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Darts-WM
Ansager "The Voice" Russ Bray hört auf

Zu Darts-Spielen gehört neben zwei Spielern der so genannte Caller. Er überprüft geworfene Pfeile und ruft erzielte Punkte aus. Was er sagt, zählt. Der berühmteste Caller ist Russ Bray, der mit der aktuellen Weltmeisterschaft seine Karriere beendet.

Von Kevin Barth |
Russ Brays Gesicht vor einem dunklen Hintergrund: Älterer weißer Mann mit Glatze.
Caller Russ Bray wird bei der Darts-WM das Finale und damit sein letztes Spiel callen. (IMAGO / Pro Sports Images / IMAGO / Ian Stephen)
„Es gibt keinen, der Taylor kennt, aber nicht Russ Bray. Du kennst immer Russ Bray, wenn du über den Dartsport sprichst. Er ist genauso bekannt, wie die ganzen spielenden Superstars, ganz sicher.“ Das sagt der deutsche Schiedsrichter Gordon Shumway über seinen berühmten Kollegen. Russ Bray – oder auch: „The Voice“.

Bekanntester Ruf: One hundred and eighty

Drei Pfeile in der dreifachen 20, 180 und damit die höchste Punktzahl beim Dartssport. Das ist der bekannteste Ruf von Russ Bray. Den gibt es sogar als Handyklingelton. Und auch bei Spielern wie der deutschen Nummer Eins Gabriel Clemens macht der Schiedsrichter Eindruck:
„Es ist, glaube ich, die markanteste Stimme bei den Callern. Ich hatte schon einige Spiele, natürlich auch bei der WM, wo er gecallt hat und es ist schon was Besonderes, wenn er dann da vorne steht und eine 180 schreit.“

Shumway: "Koryphäe aufgrund seiner Stimme"

Auch Schiedsrichterkollege Gordon Shumway spricht beim Gedanken an Bray als erstes über dieses eine Merkmal: „Rechnen können ja viele, aber er ist ja diese Koryphäe geworden aufgrund seiner Stimme. Ansonsten wäre er ein ganz normaler Caller geworden, ich kann mir gar nicht vorstellen, dass er ohne diese Stimme diese Karriere gemacht hätte, die er jetzt halt gemacht hat.“
Dabei wird Russ Bray eher zufällig Caller. Hauptberuflich ist er zunächst Streifenpolizist, dann Gerüstbauer. In seiner Freizeit spielt er Darts und als bei einem Ligaspiel für sein englisches County-Team der Schiedsrichter fehlt, springt er ein. 1996 wird die Professional Darts Corporation auf ihn aufmerksam. Er wird zum Ersatzschiedsrichter der PDC beim zweitwichtigsten Turnier des Jahres:
„Ich habe zwei Spiele gecallt und als ich danach von der Bühne kam drehte sich der Turnierdirektor zu mir um und sagte: Wir haben keine Aushilfe mehr, ab sofort gibt es drei Schiedsrichter bei uns. Willkommen bei der PDC.“
So erinnert Russ Bray sich heute im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Ein paar Jahre später wird er hauptberuflich Schiedsrichter. 2002 ist er der Caller bei einem historischen Moment: Zum ersten Mal wirft mit Phil Taylor ein Spieler live im Fernsehen einen 9-Darter, das perfekte Spiel, bei dem die 501 Punkte mit nur neun Pfeilen heruntergespielt werden.
Bray sagt vor den letzten drei Darts noch die Restpunktzahl an, alles andere übertönen die Kommentatoren. Über die Jahre wird der dunkelhaarige Engländer mit Tattoos auf beiden Armen immer bekannter. Er bekommt den Spitznamen „The Voice“. Als Superstar würde sich Bray selbst nie bezeichnen. Er weiß aber ganz genau, welchen Einfluss er auf den Sport hat:
„Statt einfach nur Zahlen auszurufen, habe ich den Callern einen prominenten Status gegeben. Das hatte ich nie vor und habe es auch nie erwartet, es ist einfach passiert. Wer heute ein Spiel beim Darts schaut, achtet genauso auf den Caller wie auf die Spieler.“

"Auf der Bühne der Chef"

Für Schiedsrichterkollege Gordon Shumway ist Bray nicht einfach nur der Mann mit der lustigen Stimme. Er lobt ihn auch generell als Schiedsrichter und Mensch:
„Er strahlt Respekt aus und behandelt die Spieler immer höflich und zuvorkommend. Macht auch gerne mal ein Witzchen oder Späßchen auf der Bühne. Sobald es ‚Game On‘ heißt, dann ist er der Chef auf der Bühne. Russ ist auch wirklich einer noch der wenigen gewesen, die hin und wieder mal gesagt haben: ‚Ladies and Gentleman, the very best of order‘, wenn es irgendwie zu bunt wurde. Auf der anderen Seite auch einer der feinsten Typen, die man wahrscheinlich im Dartsport kennenlernen darf.“
Weil er sich nicht mehr so gut konzentrieren kann und auch das schnelle Mitrechnen immer anstrengender wird, hört Bray nach dieser Weltmeisterschaft auf. Das Finale darf natürlich er leiten. Nach so vielen Jahren ist er von den fliegenden Pfeilen immer noch fasziniert:
„Ich liebe einfach den Dartssport und Caller zu sein, war etwas Neues. Das hat mir von Anfang an gut gefallen und die Tatsache, dass mich die Leute auch gut finden, hat es noch besser gemacht. Ich darf um die Welt reisen, neue Länder und Menschen kennenlernen. Das ist etwas völlig anderes als in meinen vorherigen Jobs und ich genieße es sehr.“

"Ich kann dem Sport noch viel geben"

Den Fans versucht er bei jeder Gelegenheit etwas zurückzugeben. Auch während der Weltmeisterschaft schreibt er in seinen Pausen Autogramme. Wer möchte, kann ein Foto mit ihm und der WM-Trophäe machen. Ganz die Finger vom Dartssport lassen, kann Russ Bray auch nach seiner letzten WM nicht. Er wird in den nächsten Jahren Botschafter für die Professional Darts Corporation. Vor allem für den asiatischen Markt:
„Irgendwo da draußen ist ein Michael van Gerwen, oder Phil Taylor und es geht darum, diese Person zu finden. Ich kann vor Ort sein und schauen, was wir noch verbessern können. Ich denke, ich kann dem Sport immer noch viel geben, weil ich es möchte und weil die PDC mich darum gebeten hat.“