Aber was wissen Sie eigentlich über den Alltag, den die 8oo Millionen Menschen dieses Erdteils - von Algerien bis Lesotho, von den Kapverdischen Inseln bis Madagaskar - täglich meistern, unter sehr unterschiedlichen, doch allemal erschwerten Bedingungen? Kennen Sie eine der vierhundert allein in Westafrika gesprochenen Sprachen? Was wissen Sie über die Themen afrikanischer Frauenliteratur? Oder die gewöhnlichen Kindheitserfahrungen in einem Dorf in Uganda?
Bildungslücken? Mangelndes Interesse? Eurozentrischer Weltblick? Spuren von alledem sowie ein allgemein zunehmendes Bedürfnis nach sachlichen, unvoreingenommenen Informationen haben den Anstoß gegeben, daß der Peter Hammer Verlag in Zusammenarbeit mit dem Metzlerschen Verlagshaus nun ein eindrucksvolles Nachschlagewerk auf den Markt gebracht hat: Das Afrika Lexikon. Ein Kontinent in tausend Stichwörtern - so der offizielle Titel. Herausgeber ist Jacob Mabe, Wissenschaftler an der Freien und der Humboldt-Universität Berlin, geboren in Kamerun. Zweihundert namhafte Autorinnen und Autoren aus Afrika und Europa haben mitgewirkt, ein neues Bild des hierzulande so dunkel, so beschränkt und verzerrt wahrgenommenen Kontinents anzubieten. Mit aufklärerisch-kritischem Blick entfalten sie das Panorama eines Erdteils mit der Vielfalt afrikanischer Sprachen und Traditionen, ein Afrika der reichen Geschichte und Kulturen und - nicht zuletzt - einen Kontinent moderner Lebenswelten. Dokumentiert in Stichworten von A wie Amharisch oder wie Abtreibung über F wie Fatimiden oder Feste über O wie Oralphilosophie bis Z wie Zulureich und Zwangsarbeit.
Die Tendenz der Medien hierzulande, mit der regelmäßigen bad-news-Berichterstattung einen riesigen Erdteil allein auf seine Missstände zu reduzieren, ist beredtes Zeugnis einer sich überlegen dünkenden westlichen Welt. Darüber hinaus vermittelt sie den diffusen Eindruck, der afrikanische Kontinent habe gleichsam erst mit der europäischen Kolonialherrschaft seine kulturelle Erweckung erfahren. Diesem nach wie vor rassistisch gefärbten Blickwinkel wirkt das Lexikon mit ausführlichen historischen und kulturgeschichtlichen Artikeln über Afrikas Frühzeit entgegen. Das Hauptgewicht des Afrika-Lexikons freilich liegt - wie es sich für ein aktuelles Nachschlagewerk gehört - auf der gesellschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung der letzten einhundert Jahre und reicht bis in die jüngste Gegenwart. Umfassende Länderartikel liefern eingangs die aktuellen statistischen Daten; unter anderen auch die Einschulungsrate, die Höhe der Lebenserwartung in den jeweiligen Staaten und die HIV-Rate. In Südafrika etwa sind die Aids-bedingten Todesfälle mittlerweile so hoch, daß für einen Arbeitsplatz inzwischen drei qualifizierte Kräfte ausgebildet werden müssen. Ein erschreckender Beleg für die immensen sozialen und ökonomischen Auswirkungen, die die Infektionskrankheit Aids in Afrika zeitigt.
Einer der großen thematischen Schwerpunkte gilt der zeitgenössischen Literatur auf dem Kontinent, differenziert nach Sprachgruppen und Regionen. Ein eigener Artikel ist der Frauenliteratur gewidmet. Aber auch Alltagsbeschäftigungen wie Sport und Musik werden ausführlich behandelt. Darüber hinaus entdeckt derjenige, der stöbern und staunen möchte, geheimnisvolle Geschichten über Weisheitslehrer, die Perlensprache oder über vor Jahrtausenden im Busch versunkene Königreiche. In dem Bestreben, ein vollständiges und realistisches Bild des Kontinents zu entwerfen, finden auch Afrikas Krisen ihren Niederschlag in diesem Handbuch. Siehe Begriffe wie Blauhelmeinsätze oder Kindersoldaten.
Jeder Artikel ist namentlich gekennzeichnet. Zahllose Einzelverweise zwischen den Artikeln machen deutlich, daß ein Schlagwortregister fehlt. Vermissen wird der Leser auch Personenartikel, die - so der Verlagshinweis - einen zweiten Band erfordert hätten. Weniger verzeihlich ist die Tatsache, daß es auch kein Abkürzungsverzeichnis gibt.
Gleichwohl - in der anziehenden Verpackung des Bilderbuchkünstlers Wolf Erlbruch ist das Afrika-Lexikon mit seinen tausend Stichwörtern nicht nur ein außergewöhnliches Nachschlagewerk und eine Sammlung magischer Geschichten, sondern ein bemerkenswertes Beispiel aufklärerischer Überzeugungsarbeit - und nachgerade überfällig.
Wie eingefleischt der überkommene gönnerhaft-überhebliche Blick auf Afrika ist, belegt ein aktuelles Beispiel neuerlicher Bevormundung. Im Frühjahr dieses Jahres erschien in der Deutschen Verlagsanstalt der Sammelband: Der bunte Kontinent. Den Untertitel ziert der Anspruch Ein neuer Blick auf Afrika. In seinem Vorwort erklären die Herausgeber - einer der beiden ist Theo Sommer, ehemaliger Chefmeinungsbildner der Wochenzeitung DIE ZEIT -Afrika zum internationalen Sozialfall. Folgerichtig überschreibt der Autor Theo Sommer seinen Beitrag in diesem Band mit der rhetorischen Frage Hoffnung im Herz der Finsternis? Seine Antwort in Gestalt des Untertitels folgt auf dem Fuße: Afrika kann geholfen werden.
Armes Europa!
Bildungslücken? Mangelndes Interesse? Eurozentrischer Weltblick? Spuren von alledem sowie ein allgemein zunehmendes Bedürfnis nach sachlichen, unvoreingenommenen Informationen haben den Anstoß gegeben, daß der Peter Hammer Verlag in Zusammenarbeit mit dem Metzlerschen Verlagshaus nun ein eindrucksvolles Nachschlagewerk auf den Markt gebracht hat: Das Afrika Lexikon. Ein Kontinent in tausend Stichwörtern - so der offizielle Titel. Herausgeber ist Jacob Mabe, Wissenschaftler an der Freien und der Humboldt-Universität Berlin, geboren in Kamerun. Zweihundert namhafte Autorinnen und Autoren aus Afrika und Europa haben mitgewirkt, ein neues Bild des hierzulande so dunkel, so beschränkt und verzerrt wahrgenommenen Kontinents anzubieten. Mit aufklärerisch-kritischem Blick entfalten sie das Panorama eines Erdteils mit der Vielfalt afrikanischer Sprachen und Traditionen, ein Afrika der reichen Geschichte und Kulturen und - nicht zuletzt - einen Kontinent moderner Lebenswelten. Dokumentiert in Stichworten von A wie Amharisch oder wie Abtreibung über F wie Fatimiden oder Feste über O wie Oralphilosophie bis Z wie Zulureich und Zwangsarbeit.
Die Tendenz der Medien hierzulande, mit der regelmäßigen bad-news-Berichterstattung einen riesigen Erdteil allein auf seine Missstände zu reduzieren, ist beredtes Zeugnis einer sich überlegen dünkenden westlichen Welt. Darüber hinaus vermittelt sie den diffusen Eindruck, der afrikanische Kontinent habe gleichsam erst mit der europäischen Kolonialherrschaft seine kulturelle Erweckung erfahren. Diesem nach wie vor rassistisch gefärbten Blickwinkel wirkt das Lexikon mit ausführlichen historischen und kulturgeschichtlichen Artikeln über Afrikas Frühzeit entgegen. Das Hauptgewicht des Afrika-Lexikons freilich liegt - wie es sich für ein aktuelles Nachschlagewerk gehört - auf der gesellschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung der letzten einhundert Jahre und reicht bis in die jüngste Gegenwart. Umfassende Länderartikel liefern eingangs die aktuellen statistischen Daten; unter anderen auch die Einschulungsrate, die Höhe der Lebenserwartung in den jeweiligen Staaten und die HIV-Rate. In Südafrika etwa sind die Aids-bedingten Todesfälle mittlerweile so hoch, daß für einen Arbeitsplatz inzwischen drei qualifizierte Kräfte ausgebildet werden müssen. Ein erschreckender Beleg für die immensen sozialen und ökonomischen Auswirkungen, die die Infektionskrankheit Aids in Afrika zeitigt.
Einer der großen thematischen Schwerpunkte gilt der zeitgenössischen Literatur auf dem Kontinent, differenziert nach Sprachgruppen und Regionen. Ein eigener Artikel ist der Frauenliteratur gewidmet. Aber auch Alltagsbeschäftigungen wie Sport und Musik werden ausführlich behandelt. Darüber hinaus entdeckt derjenige, der stöbern und staunen möchte, geheimnisvolle Geschichten über Weisheitslehrer, die Perlensprache oder über vor Jahrtausenden im Busch versunkene Königreiche. In dem Bestreben, ein vollständiges und realistisches Bild des Kontinents zu entwerfen, finden auch Afrikas Krisen ihren Niederschlag in diesem Handbuch. Siehe Begriffe wie Blauhelmeinsätze oder Kindersoldaten.
Jeder Artikel ist namentlich gekennzeichnet. Zahllose Einzelverweise zwischen den Artikeln machen deutlich, daß ein Schlagwortregister fehlt. Vermissen wird der Leser auch Personenartikel, die - so der Verlagshinweis - einen zweiten Band erfordert hätten. Weniger verzeihlich ist die Tatsache, daß es auch kein Abkürzungsverzeichnis gibt.
Gleichwohl - in der anziehenden Verpackung des Bilderbuchkünstlers Wolf Erlbruch ist das Afrika-Lexikon mit seinen tausend Stichwörtern nicht nur ein außergewöhnliches Nachschlagewerk und eine Sammlung magischer Geschichten, sondern ein bemerkenswertes Beispiel aufklärerischer Überzeugungsarbeit - und nachgerade überfällig.
Wie eingefleischt der überkommene gönnerhaft-überhebliche Blick auf Afrika ist, belegt ein aktuelles Beispiel neuerlicher Bevormundung. Im Frühjahr dieses Jahres erschien in der Deutschen Verlagsanstalt der Sammelband: Der bunte Kontinent. Den Untertitel ziert der Anspruch Ein neuer Blick auf Afrika. In seinem Vorwort erklären die Herausgeber - einer der beiden ist Theo Sommer, ehemaliger Chefmeinungsbildner der Wochenzeitung DIE ZEIT -Afrika zum internationalen Sozialfall. Folgerichtig überschreibt der Autor Theo Sommer seinen Beitrag in diesem Band mit der rhetorischen Frage Hoffnung im Herz der Finsternis? Seine Antwort in Gestalt des Untertitels folgt auf dem Fuße: Afrika kann geholfen werden.
Armes Europa!