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Darwin und der Buntbarsch

Biologie. - Biologen der Universität Konstanz haben in einem Kratersee in Nicaragua eine neue Buntbarschart entdeckt. Sie hat sich aus einer anderen heraus entwickelt, ohne dass beide geografisch voneinander getrennt wurden. Diese so genannte sympatrische Artenentwicklung ist extrem selten. Der Entdecker, Professor Axel Meyer von der Universität Konstanz berichtet im Gespräch mit Monika Seynsche.

    Seynsche: Was verbirgt sich hinter der sympatrischen Artentstehung?

    Meyer: Das Modell der sympatrischen Artbildung geht davon aus, dass neue Arten auch ohne diese geographische Trennung entstehen können. Wo innerhalb einer Population einige Individuen anfangen, eine andere ökologische Nische auszunutzen, zum Beispiel indem sie etwas anderes fressen, aber im selben Habitat, in derselben Umgebung, in der diese Individuen auch leben. Und wenn diese Anpassungen, die damit einhergehen, eine andere Futtersorte zum Beispiel auszuwählen und zu fressen, wenn diese Individuen anfangen, nicht nur anfangen, anders auszusehen morphologisch und sich anders zu verhalten ökologisch, und vielleicht auch ihre Partner zur Fortpflanzung in einem anderen Teil des Habitats, oder zu einer anderen Jahreszeit zu suchen, dann kann auch innerhalb desselben Habitats, also einem kleinen Kratersee, der fünf Kilometer Durchmesser hat, eine neue Art entstehen.

    Seynsche: Wie hat sich in diesem konkreten Fall diese neue Buntbarschart entwickelt?

    Meyer: Also, wir stellen uns das so vor, dass dieser Kratersee von einer ursprünglichen Art, dieser Art Amphilophus citrinellus besiedelt wurde. Das ist eine Art, die relativ tiefrückig ist, die mit dem Boden und dem Ufer assoziiert ist, die sehr manövrierfähig ist und deshalb zwischen Steinen und so weiter sich gut fortbewegen kann und dort ihre Nahrung suchen kann und so weiter. Aber es gibt durchaus auch morphologische Variationen dieser Art, das heißt, einige Individuen sind langgestreckter als andere, andere haben vielleicht die Ansatzstellen für ihre Flossen etwas anders am Körper verteilt. Es kann also sein, dass die Individuen, die eher eine Morphologie haben, die es ihnen erlaubt, im offenen Wasser zu schwimmen, also langgestreckter sind, dann auch dort ihre Partner aussuchen. So muss man sich das vorstellen.

    Seynsche: So dass zwei komplett voneinander getrennte Genpools entstehen. Es gibt aber extrem wenige Beispiele dafür, dass das ohne räumliche Trennung möglich ist. Warum sind Sie sich so sicher, dass das bei dem Buntbarsch der Fall ist?

    Meyer: Es ist richtig, dass es sehr wenige Beispiele gibt. Was wichtig ist, um zu zeigen, dass eine neue Art ohne geographische Barrieren entstanden ist, ist zu zeigen, dass die ursprüngliche und die neue Art monophyletisch sind. Das heißt, dass es nur eine genetische Linie gab, die diesen Kratersee besiedelt hat, wo dann die neue Art, wie in unserem Fall, in diesem Kratersee vorkommt. Das heißt, man muss sehr viele Individuen außerhalb dieser Seen sich ansehen. In unserer Veröffentlichung zum Beispiel haben wir uns mehr als 500 Fische, Individuen, aus ganz Nicaragua zum Beispiel angesehen, um uns selber überzeugen zu können, es gibt diese neue Art, morphologisch, von der externen Morphologie, und genetisch, in der Komposition der Gene, die wir uns angesehen haben, nur in diesem See und sonst nirgendwo anders.

    Seynsche: Heißt das, dass das Ökosystem komplett isoliert sein muss, damit Sie beweisen können, dass die Art dort entstanden ist.

    Meyer: Genau. In gewisser Weise ist die Situation in Nicaragua fantastisch, weil es dort mehrere Kraterseen gibt, und in jedem dieser Kraterseen gibt es eine kleine Anzahl von neuen Arten. Und jedesmal findet man eine ähnliche Situation. Es ist eine einzelne Art dagewesen, die diesen See besiedelt hat, und es sind neue Arten entstanden, die es dann nur in diesem einzelnen kleinen Kratersee gibt.