Gut drei Monate vor der FIFA-Fußball-Europameisterschaft 2020, die über den ganzen Kontinent verteilt stattfinden wird, ist der Fußball in einer denkbar schlechten Verfassung: Streikende Spieler, horrende Ablösesummen und Wettbewerbe in autokratischen Ländern wie Katar, dem Austragungsort der FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft 2022.
Auch Grünen-Politiker und Fußballfan Daniel Cohn-Bendit nimmt diese Entwicklungen im Fußball - und im Sport generell - wahr. Trotzdem wendet er sich nicht ab, denn: "Andererseits gibt es einen Fußball und es gibt 22 Spieler, die dem Ball hinterher rennen", so Cohn-Bendit, "und sobald der Ball rollt, sind wir fasziniert. Das ist der Widerspruch, in dem wir leben."
Fußballfan seit seinem sechsten Lebensjahr
Es sei ein Widerspruch, mit dem er leben könne, erklärte Daniel Cohn-Bendit im Dlf-Sportgespräch, plädierte jedoch gleichzeitig dafür, Verantwortung zu übernehmen: "Ich finde, dass wir Kriterien aufstellen müssen, wo Olympische Spiele und Weltmeisterschaften stattfinden können."
Diese Kriterien müssten die Einhaltung der Menschenrechte im Austragungsland genauso berücksichtigen wie soziale Kriterien, die zum Beispiel dafür sorgen, dass Arbeiter und Arbeiterinnen, die Stadien und Sportstätten erbauen, nicht ausgebeutet werden. Angesichts "der Probleme, die wir heute haben", sei es nicht zuletzt wichtig, ökologische Kriterien aufzustellen.
Der 74-Jährige ist Ikone der 68er-Bewegung, Alt-Linker und ehemaliger Grünen-Abgeordneter im Europaparlament. Doch nicht nur die Politik hat ihn sein ganzes Leben lang begleitet, auch der Fußball.
"Ich hab mich seit meinem sechsten Lebensjahr für Fußball interessiert, mit sieben bin ich zum ersten Mal im Stadion gewesen", erzählte Cohn-Bendit. Er habe in seinem Leben viel und gern Fußball gespielt und auch darüber geredet - unter anderem in verschiedenen französischen Medien.
"Sport ist auch politisch"
Fußball und Politik - zwei Leidenschaften, über die er jetzt ein Buch geschrieben hat: "Unter den Stollen der Strand" ist der Titel seiner Autobiografie. Passt das zusammen - Sport und Politik?
"Ja", entgegnet Cohn-Bendit entschieden, "Sport ist auch politisch und ich bin dafür, dass Sportler sich auch politisch artikulieren dürfen und sagen dürfen, was sie meinen."
So wie es US-Nationalspielerin Megan Rapinoe nach der letzten Weltmeisterschaft getan habe: "Das öffnete doch den Kopf", sagte Cohn-Bendit und erklärte: "Frauenfußball ist die Zukunft des Fußballs".
"Frauenfußball ist die Zukunft des Fußballs"
Auch im Umgang mit Sexualität sei Frauenfußball seiner Ansicht nach ein Vorbild für den Männerfußball: "Wie selbstverständlich bei den Frauen die Homosexualität ist: Einige sind Lesben, andere nicht. Sie leben das."
Einen ähnlichen Umgang wünsche er sich auch im Männerfußball. Ein aktiver Nationalspieler, der sich offen zu seiner Homosexualität bekenne, "das würde eine Lawine auslösen von Outings", so Cohn-Bendit, "und das wär wunderbar!"