Eberhard Mühlbacher war lange Jahre Generalvikar der schwäbischen Diözese Rottenburg-Stuttgart. Zur Zeit des Zweiten Vaticanums arbeitete er Sekretär des Rottenburger Bischofs Carl Joseph Leiprecht. Mühlbacher, heute 85 Jahre alt, erinnert sich noch gut an den entscheidenden Moment zu Beginn des Konzils, als es darum ging, die Mitglieder der Konzilskommissionen zu wählen.
"Als die Eingangssitzung eröffnet war, kamen einzelne Wortmeldungen und dann schließlich ein Beitrag von Frings und Lienhardt, die gesagt haben: Wir möchten eigene Listen erstellen auf der Basis der vorgegebenen. Rom hatte sorgfältig alle Kommissionen zusammengesetzt, und das hat ein solches Echo hervorgerufen, es gab rauschenden Beifall, obwohl sonst der Beifall nicht erlaubt war."
Als "Aufstand der Bischöfe" ist dieses Geschehen in die Geschichtsbücher eingegangen. Rund 2.500 Bischöfe waren auf dem Konzil versammelt, dazu etwa 500 sogenannte "periti", Theologen, die die Konzilstexte bearbeiteten. Eberhard Mühlbacher hatte die Rolle eines Platzanweisers inne, eines sogenannten "Assignators".
"Wir waren ungefähr 50 Assignatoren, jeder von uns hatte einen Sektor, da waren 50 bis 60 Bischöfe, gesetzt nach Alter. Das hatte den Vorteil, dass keine Blockbildung möglich war. Wir hatten dafür zu sorgen, dass die Bischöfe bei den Abstimmungen ihre Abstimmzettel ausfüllten, das waren Karten, Lochkarten, die hatten sie zu markieren mit drei Möglichkeiten: Placet, das heißt ja; non placet, das heißt nein, placet juxta modum."
Das hieß: ja, aber mit Vorbehalt. Mit einem Änderungsvorschlag, der schriftlich angeheftet werden musste. Diese Karten teilten die Assignatoren aus und sammelten sie anschließend wieder ein.
"Da konnte es passieren, dass einer sagte: Ich geh jetzt Kaffee trinken, und wenn der Assignator, ich gesagt habe: Du kannst nicht Kaffee trinken gehen, denn es wird jetzt abgestimmt, dann kriegte ich als Antwort: Stimm du für mich ab! Ich hab gefragt: Was soll ich stimmen? Placet oder non – placet? – Das überlass ich dir!"
Offiziell durfte während des Konzils nur von eigens beauftragten Kameraleuten gefilmt werden. Doch Mühlbacher wollte selbst fotografieren. Also schmuggelte er unter seiner Soutane eine Super8-Kamera mit in den Petersdom. Kein ungewöhnliches Vorgehen – der "Trick" war auch unter den Ordnungskräften bekannt.
"In den vier Jahren wuchs eine solche Freundschaft zwischen uns, den Bediensteten und den anderen, auch die Feuerwehrleute waren noch dabei. Man hat Großzügigkeit gelernt. Die italienischen Freunde hatten dieses Zauberwort ‘arrangarsi’ – sich arrangieren. Man arrangierte sich. Und das haben sie sehr gut gemacht – ich bin bekannt geworden auch mit den Polizisten, und das ging dann soweit, unsere Bekanntschaft, dass die gesagt haben Padre, wenn du ‘nen besonders guten Platz suchst, dann komm mit. Ich bin einmal mit einem Bediensteten hinauf, da wo die Kuppel, der Umgang ist, und hab von dort auf den Altar filmen können."
Die Theologin Ida Raming ist fünf Jahre jünger als Eberhard Mühlbacher. Lange nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil sollte sie Schlagzeilen machen, als sie sich – kirchenrechtswidrig – im Jahr 2002 auf einem Donau-Schiff zur Priesterin weihen ließ. Die katholische Kirche exkommunizierte sie daraufhin.
Als das Zweite Vatikanische Konzil ausgerufen wurde, bereitete sich Ida Raming gerade auf ihre Promotion vor. Das Thema: die Stellung und Wertung der Frau in der römisch-katholischen Kirche. Ida Raming setzte große Hoffnungen auf das römische Konzil. Allerdings bestand das gesamte Konzilskollegium nur aus Männern. Wie sollte sich da etwas zugunsten von Frauen in der Kirche ändern? Zusammen mit einer Kollegin formulierte Raming eine Eingabe für die volle Gleichberechtigung von Frauen beim Diakonat und Priesteramt.
"Wir haben die vorhandenen Gründe für den Ausschluss der Frau vom Priesteramt sämtlich widerlegt. Zum Beispiel dass man sagte, Jesus kam als Mann auf die Welt, darum können ihn auch nur Männer vertreten. Da haben wir gesagt: Das Mannsein Jesu ist nicht entscheidend, sondern das Menschsein."
Die beiden Theologinnen schickten ihre Eingabe an die deutsche Bischofskonferenz und an Augustin Kardinal Bea, den seinerzeitigen Vorsitzenden des Einheitsrates. Mehr als eine Empfangsbestätigung erhielten sie nicht. Doch noch eine Person konfrontierten die beiden Münsteraner Frauenrechtlerinnen mit ihrer Eingabe: ihren Theologieprofessor Joseph Ratzinger. Ida Raming erinnert sich noch genau an jenen Moment, da sie Ratzinger in dessen Sprechstunde gegenüberstanden:
"Und dann hat der uns nicht angeguckt. Er hat immer nur in eine Ecke geguckt und das hat uns sehr befremdet. Da haben wir gedacht: na ja, er kann mit uns Frauen gar nicht gut umgehen. Dann haben wir aber noch geschrieben, und da hat er so in einem längeren Brief dargelegt, dass er sich nicht einsetzen würde für unser Anliegen. Das war Februar ‘64. Wir haben gedacht: Er gilt ja als Konzilstheologe, aber in puncto Frau ist er nicht aufgeschlossen. Und wir haben damit auch recht gehabt, denn er blieb ja bei dieser Einstellung."
Die Hoffnung von Ida Raming, das Konzil würde die Stellung der Frau in der katholischen Kirche aufwerten, erfüllte sich nicht. Bis heute schwingt Enttäuschung mit, dass die Konzilsväter der Eingabe keinerlei Beachtung schenkten. Anders die Reaktion in Deutschland.
"Ja, wenn man vernünftig gewesen wäre, hätte man doch die Frauen, die die Eingabe geschrieben haben, einladen können zu einem Gespräch Das ist auch nachher in etwa erfolgt, aber dann nur in der deutschen Kirche. Und da gab es ja denn eine Erklärung der deutschen Bischofskonferenz zur Lage der Frauen in den Kirchen. Die gingen ja dann mindestens bis zum Diakonat und auch die Frage des Priesteramtes sollte nicht ausgeschlossen werden."
Mit der Erklärung der Glaubenskongregation "Inter Insignores" aus dem Jahr 1979 und dem Apostolischen Schreiben "Ordinatio Sacerdotalis" von Johannes Paul II. im Jahr 1994 wurde allerdings von Rom bekräftigt, dass die Priesterweihe nur Männern vorbehalten sei.
Insgesamt, resümiert Ida Raming, brachte das Zweite Vatikanische Konzil aus Sicht der Frauen in der Kirche kaum Fortschritte. Die Konzilstexte kamen über programmatische Erklärungen nicht hinaus. Mit Beginn der dritten Sitzungsperiode wurden Frauen zwar zugelassen, aber nur als Zuhörerinnen. Abstimmen durften sie nicht. Braucht es also für die Anliegen von Frauen ein drittes Vatikanisches Konzil? Ida Raming zögert:
"Wenn es jetzt einberufen würde, würde ich nicht dafür sein, weil, es würde nach den Regeln des jetzigen Kirchenrechts einberufen, und dann sind Frauen wieder nicht stimmberechtigt."
Mehr zum Thema:
50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil - Eine Sendereihe in "Tag für Tag"
"Als die Eingangssitzung eröffnet war, kamen einzelne Wortmeldungen und dann schließlich ein Beitrag von Frings und Lienhardt, die gesagt haben: Wir möchten eigene Listen erstellen auf der Basis der vorgegebenen. Rom hatte sorgfältig alle Kommissionen zusammengesetzt, und das hat ein solches Echo hervorgerufen, es gab rauschenden Beifall, obwohl sonst der Beifall nicht erlaubt war."
Als "Aufstand der Bischöfe" ist dieses Geschehen in die Geschichtsbücher eingegangen. Rund 2.500 Bischöfe waren auf dem Konzil versammelt, dazu etwa 500 sogenannte "periti", Theologen, die die Konzilstexte bearbeiteten. Eberhard Mühlbacher hatte die Rolle eines Platzanweisers inne, eines sogenannten "Assignators".
"Wir waren ungefähr 50 Assignatoren, jeder von uns hatte einen Sektor, da waren 50 bis 60 Bischöfe, gesetzt nach Alter. Das hatte den Vorteil, dass keine Blockbildung möglich war. Wir hatten dafür zu sorgen, dass die Bischöfe bei den Abstimmungen ihre Abstimmzettel ausfüllten, das waren Karten, Lochkarten, die hatten sie zu markieren mit drei Möglichkeiten: Placet, das heißt ja; non placet, das heißt nein, placet juxta modum."
Das hieß: ja, aber mit Vorbehalt. Mit einem Änderungsvorschlag, der schriftlich angeheftet werden musste. Diese Karten teilten die Assignatoren aus und sammelten sie anschließend wieder ein.
"Da konnte es passieren, dass einer sagte: Ich geh jetzt Kaffee trinken, und wenn der Assignator, ich gesagt habe: Du kannst nicht Kaffee trinken gehen, denn es wird jetzt abgestimmt, dann kriegte ich als Antwort: Stimm du für mich ab! Ich hab gefragt: Was soll ich stimmen? Placet oder non – placet? – Das überlass ich dir!"
Offiziell durfte während des Konzils nur von eigens beauftragten Kameraleuten gefilmt werden. Doch Mühlbacher wollte selbst fotografieren. Also schmuggelte er unter seiner Soutane eine Super8-Kamera mit in den Petersdom. Kein ungewöhnliches Vorgehen – der "Trick" war auch unter den Ordnungskräften bekannt.
"In den vier Jahren wuchs eine solche Freundschaft zwischen uns, den Bediensteten und den anderen, auch die Feuerwehrleute waren noch dabei. Man hat Großzügigkeit gelernt. Die italienischen Freunde hatten dieses Zauberwort ‘arrangarsi’ – sich arrangieren. Man arrangierte sich. Und das haben sie sehr gut gemacht – ich bin bekannt geworden auch mit den Polizisten, und das ging dann soweit, unsere Bekanntschaft, dass die gesagt haben Padre, wenn du ‘nen besonders guten Platz suchst, dann komm mit. Ich bin einmal mit einem Bediensteten hinauf, da wo die Kuppel, der Umgang ist, und hab von dort auf den Altar filmen können."
Die Theologin Ida Raming ist fünf Jahre jünger als Eberhard Mühlbacher. Lange nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil sollte sie Schlagzeilen machen, als sie sich – kirchenrechtswidrig – im Jahr 2002 auf einem Donau-Schiff zur Priesterin weihen ließ. Die katholische Kirche exkommunizierte sie daraufhin.
Als das Zweite Vatikanische Konzil ausgerufen wurde, bereitete sich Ida Raming gerade auf ihre Promotion vor. Das Thema: die Stellung und Wertung der Frau in der römisch-katholischen Kirche. Ida Raming setzte große Hoffnungen auf das römische Konzil. Allerdings bestand das gesamte Konzilskollegium nur aus Männern. Wie sollte sich da etwas zugunsten von Frauen in der Kirche ändern? Zusammen mit einer Kollegin formulierte Raming eine Eingabe für die volle Gleichberechtigung von Frauen beim Diakonat und Priesteramt.
"Wir haben die vorhandenen Gründe für den Ausschluss der Frau vom Priesteramt sämtlich widerlegt. Zum Beispiel dass man sagte, Jesus kam als Mann auf die Welt, darum können ihn auch nur Männer vertreten. Da haben wir gesagt: Das Mannsein Jesu ist nicht entscheidend, sondern das Menschsein."
Die beiden Theologinnen schickten ihre Eingabe an die deutsche Bischofskonferenz und an Augustin Kardinal Bea, den seinerzeitigen Vorsitzenden des Einheitsrates. Mehr als eine Empfangsbestätigung erhielten sie nicht. Doch noch eine Person konfrontierten die beiden Münsteraner Frauenrechtlerinnen mit ihrer Eingabe: ihren Theologieprofessor Joseph Ratzinger. Ida Raming erinnert sich noch genau an jenen Moment, da sie Ratzinger in dessen Sprechstunde gegenüberstanden:
"Und dann hat der uns nicht angeguckt. Er hat immer nur in eine Ecke geguckt und das hat uns sehr befremdet. Da haben wir gedacht: na ja, er kann mit uns Frauen gar nicht gut umgehen. Dann haben wir aber noch geschrieben, und da hat er so in einem längeren Brief dargelegt, dass er sich nicht einsetzen würde für unser Anliegen. Das war Februar ‘64. Wir haben gedacht: Er gilt ja als Konzilstheologe, aber in puncto Frau ist er nicht aufgeschlossen. Und wir haben damit auch recht gehabt, denn er blieb ja bei dieser Einstellung."
Die Hoffnung von Ida Raming, das Konzil würde die Stellung der Frau in der katholischen Kirche aufwerten, erfüllte sich nicht. Bis heute schwingt Enttäuschung mit, dass die Konzilsväter der Eingabe keinerlei Beachtung schenkten. Anders die Reaktion in Deutschland.
"Ja, wenn man vernünftig gewesen wäre, hätte man doch die Frauen, die die Eingabe geschrieben haben, einladen können zu einem Gespräch Das ist auch nachher in etwa erfolgt, aber dann nur in der deutschen Kirche. Und da gab es ja denn eine Erklärung der deutschen Bischofskonferenz zur Lage der Frauen in den Kirchen. Die gingen ja dann mindestens bis zum Diakonat und auch die Frage des Priesteramtes sollte nicht ausgeschlossen werden."
Mit der Erklärung der Glaubenskongregation "Inter Insignores" aus dem Jahr 1979 und dem Apostolischen Schreiben "Ordinatio Sacerdotalis" von Johannes Paul II. im Jahr 1994 wurde allerdings von Rom bekräftigt, dass die Priesterweihe nur Männern vorbehalten sei.
Insgesamt, resümiert Ida Raming, brachte das Zweite Vatikanische Konzil aus Sicht der Frauen in der Kirche kaum Fortschritte. Die Konzilstexte kamen über programmatische Erklärungen nicht hinaus. Mit Beginn der dritten Sitzungsperiode wurden Frauen zwar zugelassen, aber nur als Zuhörerinnen. Abstimmen durften sie nicht. Braucht es also für die Anliegen von Frauen ein drittes Vatikanisches Konzil? Ida Raming zögert:
"Wenn es jetzt einberufen würde, würde ich nicht dafür sein, weil, es würde nach den Regeln des jetzigen Kirchenrechts einberufen, und dann sind Frauen wieder nicht stimmberechtigt."
50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil - Eine Sendereihe in "Tag für Tag"