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Daniel Brühl in "7 Tage in Entebbe"
"Ich bin kein radikaler Mensch"

Er verurteile Terrorismus jedweder Art, sagte der Schauspieler Daniel Brühl über seine Rolle im Film "7 Tage in Entebbe" im Dlf. Beim Blick auf den Status quo sei er aber traurig - er sei in einer Zeit aufgewachsen, in denen Mauern eingerissen wurden, in einer sehr solidarischen, europäischen Familie.

Daniel Brühl im Corsogespräch mit Sigrid Fischer |
    Daniel Brühl in "7 Tage in Entebbe"
    Daniel Brühl in seiner Rolle als Wilfried Böse (imago/ZUMA Press/FocusxFeatures)
    Im Juni 1976 kaperten deutsche und palästinensische Terroristen in der ugandischen Stadt Entebbe eine Air-France-Maschine, um palästinensische Gefangene freizupressen. Die Geiseln überlebten, die Geiselnehmer wurden bei der Befreiungsaktion getötet. Schon mehrfach wurde dieser Stoff verfilmt, was den Brasilianer José Padilha nicht daran gehindert hat, es jetzt ebenfalls zu tun. Daniel Brühl spielt in "7 Tage in Entebbe" den Entführer Wilfried Böse. Sigrid Fischer hat Daniel Brühl zum Corsogespräch getroffen.
    "Ich bin sehr geschichtsinteressiert"
    Sigrid Fischer: Daniel Brühl, wenn ich mich richtig erinnere, ist das nicht der erste Filmtod, den Sie gestorben sind in "7 Tage in Entebbe", oder?
    Daniel Brühl: Tarantino. Und zwar zu Ennio Morricone. Was ich ja toll fand, habe ich mich damals bei Quentin bedankt. Einen schöneren Tod werde ich nicht haben. Und wenn ich das im Griff haben sollte, und wenn ich dann wirklich ins Gras beiße, werde ich dann vielleicht noch mal einen Ennio-Morricone-Song auflegen. Das finde ich ja immer schwierig, Leiche spielen. Fand ich gar nicht einfach. Dann flattert ja dann irgendwann der Wind über uns, und ich war ja ganz enttäuscht beim ersten Sichten. Ich dachte, ich seh doch ganz genau, wie ich atme. Aber dann hab ich gecheckt, dass es die Windmaschine ist. Ich dachte, ich Kurt kann noch nicht mal zehn Sekunden die Luft anhalten.
    Fischer: Okay, wir haben jetzt, glaube ich, nicht gespoilert, denn wie das Geiseldrama von Entebbe geendet hat, steht im Geschichtsbuch. Warum wollten Sie den Wilfried Böse spielen, Mitbegründer der sogenannten "Revolutionären Zellen", der 1976 mit anderen zusammen ein Flugzeug entführt, um Palästinenser freizupressen?
    Brühl: In diese Zeit tatsächlich einzutauchen. Bei der Anfrage erst mal musste ich mich orientieren, weil ich dachte automatisch an Landshut und Mogadischu. Und dachte: was war vorher, was war nachher und wer war noch mal genau daran beteiligt und so? Und ich hatte gleich ein gutes Gefühl bei dem Film, weil das in sehr guten Händen war, weil die sich jahrelang mit dem Thema Linksextremismus beschäftigt hatten und Rosamund und mich mit spannendem, brisantem Material versorgt haben, das man halt nicht in der Buchhandlung kriegt oder bei Amazon. Und ich bin sehr geschichtsinteressiert. Ich habe immer gerne über Geschichte gelesen, schon als Jugendlicher, weil mir das ja auch immer was bringt, zu kapieren, wer ich bin und wo ich heute lebe, in was für einer Welt und was für einer Zeit. Wenn man halt die Geschichtsglieder zurückverfolgt und in einige Kapitel dann noch mal eintaucht. Und bei uns, das fand ich auch spannend bei dem Film, ist der Perspektivwechsel zwischen den Deutschen, Palästinensern und Israelis. Das hat mich daran interessiert. Wenn das jetzt ein Film gewesen wäre über Gut und Böse, das sind die kaltblütigen Terroristenmonster und die heroischen israelischen Soldaten, dann hätte mich das natürlich nicht interessiert.
    "Man kann auch in einem Gespräch für seine Haltung kämpfen"
    Fischer: Ihre Figur Wilfried Böse glaubt ja fest daran, dass er für das Richtige kämpft mit diesen falschen Mitteln, er ist eher der Gemäßigte in der Aktion. Haltung zeigen und sich für etwas einsetzen - dafür gäbe es auch zurzeit viele Anlässe. Gibt es etwas, das Ihnen aktuell so wichtig wäre, dass Sie sich dafür stark machen würden?
    Brühl: Ja, sicherlich, aber ich bin kein radikaler Mensch, ich bin kein extremer Mensch und ich hab mit der Figur, die ich da spiele, tatsächlich auch recht wenig zu tun - ich verurteile Terrorismus jedweder Art. Aber man kann auch in einem Gespräch für seine Haltung kämpfen. Und ja, es ist in der geschichtlichen Auseinandersetzung immer ein bisschen traurig, wenn man sich den Status quo jetzt anguckt. Und denkt, wir sind ja nun wirklich gar keinen Schritt weiter, sondern vielleicht sogar noch einen Schritt zurückgegangen. Da gilt es auf jeden Fall zu kämpfen für bestimmte Werte, mit denen ich aufgewachsen bin in Europa. Ich bin jetzt selber Vater geworden, mein Sohn ist jetzt 15 Monate, der kapiert zum Glück noch nicht, was so los ist. Aber ich hoffe, dass wenn der ein bisschen älter ist, die Zeiten anders sind. Denn ich hatte das wahnsinnige Privileg, in einer Zeit aufzuwachsen, in der Mauern eingerissen werden und Grenzen aufgestoßen werden und ich mich in einer sehr solidarischen, europäischen Familie gefühlt habe. Und dass das jetzt alles wieder ganz anders aussieht, ist echt traurig.
    Wir haben noch länger mit Daniel Brühl gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    Fischer: Sie haben sich letzten Herbst sehr ausführlich zum Konflikt in Ihrer anderen Heimat Katalonien geäußert, in der Süddeutschen Zeitung, damit haben Sie auch Haltung gezeigt.
    Brühl: Ja und deshalb wollte ich mich äußern. Ich meine, das ist jetzt kein Kampf, aber ich hatte schon das Bedürfnis. Ich wurde dann von den einschlägigen Fernsehformaten hier in Deutschland innerhalb eines Tages gefragt, ob ich mich in alle Talkshows reinsetze zu diesem Thema. Da hab ich gesagt: Gott bewahre! Aber ich wollte mich dazu äußern, weil ich dieses Bedürfnis und die Wut und die Frustration wirklich verspürt habe und immer noch verspüre. Und wie das dann heutzutage so ist, wird das dann falsch zitiert oder nicht in Gänze übertragen. Das heißt, in Katalonien kam das so an, als würde ich die spanische Sache nur verteidigen. Ich: Leute, da müsst Ihr Euch den Artikel ganz durchlesen. Weil ich sehr unzufrieden bin, extrem unglücklich bin über die Politik der Zentralregierung in Madrid - ich finde das den schlechtesten Präsidenten, den es je gab. Ich bin aber auch dagegen gewesen, was Puigdemont da veranstaltet hat, das war absolut unbesonnen und ein Witz. Und insofern finde ich das sehr problematisch auf beiden Seiten, und ich finde es sehr schade, dass jetzt diese Gräben wieder durch Familien, durch Freundeskreise durchgezogen werden. Und die Stimmung in der Gesellschaft so geschädigt wurde. Hoffentlich entspannt sich das.
    "Das ist absolut unmännlichstes Verhalten"
    Fischer: Wofür beziehungsweise wogegen zur Zeit auch viele Menschen aufstehen, ist der Machtmissbrauch, die sexuellen Übergriffe, unter anderem in der Filmbranche. In den USA sind die Debatten losgetreten worden, es gibt die "#MeToo"-, und die "Time'sUp"-Kampagne. Wie stehen Sie dazu?
    Brühl: Also, ich kann nur sagen, ich unterstütze diese Bewegung natürlich vollkommen. Es hat mich, ehrlich gesagt, schockiert, was ich alles lesen musste über die Männer. Das hat eigentlich nur die Schwäche des Mannes offenbart für mich. Also das ist absolut unmännlichstes Verhalten. Das hat mich irgendwie zutiefst irritiert.
    Fischer: Sie drehen sehr viel in den USA, haben Sie an Filmsets irgendwas mitbekommen?
    Brühl: Also, ich hatte dann mit einigen Leuten zu tun, die jetzt ja auch genannt wurden. Und in dem Beisein ist mir das aber - und vielleicht war ich da ein bisschen naiv - ist mir das jetzt nicht weiter aufgefallen, auch in meinem engeren Kreis auch an männlichen Freunden und Kollegen war das kein Thema. Vielleicht habe ich es einfach nicht gesehen, weil das für mich überhaupt nicht Teil meiner Art ist, war ich dann vielleicht auch blind für so was, weil ich einfach nicht verstehen kann, wie man so durch die Welt gehen kann und ein solches Verhalten an den Tag legen kann. Also diese Debatte und Bewegung, das war jetzt wirklich an der Zeit. Und dass da so ein Ruck durch geht. Aber es gibt natürlich dann bei solchen Fällen auch … Da muss man vorsichtig sein. Da muss die Presse vorsichtig sein, da muss Social Media vorsichtig sein. Das ist ja kaum mehr möglich. Man muss jeden einzelnen Fall intensiv und genau sich anschauen, bevor man dann ein Urteil fällt. Also da hab ich Sachen in der amerikanischen Presse gesehen, wo ich dachte, das ist nicht in Ordnung. Du kannst nicht den einen wirklich großen Fall mit einem anderen verbinden, da muss man vorsichtig sein.
    Der "Negativus Destructivus" und die Altersmilde
    Fischer: Daniel Brühl, Sie sprachen eben davon, dass Sie jetzt Vater sind - verändert das den Blick auf die Dinge, auf die Welt?
    Brühl: Vor allen Dingen, glaube ich, vielleicht für einen Schauspieler ist, was das mit dem Narzissmus macht und mit dem Gefühl zu sich selber, dass da jemand plötzlich ist, der dann doch noch wichtiger ist als man selber. Ist schon ein sehr schönes Gefühl, muss ich sagen. Das erfüllt mich extrem.
    Fischer: Na ja, ohne Narzissmus wird man vermutlich nicht Schauspieler. Wie äußert sich der denn bei Ihnen?
    Brühl: Ich wurde von - jetzt bei der amerikanischen Serie, die ich gedreht habe - von Dakota Fanning "Negativus Destructivus" immer genannt. Weil ich bin extrem hart mit mir in der Selbstkritik. Und ich bin auch selbst mit guten Sachen oft noch unzufrieden. Und das ist ja auch gut: besser so, als wenn man sagen würde: "Isch bin großartisch, war super mal wieder!" Das wär ja schlimm, aber man darf jetzt auch nicht übertreiben. Und da merke ich jetzt, also altersmilde, ich bin ja 39, nicht übertreiben, aber ich werde schon jetzt, und ich glaube, das hat auch was mit meinem Sohn zu tun, dass ich auch da mit mir jetzt so ein bisschen freundlicher geworden bin, ne.
    Fischer: Wie nehmen die Amerikaner Sie wahr? Sind Sie da der Deutsche oder sind Sie der aus Europa?
    Brühl: Eher Europa tatsächlich. Also jetzt schon, auch in Los Angeles sprechen ja so viele Spanisch, viele wussten, dass ich Spanisch spreche, und dann wirst Du auch auf Spanisch angesprochen. Viele kennen mich natürlich als Deutschen - also ich würde sagen, es ist gemischt, Deutsch und Spanisch. Aber es freut mich schon, dass man jetzt immer öfter auf der Straße tatsächlich angesprochen wird und erkannt wird. Das hätte ich ja jetzt auch nicht gedacht, als ich anfing. Als ich das letzte Mal, als ich jetzt da war, hingen ja diese riesen "Alienist"-Poster im ganzen Land - da habe ich mich wirklich gefühlt wie ein 12-Jähriger. Ich habe die ganze Zeit Fotos gemacht für meine Mutter. Das hat man halt auch nicht alle Tage, dass so was so omnipräsent riesig angeworben wird irgendwo. Und dann ist es schon ein Moment, in dem man kurz innehält. Ich habe dann auch mit einem Freund auf der Motorhaube gesessen, und dann haben wir noch irgendwie einfach nachts auf dieses Poster geguckt. Und dann dachte ich: Ja, ist schon irre, dass man das ab und zu mal erleben darf.