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Daimler will auf CO2 zur Kühlung von Klimaanlagen setzen

Für die Kühlung von Autoklimaanlagen will Daimler künftig auf CO2 setzen. Das begründen die Stuttgarter Autobauer mit der Sorge um Kundengesundheit. Bis die Neuausrüstung erfolgen kann, will Daimler ein umweltschädliches Mittel einsetzen und verstößt damit gegen EU-Richtlinien.

André Zantow im Gespräch mit Britta Fecke |
    Britta Fecke: Kältemittel für Klimaanlagen klingen genauso seltsam wie Bakterienstämme: Nämlich "R134a" oder "1234yf", sie klingen nicht nur wie Bakterienstämme, sie sind auch ebenso wenig bekömmlich. Und weil sich der Autokonzern Daimler auch Sorgen um die Gesundheit seiner Kunden macht, so zumindest die Argumentation des Stuttgarter Konzerns, will er lieber CO2 als Kältemittel einsetzen, als das von der EU als unbedenklich eingestufte Kältemittel 1234yf.

    Das gab Daimler beim Genfer Autosalon bekannt. Und damit verstößt der Autobauer gegen die EU-Vorgabe. Denn bis die Klimaanlagen mit CO2 ausgerüstet werden können, will der Konzern auf das alte und erwiesenermaßen sehr umweltschädliche Kältemittel "R134a" setzen. Daimler ist mit dem Vorstoß nicht allein, auch die anderen großen deutschen Autohersteller wollen mitziehen und sich damit gegen die lange vereinbarte EU-Richtlinie stellen. Andre Zantow hat sich für uns mit dem Thema befasst - mit der Industrie und Umwelt-Organisationen gesprochen.

    Zunächst - wie kam es dazu, dass sich Daimler gerade jetzt gegen das Kältemittel stemmt, das ja schon seit einigen Jahren kommen soll.

    André Zantow: Ausgangspunkt ist das aktuelle Kältemittel - das Gas "R134a" - das gilt als sehr umweltschädlich und das sollte ersetzt werden. Und so haben sich Autoindustrie und EU vor etwa fünf Jahren für die neue Substanz "12-34-yf" entschieden. Dieses Kältemittel soll ab 2017 für alle verkauften Fahrzeuge gelten. So steht es in der entsprechenden EU-Richtlinie.

    Die gilt ab Januar aber auch für alle Autos, deren Typ-Genehmigung gerade erst erteilt wurde. Daimler hat gerade viele neue Modelle, die jetzt auf den Markt kommen und die müssten nun eigentlich mit dem neuen Kältemittel ausgerüstet werden.

    Aber Daimler hat noch im vergangenen Herbst eine letzte Prüfung durchgeführt - einen Crash-Test - und dabei hat dann das Kältemittel angefangen zu brennen und durch die chemische Zusammensetzung - hätte sich auch hochgefährliche Flusssäure bilden können.

    Das war bei jahrelangen Tests das erste Feuer im Motorraum. Und so hat Daimler nun auf dem Genfer Autosalon bekannt gegeben - nicht das neue Kältemittel zu nutzen - sondern ab auf CO2 zu setzen. Eine nachvollziehbare Entscheidung findet Professor Wolfgang Plehn - vom Umweltbundesamt.

    "Wir haben als Umweltbundesamt zum einen uns mit CO2 beschäftigt, indem wir ein Fahrzeug unserer Flotte mit einer CO2 Klimaanlage ausgestattet haben. Dieses Fahrzeug ist inzwischen weit über hunderttausend Kilometer gefahren und die CO2-Klimaanlage funktioniert immer noch hervorragend und sehr energieeffizient. Und wir haben uns auch auf der anderen Seite mit den Risiken des Kältemittels '1234yf' beschäftigt, indem wir Laborversuche bei der Bundesanstalt für Materialforschung- und Prüfung beauftragt haben und die für uns eindeutig gezeigt haben, dass er auch in einer Art und Weise brennbar ist, die in einem Auto vorkommen kann."

    Wolfgang Plehn vom Umweltbundesamt senkt also auch den Daumen für das neue Kältemittel. Einer der Hersteller dieses Mittels "Honeywell" sagt, der Test von Daimler sei unter extremen Bedingungen geschehen. Es sei ein Szenario gewesen, dass in der realen Welt so kaum vorkommen könne.

    Britta Fecke: Frage - Daimler hat sich klar für CO2 als Kältemittel ausgesprochen. Was spricht denn für das Treibhaus-Gas in den Fahrzeugen? Vor ein paar Jahren hat sich die Industrie ja dagegen entschieden.

    André Zantow: Unter Umwelt-Aspekten scheinen CO2 und das neu entwickelte Kältemittel "1234yf" beides eine starke Verbesserung zu sein.

    Für CO2 spricht die einfache Verfügbarkeit. Das Gas ist ja in der Luft überall vorhanden. Und es wirkt in diesem Zusammenhang auch nicht als Treibhausgas, hat mir Wolfgang Plehn vom Umweltbundesamt gesagt. Außerdem sei es ein bewährtes Kältemittel.

    "Im Übrigen ist es so, dass weit über tausend Supermärkte in Europa mit CO2 als Kältemittel arbeiten und sehr erfolgreich und energieeffizient arbeiten."

    Gegen CO2 als Kältemittel im Auto spricht, dass es diese Technologie noch nicht serienmäßig gibt. Daimler spricht davon, dass es 2016 so weit sein soll. Das braucht noch Jahre an Entwicklungs-Arbeit - denn man müsste die Kühlungs-Technik im Auto völlig ändern. Das Gas CO2 braucht ja einen hohen Druck. Und das würde dann auch hohe Kosten für Wartung, Kontrollen und Betrieb hervorrufen, sagt der Kältemittel-Hersteller Honeywell.

    Die Nutzung ihres Produkts - "12-34-yf" - wäre wesentlich unproblematischer. Es müsste keine großen technischen Veränderungen geben, weshalb sich die weltweite Automobil-Industrie vor ein paar Jahren auch dafür entschieden hat.

    Britta Fecke: Frage - wie geht es jetzt weiter - muss Daimler mit Strafen aus der EU rechnen und zieht die restliche Auto-Industrie mit?

    André Zantow: Daimler will bis 2016 neue CO2-Klimaanlagen entwickelt haben. Bis dahin will der Autohersteller mit der alten Substanz, dem sehr umweltschädlichen Gas "R134a", weiterfahren.

    CO2 sei auch die Zukunft für den VW-Konzern, sagte mir ein Sprecher heute. Auch Sie wollen künftig auf die neue Technologie setzen. Und es ist davon auszugehen, dass auch die anderen deutschen Autokonzerne nachziehen werden, nach den Absichtsbekundungen auf dem Genfer Autosalon in dieser Woche.

    Hier ist ein Streit mit der EU vorprogrammiert. Die Kommission setzt weiter auf die eigene Richtlinie - und will belastbare Belege haben, dass ihr favorisiertes Kältemittel nicht sicher ist. Bis dahin könnte es Strafen geben, aber die will der Hersteller Daimler offenbar in Kauf nehmen.