Die Bundesregierung habe ihrer großen Ziele beim Wohnungsbau allesamt verfehlt, sagte der wohnungsbaupolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Föst, im Deutschlandfunk. In der Bundesrepublik könne günstiger und mehr gebaut werden, "wenn wir unsere Vorschriften, unsere Regeln, unsere Normen, unsere Gesetze mal etwas entschlacken".
Stefan Heinlein: Wir haben es gehört, Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) ist hochzufrieden: 1,5 Millionen neue Wohnungen hat er zu Beginn der Offensive versprochen, 1,2 Millionen hat er nach eigenen Worten bislang geliefert. Höchste Zeit für Sie als Opposition, die Bundesregierung auch einmal zu loben?
Daniel Föst: Wir schauen uns einfach die nackten Zahlen an. Wir sind ergebnisorientiert, und da zählt halt: Sind die Mietkosten gesunken? Nein, sind sie nicht. Sind die Kosten fürs Eigenheim gesunken? Nein, sind sie nicht. Sind wir bei der CO2-Reduzierung vorangekommen? Nein, wir sind nicht. Haben wir mehr Bauland? Nein, haben wir nicht.
Also von den vielen großen Zielen, die man zu Recht auf die Agenda geschrieben hat, wurden alle verfehlt. Und für uns als Freie Demokraten ist besonders bitter, dass die Eigentumsquote, die in Deutschland ja schon die niedrigste in ganz Europa ist, das erste Mal seit 1993 auch noch gesunken ist. Wir erreichen praktisch kein Ziel.
Heinlein: Sie blicken auf die Zahlen, 1,2 Millionen neue Wohnungen in drei Jahren. Ist das eine schlechte Zahl?
Föst: Das ist keine schlechte Zahl, aber es ist halt zu wenig. Wir brauchen Wohnraum. Was wir zum einen völlig unterlassen haben in dieser Legislaturperiode, ist, bei den Baukosten anzusetzen. Wir müssen günstiger bauen. Wir haben mit die höchsten Standards. Wir haben auch gestern in der Anhörung beim Baulandmobilisierungsgesetz immer wieder mal das Thema gehabt, dass man zum Beispiel in Nordeuropa fast für die Hälfte bauen kann, obwohl der Standard nicht wesentlich schlechter ist.
Wenn wir günstiger bauen, wenn wir unsere Vorschriften, unsere Regeln, unsere Normen, unsere Gesetze mal etwas entschlacken, wenn wir günstiger bauen, dann können wir auch günstiger wohnen. Das ist ein ganz, ganz großer Hebel, der nicht angegangen wurde. Und wir müssen beschleunigen. 1,2 Millionen Wohnungen ist besser als nichts, mach ich ’nen Haken ran, aber es reicht halt nicht. Deswegen müssen wir auch schneller bauen.
Vorschläge für billigeres Bauen
Heinlein: Mehr Eigentum, sagen Sie, tatsächlich ein erklärtes Ziel Ihrer Partei, der FDP, ist ja, das eigene Häuschen, die eigene Wohnung für immer mehr Menschen zu fördern. Wie soll das denn funktionieren? Dann müssen doch entweder die Preise sinken, im Gegenteil aber, sie steigen, oder die Einkommen müssen steigen. Hat die FDP dazu ein Wundermittel in ihrem Programm?
Föst: Wir haben kein Wundermittel, aber einen funktionierenden Zehn-Punkte-Plan. Das Eigentum, das Wohneigentum an sich ist einfach sehr, sehr hoch wertzuschätzen. Es schützt vor Altersarmut – nicht nur die Generation, die es sich zulegt, sondern auch die Generation darüber hinaus.
Wir müssen runter bei den hohen Bau- und Kaufnebenkosten, Grunderwerbsteuerfreibetrag für die selbst genutzte Immobilie. Wir müssen auch mal überlegen, ob wir nicht sogar das Katasteramt vereinfachen. Also die Baunebenkosten sind schwierig. Dann auch hier wieder: Wenn es uns gelingt, die Baukosten zu senken, also wenn wir günstiger bauen, dann ist es auch günstiger zu kaufen. Ein dritter Punkt ist dann auch irgendwo die Frage der Baulandmobilisierung: Wir brauchen Bauland. Es wird ja immer auch Wien als gutes Beispiel für Wohnen, Mieten et cetera angeführt – Wien ist auch deshalb so gut, weil sie regelmäßig neue Stadtgebiete entwickeln. Solange wir diese drei Sachen nicht in den Griff bekommen, die Baukosten, die Kauf- und Baunebenkosten und das fehlende Bauland, werden die Preise hoch sein, und die Menschen werden sich kein Eigentum leisten können. An diesen drei Hebeln würde ich dringend ansetzen.
1,5 Millionen zusätzliche Wohnungen durch Dachausbau
Heinlein: Herr Föst, das Hauptproblem – und da werden Sie vermutlich auch als FDP-Politiker nicht widersprechen – ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Kann der Markt, kann die soziale Marktwirtschaft hier es alleine richten, oder braucht es für mehr bezahlbaren Wohnraum auch mehr Staat, mehr öffentlich geförderten Wohnungsbau?
Föst: Ich bin dankbar für jeden, der Wohnraum schafft – ob das die Genossenschaften sind, ob das Landeswohnungsbaugesellschaften sind, städtische Unternehmen, ob es Privatinvestoren sind, wir brauchen Wohnraum. Ich hab kein Problem mit dem sozialen Wohnungsbau, wir haben ja auch der Grundgesetzänderung zugestimmt, dass der Bund mehr in Sozialwohnungsbau investieren kann, aber allein wird das nicht reichen. Es wird nicht reichen, auch weil wir trotz mehr Geld immer noch zu wenig Sozialwohnungen bauen. Deswegen müssen wir mehr bauen, um das Angebot zu schaffen, und wir müssen auch da runter mit den Baukosten.
Es ist ja auch deshalb so teuer, weil wir teuer bauen und weil wir kein Bauland haben. Da wäre ein ganz, ganz, ganz, ganz großer Hebel, um irgendwo auch für das mittlere und untere Preissegment günstige Wohnungen zu schaffen, wenn wir Dächer ausbauen, wenn wir das Bauland nutzen würden, das auf unseren Flachdächern und in den Dachgeschossen liegt. Wenn wir das drastisch vereinfachen könnten, wäre ein Dachausbau, Dachaufbau gut möglich. Die Wissenschaft redet von 1,5 Millionen zusätzlichen Wohnungen, die allein durch Dachgeschossausbau und -aufbau geschaffen werden könnten in Deutschland. Das ist auch ein Feld, das leider völlig vernachlässigt wurde.
Heinlein: Herr Föst, jetzt hab ich Ihren Appell vernommen, aber meine Frage haben Sie noch nicht ganz beantwortet: Braucht es mehr öffentlich geförderten Wohnungsbau, oder können es private Investoren alleine richten – denn sozial bauen, das ist bei Privatinvestoren ja durchaus schwierig, es geht ihnen ja zunächst einmal um Profit, um möglicherweise auch den maximalen Profit.
Föst: Was zunehmend fehlt am Wohnungsmarkt, ist die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Teilnehmern am Markt, zwischen den privaten, den staatlichen, dem Staat, den Genossenschaften. Das ist etwas in die Schieflage gekommen. Der Staat hat den ganz, ganz großen Vorteil, dass er vergünstigt – da gibt es die Verbilligungsrichtlinie – auf Grundstücke in Bundeseigentum zugreifen kann, und diesen Preisvorteil soll er bitte auch nutzen. Da kann er Wohnungen hinbauen, die können auch sozial gefördert werden, und da entsteht günstiger Wohnraum. Also ja, wir brauchen mehr günstigen Wohnraum. Es ist auch vollkommen okay, wenn der Staat da seine Hausaufgaben macht, aber wir werden das Gesamtproblem nicht lösen, wenn wir weiter auf Konfrontation fahren. Wir brauchen mehr Kooperation statt Konfrontation. Wenn man sich die Reaktionen derjenigen, die die Wohnungen bauen – übrigens auch die Genossenschaften –, anschaut, dann sieht das alles sehr, sehr nach Konfrontation aus, nicht nach Kooperation.
Kritik am "Wahlgeschenk" Baukindergeld
Heinlein: Reden wir hier zum Schluss unseres Gespräches, Herr Föst, noch über den Bestand, über den Wohnraumbestand: Hier sind ja die Mietpreiserhöhungen für die bereits existierenden Wohnungen ein Riesenproblem, und hier lobt sich die Bundesregierung für die Einhaltung ihrer Versprechen vor drei Jahren: Das Wohngeld wurde erhöht, es gibt ein Baukindergeld. Hätte sich die FDP, hätten Sie, Herr Föst, sich dieses Geld gespart?
Föst: Um es einmal ganz deutlich zu sagen: Die Reform des Wohngeldes war überfällig und sehr gut. Wir haben lange darauf gedrängt, dass das Wohngeld sich automatisch an die Entwicklung der Kosten anpasst. Das war gut, das hat gepasst, da haben wir zugestimmt. Das Baukindergeld – ein milliardenteures Wahlgeschenk. Ich hab überhaupt kein Problem damit, wenn die Familien, die Eigentum wollen, dieses Geschenk annehmen, wenn man sagt, okay, gut, wir gehen ins Eigenheim, wir nehmen das Baukindergeld. Aber falls das Ziel war, günstigen Wohnraum zu schaffen und mehr Menschen ins Eigentum zu bringen, dann hat das Baukindergeld einfach versagt. Es ist vollkommen okay, dass die Menschen es nehmen – ich nutze meinen Steuerfreibetrag ja auch aus –, aber das Ziel haben wir nicht erreicht. Wenn wir das Geld besser investiert hätten, eben in einen Freibetrag der Grunderwerbsteuer, eben zum Beispiel in die Digitalisierung des Bauens und des Bauantragswesens, und wenn wir das investiert hätten in mehr Angebot, dann wären wir weiter gewesen als so.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.