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Das asiatische Jahrhundert - Teil 2

1,3 Milliarden Menschen leben in China. Das bevölkerungsreichste Land der Erde verzeichnet ein dynamisches Wirtschaftswachstum von rund neun Prozent in den letzten Jahren. In zehn Jahren werden die Chinesen voraussichtlich so viel konsumieren wie Europa und Nordamerika zusammen. Hohe Gewinnchancen und niedrige Löhne locken Unternehmen jeder Größenordnung ins Land. Doch der chinesische Markt ist nicht leicht zu erobern.

Von Ute Krietenstein |
    " Wir sehen China als Chance; sowohl von der enormen Marktpotentialseite her - allein durch die Bevölkerung und den steigenden Wohlstand im Land, aber auch als Einkaufsmarkt. Wenn man in China erfolgreich ist, hat man alle Chance, weltweit erfolgreich zu sein. "
    Richard Hausmann, Vorstandsvorsitzender von Siemens China, verströmt Zuversicht , wenn er über die drittgrößte Handelsnation der Welt spricht. Der Besuch des chinesischen Staatspräsidenten Hu Jintao hat dem internationalen Konzern die Bestellung von 60 ICE Zügen beschert. Das Riesenland will seine Infrastruktur ausbauen. Auch der Bedarf an Energie- und Umwelttechnik sowie Hochtechnologie ist enorm. Unter chinesischen Konsumenten finden Wohlstandssymbole wie Handys und Autos reißenden Absatz. Im Windschatten der Global Player eröffnen sich auch für mittelständische Unternehmen viele Chancen in der Zulieferindustrie und den Nischenmärkten. Immer mehr wagen den Schritt ins Reich der Mitte. Holger Baermann von der Max Baermann Holding AG sieht wegen des hohen Kostendrucks keine andere Alternative. Das Familienunternehmen im Kölner Umland stellt patentierte Spezialmagnete für die Automobilzulieferindustrie her und möchte nun eine weitere Produktionsstätte in China aufbauen:

    "Weil unsere Zulieferer natürlich auch in China vertreten sind. Und heutzutage werden in Volkswagen Shanghai mehr Autos gebaut als hier in Deutschland. Die großen Automobilhersteller wie BMW, Mercedes und Volkswagen sind an unsere Kunden herangetreten und haben denen gesagt: Noch dieses Jahr müsst ihr eure Preise um 30 Prozent reduzieren. Und wir erwarten in den nächsten fünf Jahren eine Preisreduktion von 70 Prozent. Den Druck der großen Automobilhersteller geben natürlich unsere Kunden an uns weiter, so dass wir in dritter Reihe quasi auch gezwungen sind, die Preise so zu reduzieren. Wirklich wichtig für uns sind, dass in unserem Bereich die Rohstoffe in China sehr sehr günstig liegen."
    Holger Baermann leitet das Auslandsgeschäft der Baermann Holding. Das Familienunternehmen beschäftigt mit Tochtergesellschaften und Beteiligungen im angloamerikanischen und asiatischen Raum rund 600 Mitarbeiter – ein kleiner Global Player. Im südchinesischen Shenzhen stellt die Firma bereits seit einigen Jahren Magnetfolien her in einem Joint Venture mit einem örtlichen Partner: deutsches Knowhow zu chinesischen Preisen. Nun plant Baermann eine hoch spezialisierte Fertigungsstätte für gespritzte Dauermagnete in der Nähe der Automobilzulieferindustrie in Shanghai – diesmal ohne Partner. 18 Städte hat er abgeklappert, bis sich ein geeigneter Standort in Suzhou 90 km von Shanghai fand:

    " Wir sind dort willkommen, wir haben nicht den Druck, ein Großunternehmen zu sein, die ja sehr gefördert werden in China. In anderen Zonen wurde uns mitgeteilt: Wie, Sie investieren hier nicht 30 Millionen Euro? Dann tut uns leid, dann bitte – gehen Sie. So nach dem Motto. Kein Interesse. "
    Längst sind die Zeiten vorbei, in denen vor jedem ausländischen Investor der rote Teppich ausgerollt wurde. In den gut erschlossenen Industriezonen um Peking, Shanghai und Kanton drängeln sich die Unternehmer. Gezielt wählen die Lokalregierungen nach Investitionsvolumen und High-Tech-Knowhow aus, was der Region fehlt. Die Ansprüche sind hoch, und Mittelständler haben oft das Nachsehen. Das beobachtet auch Alfred Wewers, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Handelskammer in China.

    " Ich glaube, dass wir in der Situation nicht viel anders wären. Also die Chinesen wissen, dass sie den am stärksten wachsenden Markt seit Jahren nun haben, und dass sich das ähnlich auch in nächster Zeit fortsetzen wird. Und in dieser Situation sich die besten Partner zu holen, ist sicherlich eine Sache, die legitim ist. In dieser Situation haben wir alle erfahren, dass es da hart zur Sache geht. "
    Immer mehr Unternehmen siedeln sich mittlerweile abseits der Metropolen im so genannten Speckgürtel an. Dort werden sie noch mit offenen Armen empfangen und von den lokalen Behörden unterstützt. So breiten sich die Wohlstandsinseln im Osten des Landes allmählich aus, und die Investoren profitieren wiederum von dem günstigeren Preisniveau. Corinne Abele von der Bundesagentur für Außenwirtschaft in Peking:

    "Um diese Region herum, die infrastrukturtechnisch relativ gut erschlossen sind, von Shanghai bis nach Nanjing, da sind gute Regionen entstanden, auch um den Speckgürtel Beijing – Tianjin – Dalian, da sind sehr interessante Regionen, Kanton unten natürlich sowieso. Wenn Sie noch weiter ins Landesinnere gehen, da können natürlich die Kosten sich auf ein Drittel belaufen oder noch weniger! Also die Unterschiede sind gewaltig innerhalb von China!"

    Die Standortsuche ist nur eine von vielen Hürden, die Neueinsteiger in China überwinden müssen. Das Rieich der Mitte ist ein bürokratischer Moloch, auch wenn es seine Märkte weitgehend geöffnet hat. Allein die Größe des Landes ist ein Problem: Es gibt unterschiedliche Regelungen auf nationaler und lokaler Ebene und in den verschiedenen Regionen. Die Behörden vor Ort setzen auch nicht gleich um, was in Peking beschlossen wurde. Obendrein ändern sich die Gegebenheiten schnell: Gesetze werden verändert, Vorschriften erlassen oder zurückgenommen. Jede 3 Gesellschaftsgründung und gesellschaftsrechtliche Änderung muss genehmigt werden. Und das letzte Wort hat der Parteisekretär. Wegen der bürokratischen Fallstricke sind Chinaprojekte Chefsache, betont Sabine Stricker-Kellerer. Sie arbeitet in der international tätigen Anwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer: Rechtssicherheit in China? Ein schwieriges Thema:

    "In China gab es früher häufig die – wenn auch falsche – Meinung, dass Beziehungen in China wichtiger sind als das Recht, das ist mit Sicherheit heute nicht mehr so, selbst wenn hier die Gerichte sicherlich noch nicht auf dem Stand sind, auf dem sich’s die meisten von uns wünschen, und so von Lokalprotektionismus frei sind, dass man hier mit positiven Gerichtsurteilen rechnen kann. Und vor allem: Chinesische Vertragspartner kennen ihr Recht meistens weitaus besser als der ausländische Investor, es stimmt nicht, dass sie auf Freundschaft mehr Wert legen als auf das Recht. Meistens kennen sie ihre Verträge, wenn sie auch in der Schublade liegen, in- und auswendig. "

    Rund 2000 deutsche Unternehmen betätigen sich in China. Sie müssen sich heute einem gnadenlosen Preiswettbewerbstellen. Jede dritte Firma scheitert, und zwar meist innerhalb der ersten drei Jahre. Nicht nur die kleinen bleiben auf der Strecke, weiß Jutta Ludwig, Geschäftsführerin der Deutschen Handelskammer in China:

    " Das Ergebnis ist eigentlich, dass es mehr die Unternehmen sind, die sich im Vorfeld nicht besonders gut informiert haben, was ihre Marktlücke angeht, was ihr Produkt, was ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit angeht, und was die Standortklärung und die Partnerwahl in China – wenn überhaupt Partner erforderlich waren – anging. "
    Knapp zwei Jahre erfordert eine Erfolg versprechende Vorbereitung auf den Markteintritt in China, das hat die Unternehmensberatung Roland Berger herausgefunden. Auch die richtige Partnerwahl für ein Joint Venture ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Allerdings gründen immer mehr Unternehmen – so weit möglich - eine eigene Tochtergesellschaft. Denn nicht selten erweist sich die Kooperation als schwierig und die Interessenlage als zu unterschiedlich: tong chuang yi meng "Im gleichen Bett liegen, verschieden träumen", bringt es ein chinesisches Sprichwort auf den Punkt. Kulturell bedingte Unterschiede mögen ihren Teil dazu beitragen. Deutsche gelten als stur, fühlten sich überlegen und hörten nicht gern auf Ratschläge. Sie seien sehr qualitätsbewusst, aber zu teuer, hat der chinesische Management-Guru Song Xinyu herausgefunden. Und so hat Holger Baermann – unser Autozulieferer - vorsorglich diverse interkulturelle Trainings absolviert. Im Gedächtnis geblieben ist ihm, dass man die Visitenkarte mit beiden Händen überreicht und Rang und Namen dabei eine entscheidende Rolle spielen. Wichtig ist auch, dass ein Gesprächspartner nie das Gesicht verliert:

    " Ich gebe mal ein Beispiel: Man sagt in Deutschland: Ach - der Mitarbeiter ist aber schlecht. Der kann das nicht. In China sagt man: Ja, meinen Sie nicht, der kann das noch besser machen? Also diese positive Kritik, die man dort unten äußern muss. Das muss man erstmal lernen. In Deutschland sagt man ja: Ja und Nein. Aber in China sagt man: Ja – oder: Ja, aber. "
    Als Vorteil erweist sich die familiäre Struktur der mittelständischen Betriebe, die kürzere Entscheidungswege und mehr persönlichen Kontakt erlaubt. Was den Unternehmer aus Bergisch-Gladbach stark beeindruckt, ist das Improvisationsgeschick der Chinesen, mit dem sie Widrigkeiten begegnen wie etwa den häufigen Stromausfällen. Und ihm imponiert der hohe Arbeitseinsatz:
    Bei uns diskutieren drei Ingenieure über das Problem mindestens eine Stunde, während ein Chinese direkt anpackt, also die Chinesen sind schon sehr kluge Leute, sehr willig zu lernen, hochmotiviert. Wir haben jetzt zum Beispiel einen Geschäftsführer da, den arbeiten wir gerade ein: Der lernt so schnell, wie wir gar nicht gucken können! Das ist unglaublich, … der saugt regelrecht das Knowhow, das Wissen auf! Das finden Sie bei keinem deutschen Studenten! "
    Hohen Arbeitseinsatz zeigen nicht nur die ehrgeizigen Chinesen in den boomenden Wirtschaftszentren im Osten des Landes, sondern auch die etwa 150 Millionen Wanderarbeiter, die aus den armen ländlichen Regionen in die Städte strömen. Sie schuften zu Bedingungen wie in den Zeiten des Manchester Kapitalismus und tragen damit einen erheblichen Teil zum wirtschaftlichen Aufstieg Chinas bei und zum Profit der Investoren. Baermann erzählt von dem Joint Venture der Holding in Shenzhen, in dem der chinesische Geschäftspartner Magnetfolien herstellen lässt. Mit Know how aus Bergisch-Gladbach:

    "In unserer chinesischen Firma arbeiten die Leute – es ist ungelogen, ich kann es eigentlich auch nicht glauben – sieben Tage die Woche zwölf Stunden, allerdings der Nachteil danach ist: Sie verlassen nach zwei Jahren die Firma. Das heißt, wir haben hauptsächlich Frauen beschäftigt. Diese Frauen sind sehr flink, sind sehr fleißig, die haben nachher soviel Geld verdient nach zwei, drei Jahren, dass sie wieder zurück in die Provinz gehen und sich heiraten lassen wollen. Weil sie dann halt was an den Füßen haben, und dann ihrem Mann was bieten können. "

    Offiziell gilt auch in China die 40-Stunden-Woche. Tatsächlich herrschen extrem unterschiedliche Arbeitsbedingungen je nach Unternehmenstyp, Branche und Region. Viele Überstunden und ungeschützte Arbeitsverhältnisse ohne soziale Absicherung sind in zahllosen Betrieben in- und ausländischer Investoren eher die Regel als die Ausnahme. Nur knapp jeder zwölfte Chinese hat eine Kranken- und Arbeitslosenversicherung, und nicht einmal jeder achte eine Altersicherung.

    Immer mehr marode Staatsbetriebe müssen ihre Arbeiter entlassen. Und nicht selten werden Wanderarbeiter vor allem von skrupellosen Bauunternehmern um ihren Lohn geprellt, meldet unter anderen amnesty international. - Die Gegensätze zwischen arm und reich, Stadt und Land verschärfen sich stetig. Zu dem verseuchen Industrieunternehmen die Flüsse und den Boden der Bauern. Der 80 Kilometer lange Giftteppich aus Benzol auf dem Songhua-Fluss, der nach der Explosion einer Giftfabrik in Harbin Mitte November nun in Russlands Gewässer driftet, wirft ein Schlaglicht auf Chinas dramatische Umweltprobleme. Zunehmender Unmut in der Bevölkerung entlädt sich immer wieder in spontanen Protestkundgebungen. Für seine wirtschaftliche Dynamik zahlt das Reich der Mitte einen hohen Preis.

    "Umwelt spielt auch für die wirtschaftliche Entwicklung in China eine zunehmende Rolle, und die chinesische Regierung selber hat erkannt, dass aus der schlechten Umweltsituation ein großes Problem im Bezug auf die Binnenmigration erwachsen kann…"

    …sagt Werner Lauk, Leiter der Wirtschaftsabteilung der deutschen Botschaft. auf einer Tagung. Die politische Führung versucht der Abwanderung vom Land in die Städte und den wachsenden Spannungen durch weitere Industrieansiedlung entgegenzuwirken.

    " Ich denke, die chinesische Regierung wird alles tun, um es nicht zu einer Situation kommen zu lassen, wo diese enormen Einkommens- und Wohlstandsunterschiede zwischen Stadt und Land, aber auch innerhalb der entwickelten Regionen zu einem Problem werden. Sie ist deshalb nachhaltigst daran interessiert, Arbeitsplätze zu schaffen, und die chinesische Regierung versucht deshalb mit hohem Nachdruck, hohe reale Wachstumsraten, so wie sie in den letzten Jahren vorhanden waren, auch weiterhin zu halten, das bedeutet natürlich auch, dass man versuchen will, das Wachstum aus den Küstenregionen immer weiter nach Westen in das Land hineinzutragen."
    Bei einer hohen geschätzten Arbeitslosigkeit von über zehn Prozent und Unterbeschäftigung auf dem Land überrascht es, dass vor allem mittelständische Investoren Mühe haben, geeignete Arbeitskräfte zu finden. Das Problem liegt in der Qualifikation. China emanzipiert sich zusehends von seiner Rolle als billige Werkbank des Westens. Der Bedarf an Fach- und Führungskräften steigt. Das Land verfügt zwar über die meisten Hochschulabsolventen der Welt. Doch von den Spitzenuniversitäten abgesehen entsprechen deren Kenntnisse oft nicht westlichen Erwartungen. Es fehlt auch eine berufspraktische Ausbildung. Darum sehen sich mittelständische Betriebe in einem scharfen Wettbewerb mit den Großkonzernen, die neben ihrem hohen Renomée die besten Arbeitsbedingungen und Gehälter bieten. Im Kampf um die gut ausgebildeten Fachkräfte stiegen die Einkommen in den letzten Jahren jährlich um etwa sieben Prozent - plus diverse Zusatzleistungen. Die Qualifizierten nutzen ihre Chancen durch emsiges Jobhopping von einer Arbeitsstelle zur nächsten. Holger Baeringer macht sich Sorgen:

    " Ich kenne eine deutsche Firma, die hat in Shenyang eine Fabrikation eröffnet, und nebenan ist BMW, und alle Mitarbeiter, die die ausbilden, wandern zu BMW ab, und das ist ein Riesenproblem. Alle zwei bis fünf Jahre, sagt man, wechseln die Chinesen, und wenn ein Chinese wechselt, nimmt der natürlich auch ein gewisses Knowhow mit. Wie gehen wir dagegen vor? Es gibt viele verschiedene Arten, Chinesen zu halten, aber im Endeffekt – was ich herausgefunden habe, nützt das alles nicht. Man kann nur hingehen und wirklich das Knowhow, das Elementarknowhow selber schützen und in Deutschland behalten. Alles andere geht nicht. Ein Riesenproblem! "
    Die Sorge, dass mit der Personalfluktuation Spezialkenntnisse und Betriebsgeheimnisse bei der Konkurrenz landen, ist nur zu berechtigt. China ist berüchtigt für Produktpiraterie - gegen die auch Patente kaum schützen. Oft tauchen –minderwertige Kopien zunächst unbemerkt in einem anderen Teil des Riesenlandes auf Theoretisch ist der Markenschutz in China durch Gesetze und internationale Abkommen ausreichend geregelt. Doch die praktische Durchsetzung erweist sich in den verschiedenen Provinzen des Riesenlandes als äußerst schwierig. Der Himmel ist weit und der Kaiser ist fern, sagte man früher in China. Der Wirtschaftsattaché der deutschen Botschaft Werner Lauk hofft auf Fortschritte:

    "Es ist wichtig, dass China die durch den Beitritt zur Welthandelsorganisation eingegangenen Verpflichtungen nicht nur den Buchstaben nach, sondern auch dem Sinne nach 1 : 1 umsetzt und vor allen Dingen diese Regulierungen, und diese Gesetze nicht nur in der Hauptstadt und in den entwickelten Ostgebieten, sondern im gesamten Land durchsetzt. Hier ist vieles im Argen, das betrifft insbesondere den Schutz geistigen Eigentums, das betrifft aber auch Fragen wie zum Beispiel Ausschreibungen der öffentlichen Hand, die eben nicht nur auf chinesische Anbieter beschränkt werden dürfen, sondern weltweit ausgeschrieben werden müssen, um auch ausländischen Anbietern – und zwar unabhängig von chinesischen Partnern den Zugang zu diesen Liefer- und Leistungsmöglichkeiten zu bieten. "

    Und so wartet auch Thyssen Krupp auf den Zuschlag für die Fortführung der Transrapidstrecke von Shanghai in die Nachbarstadt Hangzhou, die sie gemeinsam mit Siemens ausbauen möchte: Der chinesische Verhandlungspartner verlangt Einsicht in die Konstruktionspläne Thyssen Krupp lehnt so weit reichende Forderungen entschieden ab. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Handelskammer in China sieht den Kampf um Knowhow in historischer Perspektive. Alfred Wewers:

    "Ich denke, dieses Thema ist in letzter Zeit auch etwas zu hoch gespielt worden, weil dies eine ganz natürliche Entwicklung ist, die wir in allen anderen Ländern, mit denen wir Handel treiben und wo wir produzieren, das auch schon durchgeführt haben. Das Lernen und das Abgeben von - von Wissen ist ein normaler Prozess innerhalb der Industrialisierung, und da sollten wir uns nicht sperren. Wir sollten wohl mit unseren Partner zusammen nach Wegen suchen, wie wir auf Dauer auch eine Chance haben, in China tätig zu sein. "
    Die Goldgräbertage neigen sich dem Ende zu: VW verzeichnet als erfolgsverwöhnter Pionier auf dem chinesischen Automobilmarkt deutliche Umsatzeinbrüche. BMW schafft die ursprünglich angepeilten Marktanteile nicht, Siemens muss die Handysparte an den Taiwanesen BenQ verkaufen, weil es den Wachstumsmarkt in China nicht bedienen konnte. Und der bisher kaum über Chinas Grenzen hinaus bekannter Computerhersteller Lenovo schluckt die PC-Sparte von IBM. Chinas Exporte nach Deutschland liegen heute deutlich über den Importen. Das rasende Entwicklungstempo im Reich der Mitte beunruhigt hierzulande immer mehr. Wird China zu einer Gefahr? Die Deutschen müssen ihren Platz im Zentrum des Geschehens behaupten, sagt Alfred Wewers von der deutschen Handelskammer in China. Und sie müssen sich nicht fürchten entgegnet Shen Jinghua, ein junger Unternehmensberater aus Shanghai

    "Insofern stellt sich hier auch nicht die Frage, wie wir sie in Deutschland häufig haben, der alternativen Arbeitsplätze, nämlich doch lieber hier in Deutschland mehr Arbeitsplätze zu haben und auf eine Verlagerung nach China zu verzichten, nicht. Denn diese Alternative gibt es nicht. Entweder ist man vor Ort und beliefert die dortigen Kunden mit den Produkten, oder man hat diesen Markt nicht, weil man ihn durch Exporte nicht bedienen kann. Und das hat wieder Rückwirkungen auf die angestammten Märkte, weil die Drittmärkte dann zunehmende Bedeutung kriegen, das hat Rückwirkungen auf Forschung und Entwicklung und viele andere Fassetten mehr. Man muss mitmachen - weil wenn man nicht da ist, dann wird man auf dem Weltmarkt auf Dauer Probleme bekommen. "

    " Nur sich schützen, das geht nicht. Man kann nicht die Tür zumachen … man soll andersrum denken, dass Deutsche hochqualifizierte, neue, innovative Technologie entwickeln. Wenn man nur auf dem jetzigen Stand festhält und nicht mehr weiterkommt, dann – sicherlich ist ein Problem. Die chinesische Regierung hat gerechnet, dass dauert wahrscheinlich 50 Jahre, bis China etwa heutige europäische Zustand erreicht. Aber heutige Ich denke, man muss nur die Chancen nutzen. Das ist ein Markt, und jeder Markt hat seine Marktbedingungen.