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Daimler hinkt "der Konkurrenz erheblich hinterher"

Alexander Dauensteiner von der Vereinigung der Kritischen Aktionäre bei Daimler hat ein Umdenken des Konzerns gefordert. Langfriststrategie des Unternehmens müsse es sein, ökologische und spritsparende Fahrzeuge zu entwickeln. Teil des Sparprogramms müssten auch der Vorstand und der Aufsichtsrat sein, nicht nur die Mitarbeiter.

Alexander Dauensteiner im Gespräch mit Bettina Klein |
    Bettina Klein: Der Stern über der Wüste. Mit dem Einstieg des Emirats Abu Dhabi bei Daimler feierte die Automobilbranche unlängst mal eine aus ihrer Sicht gute Nachricht. Von Börse bis Bundesregierung waren viele begeistert. Hält der neue Großaktionär, was er verspricht? - Das wird ein Thema sein heute bei der Hauptversammlung von Daimler in Berlin. Konzernchef Zetsche wird die Anteilseigner über den Kurs des Unternehmens informieren, das in diesem Jahre mit weniger Umsatz, Absatz und Gewinn rechnet. Die weltweite Krise in der Automobilindustrie geht mitnichten an Daimler vorbei. Ob da die Abwrackprämie hilft? - In Berlin verbunden sind wir jetzt mit Alexander Dauensteiner von der Vereinigung der kritischen Aktionäre bei Daimler. Guten Morgen!

    Alexander Dauensteiner: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Aus gegebenem Anlass zunächst zur Einigung der Koalition gestern Abend: Die Verschrottungsprämie wird also bis Ende des Jahres verlängert, zunächst auch solange das Geld reicht in der Höhe von 2500 Euro. Wie stehen Sie dazu?

    Dauensteiner: Die Abwrackprämie ist natürlich ein Instrument, insbesondere getrieben durch die Automobilindustrie, die jetzt den Anbietern der kleinen Autos hilft. Das ist eigentlich auch aus deren Sicht natürlich verständlich, dass man versucht, mit Instrumenten zur Förderung des Absatzes hier zu agieren. Auf der anderen Seite sehen wir das sehr kritisch, denn aus ökologischer Sicht ist es natürlich nicht unbedingt sinnvoll, jedes Auto nach neun Jahren zu verschrotten, sondern das kann ja durchaus auch noch länger fahren, denn das hängt ja davon ab, wie lange ist so ein Auto gefahren worden. Daimler und auch andere Premiumanbieter - da reden wir ja von Premiumfahrzeugen in diesem Segment - profitieren da eigentlich kaum. Es gäbe auch sicherlich andere Branchen, wo das sehr viel sinnvoller wäre, einzusetzen, aber ich glaube, es ist dem Druck der Automobilindustrie, insbesondere der Lobby, die ja sehr stark hier agiert, bei der Bundesregierung zu verdanken, dass man diese Prämie jetzt hat, aber besonders sinnvoll aus ökologischer und auch teilweise aus ökonomischer Sicht, weil da fließt ja wirklich viel Geld rein, Milliarden, ist das nicht.

    Klein: Aber Daimler selbst hat keinen Druck gemacht, weil, wie Sie schon sagen, der Konzern davon eben nicht besonders profitiert?

    Dauensteiner: Das ist richtig. Inzwischen lehnen die Großen wie Daimler - das hat sich ja auch schon dagegen ausgesprochen - diese Abwrackprämie, vor allen Dingen die Verlängerung, die jetzt heute beschlossen werden soll, ab. Ich kann das auch nachvollziehen, denn auf der einen Seite sagt ja auch die Industrie immer wieder, der Staat möge sich bitte möglichst wenig in die Marktwirtschaft einmischen. Das tut man natürlich massiv, wenn man jetzt bis zu fünf Milliarden in dieses Programm pumpen will. Ich glaube, dass es eher darauf ankommen wird - und das trifft die anderen Hersteller genauso, aber insbesondere natürlich Daimler -, dass man die richtigen Fahrzeuge anbietet. Ich glaube, da haben wir, gerade was die Daimler AG angeht und den Bereich Mercedes-Benz, erheblichen Aufholbedarf, weil wir dort im Moment immer noch nicht die richtigen Produkte anbieten können.

    Klein: Und da richteten sich ja etliche Hoffnungen auf den neuen Großaktionär Abu Dhabi. Mit diesem neuen Investor sollte die Entwicklung von zum Beispiel Elektroautos und neuen leichten Werkstoffen für spritsparende Fahrzeuge vorangetrieben werden. Hat sich der Einstieg schon in irgendeiner Form ausgezahlt? Sehen Sie Anzeichen für Ergebnisse?

    Dauensteiner: Nein, das kann man noch nicht, Frau Klein. Das ist noch zu früh. Grundsätzlich ist so ein Einstieg natürlich erst mal Hoffnungsträger für den Konzern, der jetzt knapp zwei Milliarden an Kapital auch wieder ins Unternehmen reinbringt. Wir werden darauf sehr genau achten und zu gegebener Zeit eine Bilanz ziehen, was der Einstieg wirklich konkret bedeutet.

    Sie haben zwei Punkte angesprochen. Leichtbauwerkstoffe sind sicherlich ein richtiger Ansatz, denn bei jedem Auto kommt es darauf an, gerade was den Kraftstoffverbrauch angeht, möglichst leichte Fahrzeuge zu bauen. Das ist immer noch der größte Hebel, um Kraftstoffe zu sparen. Je leichter das Fahrzeug, desto besser. Das begrüßen wir und darauf haben wir auch lange Jahre hingearbeitet, dass das mehr Bedeutung im Konzern gewinnt.

    Das Thema Elektroauto war das zweite Beispiel. Da sind wir etwas skeptischer. Sicherlich ist das eine interessante Zukunftsoption, Elektroautos anzubieten. In den 80er-Jahren hat es schon den Feldversuch von Rügen gegeben, wo man Elektroautos getestet hat. Letztlich kommt da sehr einfach heraus: Man verlagert die Emissionen eigentlich zum Kraftwerk. Das heißt, es kommt darauf an: wo kommt denn der Strom her. Da lehnen wir entschieden die Allianz mit Stromversorgern ab, die allein hier mit Daimler auf Atomstrom und Kohlestrom setzen, weil das bringt natürlich ökologisch gar nichts, und schlagen heute konkret dem Konzern vor, man möge doch eine Kooperation mit Ökostrom-Anbietern anbieten, so dass jemand, der so ein Elektroauto in Zukunft vielleicht kauft, auch die Möglichkeit hat, hier zu wechseln.

    Klein: Dieter Zetsche will heute den Kurs des Unternehmens erläutern. Wie konkret wird er? Was erwarten Sie?

    Dauensteiner: Er wird natürlich zunächst mal darauf hinweisen, dass das erste halbe Jahr 2008 relativ gut gelaufen ist. Ich denke schon, dass er das noch mal herausstellt und dann betont, dass der Konzern aus seiner Sicht gut aufgestellt sei. Wir werden dann erleben, wie im Zeichen der Krise im zweiten Halbjahr die Zahlen erheblich schlechter geworden sind. Mit dem Aktienkurs können die Aktionäre nicht zufrieden sein und wir werden auf der Hauptversammlung auch fordern, dass man hier, was jetzt die Krise betrifft - und das ist nicht nur die Krise, sondern ich sagte es: Daimler hat nach wie vor die falschen Produkte, insbesondere was Kraftstoffverbräuche angeht, hinkt man da der Konkurrenz erheblich hinterher -, nicht nur Einschnitte bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Band und sonst wo im Konzern sucht, sondern das auch von den Aktionärinnen und Aktionären, auch vom Vorstand und Aufsichtsrat mitgetragen wird.

    Klein: Um da noch mal nachzufragen: erwarten Sie denn ein Umdenken, was die Konzernstrategie angeht?

    Dauensteiner: Ich glaube das nicht. Ich bin mir überhaupt nicht mehr sicher, ob, nachdem Herr Zetsche vor einem Jahr das Ruder von Herrn Schrempp übernommen hat, er wirklich verstanden hat, dass die Langfriststrategie des Unternehmens nur sein kann, massiv auf Fahrzeuge zu setzen, die der Markt in fünf und zehn Jahren braucht und auch heute schon nachsucht. Das sieht man ja jetzt, wer welche Fahrzeuge kauft, dass die Menschen immer mehr auf Verbräuche und auch Umweltschutz, Geld während dem Verbrauch und nicht nur bei der Anschaffung gucken. Ich bin da sehr skeptisch, hoffe aber nach wie vor, dass auch unser Druck und der von der Öffentlichkeit, von den Käufern letztendlich im Autohaus - das ist ja auch immer noch ein entscheidendes Kriterium - dafür sorgt und dazu beiträgt, dass der Konzern langfristig umdenkt.

    Klein: Lohneinbußen für die Mitarbeiter haben Sie schon angedeutet. Die sollen Ersparnisse von zwei Milliarden erbringen. Insgesamt eine Lösung, die Sie für verzichtbar halten?

    Dauensteiner: Jedenfalls kann es auf keinen Fall sein, dass man ausschließlich auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter guckt wegen den zwei Milliarden hier. Das ist wieder der typische Ansatz eines Konzerns, der erst mal bei anderen sparen will und dann vielleicht auch mal über sich selber nachdenkt. Die Millionengehälter des Vorstandsvorsitzenden und der Vorstandsmitglieder, auch die Dividende, die heute beschlossen werden soll, auch wenn es eine reduzierte Dividende ist, sind immer noch 550 Millionen Euro. Da sagen wir, es kann nicht sein, wenn man allenthalben nur noch das Wort Krise hört - und die Automobilindustrie ist ja in der Tat getroffen; Sie haben die Abwrackprämie vorhin als ein Instrument angesprochen -, dass man den Aktionären Dividende ausbezahlt. Das heißt, wir werden heute ganz konkret fordern, das zu unterlassen, diese 550 Millionen einzusparen.

    Formel I, Honda ist ausgestiegen, zurecht aus unserer Sicht. Der Konzern bleibt nach wie vor dabei, er möchte bei der Formel I bleiben. Auch das sind unserer Schätzung nach mindestens 400 bis 600 Millionen, die da jedes Jahr ausgegeben werden. Da wären wir schon bei einer Milliarde. So ließe sich die Reihe fortsetzen. Ich glaube, es wird sehr darauf ankommen, dass auch der Konzern vom Vorstand und Aufsichtsrat und auch die Aktionäre sagen, wir sind Teil dieses Sparprogramms, wir werden einen Beitrag leisten und nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

    Klein: Ausstieg aus der Formel I, um da noch mal kurz nachzufragen. Die Teilnahme oder die Finanzierung bringt natürlich dem Konzern auch Werbung und Prestige. Insofern doch eher ein Fehler?

    Dauensteiner: Sie meinen ein Fehler, wenn man aussteigt?

    Klein: Ja.

    Dauensteiner: Nein, das sehen wir ganz und gar nicht, denn die Zeichen haben sich ja auch gewandelt. Ein Konzern wie Honda zum Beispiel hat ja auch ganz bewusst entschieden auszusteigen und die machen das ja auch nicht fahrlässig. Ich glaube eher, dass ein Umdenken dahingehend stattfindet, dass die Menschen schon sehr genau hingucken, bringt das überhaupt noch was. Wir sind eigentlich eher der Meinung, dass ein Ausstieg gerade in diesen Zeiten das Image eher erhöhen würde, als wenn man dort nach dem Motto "War schon immer so, also wird das auch in Zukunft gut sein" dabei bleibt. Wir halten einen Ausstieg für richtig und genau zur jetzigen Zeit für richtig.

    Klein: Um noch einen letzten Punkt aufzugreifen, den Sie fordern: Gehaltskürzungen auch beim Konzernchef, bei der Unternehmensführung. Sehen Sie denn diese Forderung durch die anderen Aktionäre gestützt?

    Dauensteiner: Teilweise schon. Wir sind natürlich als kritische Aktionäre nie in der Mehrheit dort, werden wir auch nie sein, das ist auch nicht unsere Aufgabe. Aber ich glaube schon, dass das bei einigen Aktionären auf Verständnis stoßen wird. Es kann nicht sein, dass Millionengehälter an den Vorstand bezahlt werden. Wir sagen, wenn der Vorstand zehnmal mehr verdient als ein durchschnittlicher Mitarbeiter bei Daimler, dann sind das immer noch gut 500.000 im Jahr, damit kann man schon auskommen. Gerade in diesen Zeiten wäre das auch ein sehr wichtiges Signal an die Belegschaft des Unternehmens, denn ohne die läuft gar nichts. Da sind wir uns ja alle einig. Deswegen sind die Millionengehälter an Vorstand und auch Aufsichtsrat, die ja sehr viel im Jahr an Aufwandsentschädigung bekommen, in hunderttausendfacher Weise, also mehrere hunderttausend Euro im Jahr, da muss auch jetzt Verzicht geleistet werden.

    Klein: Das Plädoyer von Alexander Dauensteiner von der Vereinigung der Kritischen Aktionäre bei Daimler zur heutigen Hauptversammlung in Berlin. Danke Ihnen für das Gespräch.

    Dauensteiner: Gerne.