Ob Bildungs- oder Sozialpolitik - skandinavische Länder gelten gemeinhin als vorbildlich. Wenn also Finnland herausfinden will, wie ein Grundeinkommen funktionieren kann, ist dem Land Aufmerksamkeit garantiert. Auch die aus Deutschland.
Für Michael Bohmeyer ist die Initiative der Regierung in Helsinki ein Anfang. "Alleine die Tatsache, dass es angegangen wird, ist gut", sagt er im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Der Anfang-Dreißigjährige gründete im Sommer 2014 die Initiative "Mein Grundeinkommen". Während andere noch über Sinn und Unsinn der Idee nachdachten, legte Bohmeyer einfach los. Die Idee: Per Crowdfunding wird so lange gesammelt, bis 12.000 Euro zusammengekommen sind. Und diese Summe ermöglicht es dann einem Menschen, ein Jahr lang das sogenannte Bedingungslose Grundeinkommen, kurz BGE, zu erhalten. Jeden Monat 1.000 Euro - ohne eine konkrete Gegenleistung dafür aufbringen zu müssen.
"Einfach ein Vertrauensvorschuss"
Der Deutschlandfunk begleitete das Experiment von Beginn an. Im September 2014 sagte Bohmeyer in einem Interview, das BGE sei "einfach ein Vertrauensvorschuss, der sagt, Du bist ein Mensch, Du willst zur Gesellschaft beitragen, wir vertrauen Dir, dass Du weißt, was gut für Dich ist, und das wird im großen Mittel auch für die Gesellschaft gut sein". Zu dem Zeitpunkt war das fünf Menschen möglich. Inzwischen wird für den 71. gesammelt. Anfang 2017 soll die nächste Verlosung - so werden die BGE-Bezieher gefunden - stattfinden.
Auch in Finnland entscheidet das Prinzip Zufall. Hier allerdings ausschließlich unter Arbeitslosen. 2.000 zufällig ausgewählte Personen sollen ab Januar anstelle von Arbeitslosengeld 560 Euro im Monat bekommen. Und auch dann gilt: keine Bedingungen. Zwei Jahre soll die Studie dauern, im Anschluss geprüft werden, wie sich das BGE auf das Verhalten bisheriger Sozialhilfebezieher auswirkt. Kritiker werfen der neoliberalen Regierung vor, es gehe ihr dabei nur um Profitmaximierung.
"Immer wenn man sich festlegt, hat man Kritiker", entgegnet dem Grundeinkommensaktivist Bohmeyer. Für ihn verbergen sich hinter dem breiten Begriff "unterschiedlichste politische Strömungen". Das sei auch gut so, findet der Berliner. So unterscheidet sich der finnische Ansatz deutlich von dem in der Schweiz. Dort stand ein humanistischer Ansatz im Vordergrund: 2.500 Franken für Erwachsene und der Glaube daran, dass Menschen losgelöst von Zwang auch weiterhin arbeiten werden - und zwar deutlich zufriedener. Doch die große Mehrheit der Bevölkerung entschied sich bei einer Abstimmung im Juni dieses Jahres dagegen.
Weitgehende Ablehnung in Deutschland
In Finnland nun gab es kein Referendum, alleine die Regierung brachte das BGE vor einem Jahr auf den Weg - als erste weltweit. In Deutschland spricht sich bislang nur die Piratenpartei eindeutig für die Idee aus, die Linken zeigen sich gespalten in der Frage, die anderen großen Parteien positionieren sich mehrheitlich ablehnend. Genau wie das Gros der Wirtschaftsvertreter. So sprach Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, mit Blick auf Finnland jüngst auf Twitter von einem "Experiment ohne Aussage für die Gesellschaft":
Doch es gibt auch Fürsprecher: Die prominentesten aus Reihen der Wirtschaft sind dm-Gründer Götz Werner (hier erklärt er im Deutschlandfunk seine Motive) und Telekom-Chef Timotheus Höttges. Für den Philosophen Richard David Precht ist das BGE ein unausweichliches Zukunftsthema, an das sich aus seiner Sicht schlicht kein Politiker traut.
"Wir müssen den Menschen vertrauen"
Dabei sei das Thema eines, das die gesamte Gesellschaft anspreche, hat Michael Bohmeyer bei seiner Arbeit für "Mein Grundeinkommen" beobachtet: Hätten sich in den Anfängen noch Menschen aus einem "alternativen, links-grünen Milieu" für die Idee interessiert, sei inzwischen keine bestimmte politische Haltung mehr auszumachen. Rund 360.000 folgen dem Portal, mehr als 47.000 haben bereits Geld gespendet.
Erstaunlich auch: In den zweieinhalb Jahren seines Bestehens habe die Initiative noch keine Anfeindungen erlebt, betont Bohmeyer. Man wolle ja auch niemanden überzeugen. "Diese gewaltfreie Art des politischen Handelns macht uns weniger angreifbar." Das positive Menschenbild - mit einer Haltung von "Wir müssen den Menschen vertrauen" - sei aus seiner Sicht ein "Gegennarrativ zu Trumpismus und Rechtsruck".