Archiv


"Damit können Sie mich handlungsunfähig machen"

Ilko-Sascha Kowalczuk, Mitarbeiter der Stasi-Unterlagenbehörde, zweifelt an der Eignung des designierten Präsidenten der Berliner Humboldt-Universität , Jan-Hendrik Olbertz, der in der DDR über Erziehungswissenschaften promovierte. Donnerstag trafen die beiden erstmals persönlich aufeinander.

Von Claudia van Laak |
    Der eine hat in der DDR Karriere gemacht, dem anderen wurde aus politischen Gründen das Abitur verweigert. Der eine - Jan-Hendrik Olbertz - hat an der Uni Halle im ideologiebelasteten Fach Erziehungswissenschaften promoviert und seine Habilitation geschrieben - in der DDR Dissertation B. Der andere - Ilko-Sascha Kowalczuk - hat erst nach der Wende Geschichte an der Humboldt-Uni studiert und jetzt die DDR-Schriften des zum Uni-Präsidenten bestellten Olbertz studiert.

    "Herr Olbertz, ich habe das von der ersten bis zur letzten Zeile gelesen, die ist von vorne bis hinten durchtränkt von leninistischen Annahmen. Was mich besonders bedrückt an dieser Arbeit ist, dass Sie sich auf vielen Seiten mit Freiheit und Forschung auseinandersetzen und immer zu dem Schluss kommen, die kann es nur im realen Sozialismus geben."

    "Wenn ich sie heute lese, kommen sie mir fremd vor. Die verbalen Zugeständnisse, die ich in diesen Arbeiten gemacht habe, besonders in der Dissertation A, die sind mir heute peinlich, mit heutigen Augen betrachtet würde ich das auch nicht mehr so machen. "

    Olbertz - vor und nach der Wende parteilos - leistet Abbitte, in gewisser Weise entschuldigt er sich für die realsozialistische Phrasendrescherei von damals. Dem Historiker Kowalczuk - Mitarbeiter der Birthler-Behörde - reicht das nicht aus.

    "Sie als eine öffentliche Person haben sich auch öffentlich damit auseinanderzusetzen. Freiheit beginnt auch mit Verantwortung, mit Verantwortung für meine eigene Vergangenheit, ein Präsident einer Universität hat auch eine Vorbildfunktion."

    "Mir vorzuwerfen, ich hätte mich nicht auseinandergesetzt, ist wirklich ein Unding. Ich war Mitglied einer Enquetekommission, die die Entwicklung der DDR-Pädagogik rekonstruiert hat im Rahmen der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaften. Ich muss mir wirklich nicht alles von Ihnen bieten lassen."

    Er sei kein ideologischer Einpeitscher gewesen, sagt Olbertz, sei auch nie der SED oder einer Blockpartei beigetreten, obwohl man versucht habe, ihn dazu zu bringen. Außerdem hätten ihn die Kollegen nach der Wende zum ersten frei gewählten Direktor seines Uni-Instituts gemacht.

    "Aber wer hat Sie denn gewählt, das waren doch die alten Kader, die Sie gewählt haben, die froh waren, Alibi-Leute vor sich herzuschieben. "

    "Letzten Endes von der These auszugehen, erst hatten wir die Stasi-Offiziere und die Spitzel, mit denen ich auch zu tun hatte, dann die SED-Kader, und jetzt nehmen wir uns mal Leute vor wie den Olbertz, können Sie mir eigentlich sagen, wer am Ende übirg bleiben soll und wie es weitergeht in Deutschland?"

    Jan-Hendrik Olbertz ist sichtlich angegriffen. Auf Forderungen, Transparenz herzustellen und seine DDR-Schriften ins Internet zu stellen, reagiert der neue Unipräsident nicht. Das Publikum: gespalten.
    Der Applaus der DDR-Dissidenten gilt Kowalczuk, der Applaus derjenigen, die damals Karriere gemacht oder sich durchlaviert haben, gilt Olbertz. Der sieht sich als Opfer einer Kampagne.

    "Und Sie können diese Geschichte zum dauerhaften Brandmal für mich machen, damit können Sie mich handlungsunfähig machen, ganz klar. Ich frage mich nur, warum Sie das machen."

    "Ich werde es zu einem meiner Programmpunkte machen, den Opfern dieser kommunistischen Hochschulpolitik auch ein Denkmal zu setzen."

    Im Publikum auch Studenten der Humboldt-Uni. Der eine hat bereits die DDR-Schriften von Olbertz gelesen und kann darin nichts Ehrenrühriges finden, der andere erwartet ein klares Schuldbekenntnis.

    "Ich finde, was nach wie vor fehlt, oder was viel früher hätte kommen müssen, ist von Olbertz ein klares Statement, eine klare Distanzierung, klar einzuräumen, dass das moralisch nicht richtig war, nicht immer diese Phrasen, das kann man aus dem heutigen Kontext nicht beurteilen."

    Egal ob sie Position für oder gegen Jan-Hendrik Olbertz beziehen: Ein guter Start für den neuen Präsidenten der Humboldt-Uni ist das nicht. Da sind sich die Studierenden einig.

    "Irgendwas bleibt immer hängen, und deshalb ist unser künftiger Präsident schon jetzt beschädigt, und das finde ich sehr schade. "