Medienberichten zufolge allerdings in gut zwei Jahren als Aufsichtsratschef zurückkehren könnte.