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Dandy der alten Schule

Matthieu Ashehoug unterwandert mit seinem Trio "Askehoug" die französische Musikszene mit düsteren Balladen und feiner Ironie. In Frankreich hofft man schon auf einen neuen Serge Gainsbourg. Bei der eleganten Kombination aus Chanson, Jazz und Rock macht ihm jedenfalls keiner etwas vor.

Von Cornelius Wüllenkemper |
    In seinen Musikvideos räkelt sich Matthieu Ashehoug - ein schlaksiger Mittvierziger - in einer zu engen Badehose am Rande eines leeren Swimmingpools, wie eine Diva aus den 20er-Jahren. Oder er sinniert bei der morgendlichen Rasur im Selbstgespräch über den heutigen Mangel an Stil, egal ob im zwischenmenschlichen Umgang, in Sachen Ästhetik oder beim Sex. Wie Matthieu Ashehoug sich unter dem Künstlernamen Askehoug neu erfunden hat, erklärt er am besten selbst:

    "Ziemlich extrovertiert, überhaupt nicht schüchtern oder gar feige. Also ziemlich genau das Gegenteil von dem, was ich im echten Leben bin. Er ist äußerst liebenswert talentiert, er kann gut singen und die Mädels fliegen auf ihn. Ich mag diesen Typen, er tut mir gut, ich brauche ihn sogar."

    Askehoug ist eine Kunstfigur, die bereits in Frankreich ernst gemeinte Hoffnungen auf einen neuen Bashung, Arthur H oder gar Serge Gainsbourg beflügeln. Und auch hierzulande lässt er die Musikkritiker vermuten, dass in seinem Fall wirklich etwas dran sein könnte. Mit seinem klassisch besetzten Jazz-Trio steht Askehoug nicht nur musikalisch für die Rückbesinnung auf alte Werte, künstlerisch ist er dabei allerdings ziemlich unkonventionell.

    "Aber Jaaa! Es fehlt heute brutal an Stil! Ich sage nicht, dass ich welchen habe, aber ich verlange ihn! Zum Beispiel in der Politik, wo man lügen kann, bis sich die Balken biegen, und das einfach akzeptiert wird. Oder bei Verkäufern, die wahnsinnig unfreundlich sind. Ich mag so alte Werte wie die Höflichkeit. Als Künstler stelle ich einen Dandy der alten Schule dar."

    In Askehougs Songs schwingt etwas Vornehmes mit, sie sind musikalisch anspruchsvoll arrangiert und genau eingespielt. Aus seinen Texten spricht der Sprössling des französischen Bürgertums, gebildet, feinsinnig, und stets besorgt um den guten Ton und gepflegten Umgang. Für die alte Schule, die ihn geprägt hat, hat Askehoug dabei heute vor allem Ironie übrig.

    "Ich habe mich sozusagen mit dem nationalen Bildungssystem überworfen. Man wollte aus mir einen Anwalt oder einen Arzt machen. Dass ich musikalisch war, gut zeichnen und malen konnte, war zwar klar, aber doch bitte nicht wie so viele andere einen Beruf daraus machen! Nun ja, ich war dickköpfig."

    Manchmal schreibt das Leben eben die schönsten Geschichten: Auf der Kunsthochschule, die ihn tatsächlich aufnahm, spielte Askehoug mit einer Punkband in Badeschlappen französische Chansons nach, später verdiente er als Begleitmusiker gutes Geld bei Großkonzerten. Und dann irgendwann entschied er, dass er selbst seine eigenen Songs singen muss.

    In dem Song über die "Epidermique de l’homme" beschreibt Askehoug den menschlichen Körper am eigenen Beispiel auf eine Art, dass man nicht recht weiß, ob man peinlich berührt sein oder laut lachen soll. Das Trio kombiniert Piano oder Gitarre, Schlagzeug und Kontrabass mit Askehougs Sprechgesangstimme, deren Timbre man nicht so schnell vergisst. Zwischendrin: Synthesizer, Streicherensembles oder eine arabische Laute. Das Chanson à la Serge Gainsbourg ist nur einer der vielen Einflüsse, aus denen das Trio seine Songs in Eigenregie komponiert und produziert, erklärt Bassist James Sindatry.

    Neben fein ironischen, manchmal einfach nur wunderschön poetischen, aber nie banalen Texten, glänzt Askehoug mit einer natürlichen Musikalität, die ziemlich raffiniert mit den Genres spielt. Songs mit Herzblut.