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Das berühmteste Hörspiel aller Zeiten

Am 30. Oktober 1938 schrieb ein Hörspiel Rundfunkgeschichte. Orson Welles hatte den Science-Fiction-Klassiker "War of the Worlds" so realistisch inszeniert, dass vor allem im Großraum New York Menschen aus Angst vor einer Invasion vom Mars in Panik auf die Straßen liefen.

Von Christian Blees |
    O-Ton aus "The War of the Worlds”:
    "The Columbia Broadcasting System and its affiliated stations present Orson Welles and the Mercury Theatre On The Air in 'The War Of The Worlds' by H.G. Wells.”"

    Sonntag, der 30. Oktober 1938. Auf den Sendern des Radio Networks CBS präsentierte ein junger Mann namens Orson Welles das Hörspiel "Krieg der Welten", eine Adaption des gleichnamigen Science-Fiction-Klassikers aus dem Jahre 1898. Für den Abend vor Halloween hatte sich der 23-jährige Regisseur etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Er verpackte die Geschichte von einer Invasion durch Marsmenschen in das akustische Gewand einer Live-Reportage. So begann das Hörspiel zunächst ganz harmlos, nämlich getarnt als Konzertübertragung aus dem Ballsaal eines New Yorker Hotels. Doch dann, um Viertel nach acht Uhr abends Ostküstenzeit, ließ Welles plötzlich die ersten Raumschiffe vom Mars landen. Diese fingen sofort an, mit ihren Hitzestrahlen Menschen, Wälder und Automobile in Brand zu setzen. Ein vermeintlicher Reporter berichtete direkt vom Ort des Geschehens.

    O-Ton aus "The War of the Worlds”:
    Reporter: ""Wait a minute – something is happening! (merkwürdige Geräusche) A humped shape is rising out of the pit. I can make out a small beam of light against a mirror. What's that' There's a jet of flame springing from that mirror, and it leaps right at the advancing men. It strikes them head on! Good Lord, they are turning into flame! (Schreie) Now the whole field's caught fire. (Explosion) The woods…the barns…the gas tanks of automobiles…it's spreading everywhere.”"

    In der Romanvorlage des Engländers Herbert George Wells hatte die Invasion vom Mars ursprünglich in der Gegend um London stattgefunden. Für sein Hörspiel verlegte Orson Welles den Landeplatz der außerirdischen Raumschiffe in den US-Bundesstaat New Jersey. Bill Herz, damals Orson Welles' persönlicher Assistent, erinnert sich:

    "Nach der Generalprobe sagte ich dem Produzenten John Houseman und dem Verfasser des Hörspiel-Manuskripts, Howard Koch, dass ich das Ganze für ganz schön weit hergeholt hielt. Die Vorstellung, Marsmenschen würden in New Jersey landen, erschien mir geradezu lächerlich. Ich war damals 21, und die beiden schauten mich an: 'Glaubt dieser junge Snob wirklich, alles besser wissen zu müssen als wir?'"

    Die Einschaltquote des Hörspiels an diesem Abend blieb zunächst bescheiden. Die überwiegende Mehrheit des Radiopublikums lauschte, wie sonntags um diese Uhrzeit üblich, dem parallel ausgestrahlten Konkurrenzprogramm der National Broadcasting Company, NBC.

    O-Ton aus "The Chase And Sanborn Hour”:
    Ansager: ""The makers of Chase and Sanborn Coffee, the superb blend you know it's fresh, present 'The Chase And Sanborn Hour' and your host, Don Ameche.”"

    Gegen die "Chase And Sanborn Hour" mit ihren Rekord-Einschaltquoten war Orson Welles bis dahin derart machtlos gewesen, dass er für seine eigene Hörspielreihe noch nicht einmal einen Sponsor hatte finden können. Diesmal aber kündigte der Moderator auf NBC um Viertel nach acht eine musikalische Unterbrechung an. Das nahmen viele Hörer zum Anlass, umzuschalten auf CBS. Dort landeten sie plötzlich in der vermeintlichen Live-Reportage von der Mars-Invasion. Ein Zuhörer (*) erinnerte sich später:

    "Meine Frau und ich fuhren im Auto durch einen Wald im Norden Kaliforniens, als wir die Rundfunkübertragung hörten. Erst ging es nur um New Jersey, aber plötzlich landeten sie überall, auch in Kalifornien. Es gab kein Entrinnen. Dann ging uns das Benzin aus. Wir konnten nichts mehr tun. Wir saßen einfach da und warteten darauf, dass die Marsmonster über den Baumwipfeln erscheinen würden. Als Orson Welles übers Radio verkündete, das Ganze sei lediglich ein Scherz gewesen, kam es uns vor, als seien wir auf dem Weg in die Todeszelle zurück gerufen worden."

    Vor allem im Großraum New York rannten die Menschen auf der Flucht vor den Marsbewohnern in Panik auf die Straße. Gleichzeitig brachen in der CBS-Sendezentrale, bei der Polizei und bei der Feuerwehr die Telefonleitungen zusammen.

    Trotz aller Kontroversen, die sein Hörspiel nach der Ausstrahlung hervorrief, hatte Orson Welles quasi zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Einschaltquoten seiner Hörspielreihe stiegen an, und mit dem Suppenhersteller "Campbell Soups" war kurz darauf auch noch ein zahlungswilliger Sponsor gefunden. Doch das war noch nicht alles: Die RKO Studios aus Hollywood boten Welles prompt einen Filmvertrag an. Der junge Regisseur fackelte nicht lange – und bestätigte seinen Ruf als "Wunderkind" zwei Jahre später mit dem Meisterwerk "Citizen Kane".
    (*) In der Audiofassung und in der ursprünglichen Version dieses Onlinebeitrags wurde eine Massenpanik suggeriert. Neuere Forschungen haben aber ergeben, dass die Panik längst nicht so verbreitet war wie in vielen Zeitungen damals dargestellt. Wir haben die Formulierung daher an dieser Stelle angepasst.