In der gesamtkünstlerischen Bauhaus-Konzeption hatten Licht und Bewegung eine überragende Bedeutung. Die kinetische Lichtprojektion und die Farbenlichtspiele von Ludwig Hirschfeld-Mack oder László Moholy-Nagys großformatiger Licht-Raum-Modulator bezeugen das. Diesen Impuls brachten die in den 1930er Jahren emigrierten Künstler nach Amerika und erarbeiteten dort in Bauhaus-Nachfolgeeinrichtungen experimentelle, neue Ansätze, die seit den fünfziger Jahren nach Deutschland zurückwirkten und beispielsweise die ZERO-Künstler beeinflussten. Das zeigt eine Ausstellung in Münster mit einhundertfünfzig Objekten als interdisziplinäre Licht-Raum-Erfahrung in sechs Abteilungen. In dem von Hermann Arnhold herausgegeben Begleitbuch heißt es:
"Mit der Konzentration auf die bildende und darstellende Kunst stellt das LWL-Museum für Kunst und Kultur einen Aspekt in den Mittelpunkt, der sich von den anderen Projekten des Bauhaus-Jahres thematisch entscheidend abhebt und erstmals auch die Tanz- und Performance-Kunst sowie die Film- und Videokunst miteinbezieht".
Und wie Hermann Arnhold hervorhebt, gelang dabei ein Brückenschlag zwischen den durch emigrierte Künstler vermittelten progressiven Bewegungen in Europa und entsprechenden Tendenzen in den USA, die nachhaltige Impulse bekamen.
Licht, Luft und Tanz
So stehen neben den Positionen des Bauhauses diejenigen seiner Nachfolgeorganisationen in den USA, namentlich des Black Mountain College in North Carolina und des New Bauhaus in Chicago, des späteren Institute of Design, sowie des von dem Ungarn György Kepes gegründeten Center for Advanced Visual Studies in Cambridge, Massachusetts. Dorthin kam in den späten sechziger Jahren Otto Piene, der Schöpfer des Lichtballetts, der Luft- und Feuerbilder, der dann die Nachfolge von Kepes in der Leitung des Instituts antrat. Die Intention der Bauhaus-Künstler, den gesamten Lebensraum in einem dem modernen Zeitgeist entsprechenden Stil durchzugestalten, folgte keiner plötzlichen Eingebung. Sie hatte ihre Vorgeschichte schon zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts und in Weimar als Vater des Gedankens Henry van de Velde, der dort als Direktor der Großherzoglich Sächsischen Kunstgewerbeschule den Reformgedanken mit seinen Entwürfen für die umliegenden kunsthandwerklichen Betriebe etablierte. Und die amerikanische Tänzerin Loie Fuller wurde als "Schwester Edisons" in den Pariser Folies-Bergère und bald europaweit gefeiert:
"Ihre Auftritte begannen in völliger Dunkelheit und wurden – von einem Lichtstrahl entflammt – zu einem Tanz mit stets sich bewegenden Formen: Mit langen Stäben führte sie den Stoff ihres überdimensionierten Umhanges in großen Kreisen, Wellen und Schrauben um ihren Körper herum. Es entstanden dadurch bis zu drei Meter hohe Bewegungsplastiken. Durch wechselndes Farblicht angestrahlt, glich ihr Tanz einer ständigen Metamorphose."
Die Wiege der modernen Bühnenkunst
Licht und Bewegung führten in den darstellenden und bildenden Künsten zur Loslösung von einer mimetischen Wiedergabe. Und auch hier beschritt das Bauhaus mit Oskar Schlemmer, der 1923 die Leitung der Bühnenwerkstatt übernahm, neue Wege. Schlemmer übertrug das Funktionelle und Mechanische auf den menschlichen Körper, machte die Tänzer zu Kunstfiguren, deren Formen vom Licht erzeugt wurden. Schlemmers Student Xanti Schawinsky entwickelte diese Experimente in den Jahren 1936-1938 am Black Mountain College weiter. Sie inspirierten Robert Rauschenberg, John Cage, Merce Cunningham zu eigenen Aufführungen, Kompositionen, Happenings. Aus der großen Zahl kreativer, wegweisender Persönlichkeiten, die in die USA auswanderten, seien auch die Druck- und Textilkünstlerin Anni Albers und ihr Mann Josef Albers genannt. Dieser herausragende Vertreter der Op Art, einer perzeptuellen Malerei, die Wahrnehmungsstrategien entwickelte, führt vor, wie uns die Farbe - beispielsweise durch Simultankontraste – ständig täuscht. Sein Buch zur Farbtheorie "Interaction of Color" von 1963 ist bis heute grundlegend und seine geheimnisvoll schwebenden Quadrate in der berühmten späten Werkreihe "Hommage to the Square" scheinen von einem immanenten Licht getragen. Vier Jahre nach dem Ehepaar Albers verließ auch László Moholy-Nagy Europa in Richtung Amerika. Alfred Barr, dem einflussreichen Kurator am MOMA, waren schon früh die avantgardistischen Fotografien und Fotogramme des Ungarn aufgefallen, der 1923 von Walter Gropius nach Weimar ans Bauhaus berufen worden war. László Moholy-Nagy gründete 1937 das New Bauhaus und etablierte dort die experimentelle Fotografie der sogenannten Chicagoer Schule, die Barbara Morgan mit ihren Fotomontagen und Lichtzeichnungen weiterführte.
Poesie und Geist der Bauhaus-Architektur in Israel
Das Licht ist auch wesentliches Ausdrucksmittel der bildkünstlerischen Sprache in dem Foto-Projekt "Fragments of a style" des israelischen Architekten und Fotografen Yigal Gawze. Dieses ist Gegenstand des Bildbandes "Form and Light. From Bauhaus to Tel Aviv" und das Licht ist darin das Bindeglied zur Bauhaus-Architektur in Tel Aviv, der Heimatstadt des Künstlers. Sie entstand in den 1930er Jahren, als aus Deutschland und anderen Ländern emigrierte jüdische Architekten wie Joseph Minor, Salomon Liaskowsky, Wilhelm Haller, Jacob Ginsburg oder die Brüder Friedman, um nur einige zu nennen, Entwürfe im Bauhausstil ausführen ließen. Yigal Gawze beschreibt seine Faszination von diesen Bauten:
"Ich war gefesselt von der Art, wie die einfachen Volumen von dem mediterranen Licht geformt wurden und wie sich die weißen Fassaden vom Hintergrund des tiefblauen Himmels abhoben. Was zuerst einfach und funktional erschien, erhielt dank des Wechselspiels von Licht und Schatten eine zusätzliche Tiefe, und wenn ich den richtigen Aufnahmewinkel fand, konnte ich dieser Architektur ihre zurückhaltende Schönheit entlocken".
Funktionalität und Eleganz im mediterranen Stil
Kleine, zurückgesetzte Fenster, die zwar Licht, aber keine direkten Sonnenstrahlen in die Räume lassen, oder winddurchlässige Pfeilerkonstruktionen im Erdgeschoss zollen den Klimaverhältnissen in der "hebräischen Stadt der Moderne" Tribut. Dort ist die heute weltweit größte, viertausend Gebäude umfassende Gruppe von Gebäuden im Bauhaus- und Internationalen Stil zu finden. Leider erfährt man erst im Index des Buches die Namen der Architekten - und nicht mehr. Dass ihre biografischen Daten und Angaben zu den Tätigkeitsfeldern fehlen, ist eine ebenso schmerzliche Lücke in dem Buch wie der Verzicht auf Gesamtansichten der Häuser und Aufnahmen, die ganze Ensembles erkennen ließen. Yigal Gawze hat die imposanten vier- bis fünfstöckigen Wohnhäuser aus der Perspektive eines Flaneurs aufgenommen, in starker Untersicht oder aus der Nähe mit dem Blick auf Details. Sie wurden für ihn zur Projektionsfläche dafür
"… dass die Bilder zusammenwirkten, um ein lebendiges Porträt eines einzigartigen urbanen Schauplatzes zu schaffen, indem sie den poetischen Wesenskern seiner Architektur und die Rolle des Lichts bei seiner Gestaltgebung enthüllten".
Yigal Gawzes Intention bei "Fragments of a style" war es, mit dem 1993 begonnenen Projekt die Kunst der Fotografie sich am Fluidum ihrer Motive – der aus Deutschland mitgebrachten avantgardistischen Architektur und des Neuen Sehens - entfalten zu lassen: an der funktionalen Konzeption, den klaren Formen eines europäischen Baustils im gleißenden Licht des Mittelmeerraums. Er machte die meisten Außenaufnahmen unmittelbar nach erfolgter Restaurierung der Gebäude. So ist es der schöne Augenblick, den Yigal Gawze eingefangen hat, die Bild gewordene Utopie, in der er das Bauhaus-Ideal zu fassen sucht.
Yigal Gawze: "Form and Light. From Bauhaus to Tel Aviv"
aus dem Englischen von Ingrid Hacker-Klier
Hirmer Verlag, München. 120 Seiten mit 100 Abbildungen, 45 Euro.
aus dem Englischen von Ingrid Hacker-Klier
Hirmer Verlag, München. 120 Seiten mit 100 Abbildungen, 45 Euro.
Hermann Arnhold (Hrsg.): "Bauhaus und Amerika. Experimente in Licht und Bewegung"
Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung im LWL-Museum für Kunst und Kultur, Westfälisches Landesmuseum
Kerber Verlag, Bielefeld. 272 Seiten mit 185 farbigen und 124 s/w Abbildungen, 55 Euro.
Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung im LWL-Museum für Kunst und Kultur, Westfälisches Landesmuseum
Kerber Verlag, Bielefeld. 272 Seiten mit 185 farbigen und 124 s/w Abbildungen, 55 Euro.