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Danke, aber nein danke!

Bundesaußenminister Guido Westerwelle brachte beim informellen EU-Außenminstertreffen in Kopenhagen letzte Woche eine Diskussion über die europäische Verfassung ins Rollen. Die Begeisterung seiner Amtskollegen hielt sich in Grenzen. Besonders in Dänemark.

Von Marc-Christoph Wagner | 19.03.2012
    Als die EU-Außenminister kürzlich zu einem informellen Treffen in Kopenhagen zusammentrafen, überraschte Bundesaußenminister Guido Westerwelle seine Kollegen bereits bei der Ankunft.

    "Ich glaube, dass wir in der Europapolitik ein neues Kapitel aufschlagen müssen. Wir dürfen uns nicht nur auf die Krisenbewältigung beschränken, sondern wir müssen auch zeigen, dass Europa auch eine politische Perspektive hat. Ich glaube, dass wir auch in Europa darüber reden müssen, wie unsere Entscheidungsstrukturen effizienter werden, wie Europa demokratischer wird, wie wir Europa weiterentwickeln, auch über das Finanzpolitische und Wirtschaftspolitische hinaus."

    Die Zukunft Europas – nichts weniger setzte Westerwelle auf die Tagesordnung. Ausdrücklich warnte der deutsche Außenminister vor Tendenzen der Renationalisierung, kritisierte all jene Politiker, die sich innenpolitisch auf Kosten Europas profilierten und gemeinsame Errungenschaften wie Schengen und die europaweite Reisefreiheit hinterfragten. Mehr, nicht weniger Europa, so Westerwelle, sei die Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft:

    "Ich glaube, es wäre gut, wenn wir in ganz Europa eines Tages einen Präsidenten unmittelbar vom Volk wählen lassen, weil man dann eine europäische Persönlichkeit hat, die für sich werben muss, für die eigene Politik werben muss – und zwar nicht nur Zuhause, sondern in der gesamten Europäischen Union. Ich glaube auch, dass wir die Debatte über eine europäische Verfassung wiedereröffnen müssen. Wir haben einen guten Vertrag, aber wir brauchen eine wirkliche Verfassung in Europa. Und meiner Meinung nach sollten wir jetzt mit dieser Diskussion beginnen, denn wenn wir 500 Millionen Menschen mitnehmen wollen auf diesen Weg wird es einige Jahre brauchen."

    Ein Weg, den der dänische Außenminister Villy Søvndal sogleich als Sackgasse bezeichnete. Europa habe alle Instrumente, die es brauche. Für ein Abendessen, bei dem ein europäischer Präsident und eine europäische Verfassung diskutiert werden solle, biete sein Kalender keinen Platz.

    "Am gleichen Abend haben wir ein Regierungsseminar. Natürlich diskutiere ich gerne europäische Perspektiven. Aber wir Minister müssen nun einmal abwägen, welche Treffen wichtig sind und welche nicht."

    Rückendeckung erhielt der dänische Außenminister von Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt. Gerade erst habe man den Fiskalpakt beschlossen, für eine Verfassungsdiskussion sei jetzt nicht die richtige Zeit. Dennoch versuchte sie die Wogen zu glätten und wies ihren Außenminister quasi öffentlich an, sich zumindest an weiteren Treffen des Westerwelle-Kreises zu beteiligen:

    "Ich freue mich, dass Dänemark als ein Land wahrgenommen wird, das Standpunkte hat und über die Zukunft Europas mitredet, ja das zum Kern Europas gehört. Deswegen auch werden wir künftig an diesen Gesprächen teilnehmen, die ich als wichtig und sehr relevant betrachte."

    Unterdessen kritisiert die Opposition die zögerlichen und zwiespältigen Signale der dänischen Regierung. Lykke Friis, europapolitische Sprecherin der Rechtsliberalen:

    "Nee, also ich hätte als dänische Außenministerin, wenn ich so eine Einladung bekommen hätte, den ersten Flieger nach Berlin genommen. Weil wir haben nicht die endgültige Antwort gefunden mit dem jetzigen Vertrag zur europäischen Legitimation. Wir haben große Probleme mit der öffentlichen Unterstützung der Europäischen Union und es ist klar, vielleicht waren die Ideen, die nun aus Deutschland gekommen sind, nicht die einhundertprozentig richtigen, aber dann kann man ja die eigenen Ideen mit an den Tisch bringen. Es ist ja auch ganz klar, es ist der Anfang eines wichtigen Prozesses, nicht der Schlusspunkt."

    Friis vermutet innenpolitische Gründe für die Vorbehalte der Regierung. Im Grunde nämlich sei diese an einer europapolitischen Grundsatzdiskussion nicht interessiert – aus Angst vor den eigenen Wählern:

    "Also, in Dänemark ist es so, wenn man das Wort Verfassung benutzt – und das war ja auch das ganz große Problem oder die Herausforderung bei der Debatte zum Verfassungsvertrag – dann denkt man gleich, jetzt kommt der ganz, ganz große europäische Bundesstaat und dann verschwindet klein Dänemark total. Auch weil wir die Europäische Union immer so diskutiert haben: Als ob wir verschwinden würden, wenn wir was abgeben müssen an Souveränität. Dass wir gemeinsam auch gewinnen können, dass wir eigentlich nur gemeinsam auf der globalen Ebene Einfluss haben können, dieser Punkt ist nicht sonderlich präsent in der dänischen EU-Debatte."