"Und siehe, er stieg hinauf, und es waren Rauch und Wolke und zwei Tafeln, darauf geschrieben Gebote zu halten, auf dass das Volk, Und hinunter trug er selbige und las dem Volk das Achte und sagte: Du sollst, sollst, sollst, sollst, sollst..."
Für wenig Bibelfeste: "Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten". So lautet das achte Gebot in Luthers Übersetzung. Was hat Ewald Palmetshofer, den studierten Theologen, an just diesem Gebot interessiert?
"Ja, der Umstand, dass dieses Gebot in seiner ursprünglichen Bedeutung eigentlich ein öffentliches Gebot war. Es bezieht sich auf das Gerichtswesen, und es geht um falsche Zeugenaussage vor Gericht, in einer frühen Gesellschaft, in der es einfach keine Forensik gab. Das achte Gebot bedeutet nicht, du sollst nicht lügen, es ist kein privates Gebot, es geht um die öffentliche Rede."
Palmetshofer geht es auch um den Wahrheitsgehalt der öffentlichen Rede heute. Und wie schon in seinen früheren Texten erweist sich der Autor auch in diesem Einakter - Spieldauer: 45 Minuten - als philosophischer Sprachspiel-Verwurster, der dekonstruktivistische Phrase und legeren Alltagstalk zu einer temporeichen Theatertirade zusammenfaschiert. Palmetshofer hat einen realen politischen Fall zum Ausgangspunkt genommen: den "Fall Graf". Der Wiener FPÖ-Politiker Martin Graf, Mitglied der rechtsextremen Wiener Burschenschaft "Olympia", wurde im Oktober 2008 gegen die Stimmen der Grünen und der meisten sozialdemokratischen Parlamentarier zum Dritten Präsidenten des österreichischen Nationalrats gewählt. Einer jener Skandale, an die sich eine moralisch abgeschlaffte Öffentlichkeit im Lande Haiders und Straches längst gewöhnt zu haben scheint. Die Figur des sogenannten "Präsidenten" steht denn auch - satirisch überhöht - im Mittelpunkt von Palmetshofers Stück.
"Wie einen Samen nimmt der Präsident die Gutheit auf, und in seinem Leib wächst gnadenreich heran, wie eine Jungfrau dieser Präsident, ohne Makel, Kelch, in den sich die Wahrheit ergießt, und deiner Schönheit! Wahrheit!"
Ewald Palmetshofer ist bekannt für seine rasanten Spracheskapaden. Eine gewisse Verwandtschaft zu René Pollesch, Werner Schwab und Elfriede Jelinek ist unübersehbar. Auch in Palmetshofers jüngsten Stück wird geschimpft und schwadroniert, dass es eine Freude ist. Regisseur Sebastian Schug hat in der früheren Bar des Schauspielhauses eine kleine Kapelle eingerichtet, mit Holzbankreihen aus der Pfarre und ewigem Licht und weihrauchartigem Theaternebel, der en masse versprüht wird. Auf der kleinen Bühne treten vier Schauspieler vors Publikum, Sprachmasken mehr denn Akteure. Sie deklamieren den Text, diesmal eine Mixtur umgangssprachlicher Phrasen und geschredderten Philosophen-Jargons, und fertigt daraus eine eingängige, allerdings wenig nachhaltige Sprachsoße. Auch authentisches O-Ton-Material Martin Graf hat Palmetshofer verwendet. Am 16. Oktober 2008 gab der umstrittene Rechtspopulist eine Pressekonferenz, in der er sich zu "Demokratie und Rechtsstaat" bekannte und ausdrücklich vom Nationalsozialismus distanzierte. Legte Graf da "falsches Zeugnis" ab? Ein merkwürdiger Auftritt jedenfalls für einen, dessen Burschenschaft NPD-Liedermacher ebenso zu Gastreisen nach Wien einlädt wie den berüchtigten Holocaust-Leugner David Irving. Das Gestammel Martin Grafs findet sich, dem Sprachduktus nach, auch in Palmetshofers Stück wieder.
"Das heißt, dass in meiner Person ein Anlass gesucht und nach dem Dafürhalten der diversen Wortführer in dieser Debatte, Angelegenheit, ist dieser Anlass nach dem angestrengten Suchen von ihnen, das sind die Wortführer, in meiner Person gefunden worden."
Der Dekalog-Zyklus im Wiener Schauspielhaus wird in den nächsten Wochen fortgesetzt: Ilija Trojanow wird sich mit dem fünften Gebot auseinandersetzen, Clemens Setz mit dem neunten und Paulus Hochgatterer mit dem vierten. Möge das Auge des Herrn wohlgefällig ruhen auf dem "Schauspielhaus" in der Porzellangasse, einem von Wiens derzeit interessantesten Theatern.
Für wenig Bibelfeste: "Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten". So lautet das achte Gebot in Luthers Übersetzung. Was hat Ewald Palmetshofer, den studierten Theologen, an just diesem Gebot interessiert?
"Ja, der Umstand, dass dieses Gebot in seiner ursprünglichen Bedeutung eigentlich ein öffentliches Gebot war. Es bezieht sich auf das Gerichtswesen, und es geht um falsche Zeugenaussage vor Gericht, in einer frühen Gesellschaft, in der es einfach keine Forensik gab. Das achte Gebot bedeutet nicht, du sollst nicht lügen, es ist kein privates Gebot, es geht um die öffentliche Rede."
Palmetshofer geht es auch um den Wahrheitsgehalt der öffentlichen Rede heute. Und wie schon in seinen früheren Texten erweist sich der Autor auch in diesem Einakter - Spieldauer: 45 Minuten - als philosophischer Sprachspiel-Verwurster, der dekonstruktivistische Phrase und legeren Alltagstalk zu einer temporeichen Theatertirade zusammenfaschiert. Palmetshofer hat einen realen politischen Fall zum Ausgangspunkt genommen: den "Fall Graf". Der Wiener FPÖ-Politiker Martin Graf, Mitglied der rechtsextremen Wiener Burschenschaft "Olympia", wurde im Oktober 2008 gegen die Stimmen der Grünen und der meisten sozialdemokratischen Parlamentarier zum Dritten Präsidenten des österreichischen Nationalrats gewählt. Einer jener Skandale, an die sich eine moralisch abgeschlaffte Öffentlichkeit im Lande Haiders und Straches längst gewöhnt zu haben scheint. Die Figur des sogenannten "Präsidenten" steht denn auch - satirisch überhöht - im Mittelpunkt von Palmetshofers Stück.
"Wie einen Samen nimmt der Präsident die Gutheit auf, und in seinem Leib wächst gnadenreich heran, wie eine Jungfrau dieser Präsident, ohne Makel, Kelch, in den sich die Wahrheit ergießt, und deiner Schönheit! Wahrheit!"
Ewald Palmetshofer ist bekannt für seine rasanten Spracheskapaden. Eine gewisse Verwandtschaft zu René Pollesch, Werner Schwab und Elfriede Jelinek ist unübersehbar. Auch in Palmetshofers jüngsten Stück wird geschimpft und schwadroniert, dass es eine Freude ist. Regisseur Sebastian Schug hat in der früheren Bar des Schauspielhauses eine kleine Kapelle eingerichtet, mit Holzbankreihen aus der Pfarre und ewigem Licht und weihrauchartigem Theaternebel, der en masse versprüht wird. Auf der kleinen Bühne treten vier Schauspieler vors Publikum, Sprachmasken mehr denn Akteure. Sie deklamieren den Text, diesmal eine Mixtur umgangssprachlicher Phrasen und geschredderten Philosophen-Jargons, und fertigt daraus eine eingängige, allerdings wenig nachhaltige Sprachsoße. Auch authentisches O-Ton-Material Martin Graf hat Palmetshofer verwendet. Am 16. Oktober 2008 gab der umstrittene Rechtspopulist eine Pressekonferenz, in der er sich zu "Demokratie und Rechtsstaat" bekannte und ausdrücklich vom Nationalsozialismus distanzierte. Legte Graf da "falsches Zeugnis" ab? Ein merkwürdiger Auftritt jedenfalls für einen, dessen Burschenschaft NPD-Liedermacher ebenso zu Gastreisen nach Wien einlädt wie den berüchtigten Holocaust-Leugner David Irving. Das Gestammel Martin Grafs findet sich, dem Sprachduktus nach, auch in Palmetshofers Stück wieder.
"Das heißt, dass in meiner Person ein Anlass gesucht und nach dem Dafürhalten der diversen Wortführer in dieser Debatte, Angelegenheit, ist dieser Anlass nach dem angestrengten Suchen von ihnen, das sind die Wortführer, in meiner Person gefunden worden."
Der Dekalog-Zyklus im Wiener Schauspielhaus wird in den nächsten Wochen fortgesetzt: Ilija Trojanow wird sich mit dem fünften Gebot auseinandersetzen, Clemens Setz mit dem neunten und Paulus Hochgatterer mit dem vierten. Möge das Auge des Herrn wohlgefällig ruhen auf dem "Schauspielhaus" in der Porzellangasse, einem von Wiens derzeit interessantesten Theatern.