Die französische Revolution: eine Verschwörung der Freimaurer und des Illuminaten-Ordens.Die "Weisen von Zion", verschworen, um die jüdische Weltherrschaft zu erringen.
Der Mord an US-Präsident Kennedy...
Das HI-Virus: in amerikanischen Labors gezüchtet, um ungeliebte Minderheiten wie Schwule oder Afroamerikaner loszuwerden.
Die Terroranschläge vom 11. September - eine Verschwörung der Bush-Regierung mit CIA und Israel, um ihre Kriegspläne durchzusetzen.
"Verschwörungsideologien sind heute noch vorhanden, im Gegenteil sie werden immer stärker, "
... sagt Wolfgang Wippermann, Professor für Neue Geschichte an der Freien Universität Berlin und scheint angesichts seines derzeitigen Forschungsthemas ziemlich kulturpessimistisch:
"Die Aufklärung kann man gewissermaßen knicken, wir sind in einem post- oder antiaufklärerischem Zeitalter, und je mehr wir wissen oder zu wissen meinen, um so mehr neigen wir dazu, den einfachen Erklärungen dieser Verschwörungsideologien zu glauben."
Wippermann hat die wichtigsten angeblichen Verschwörer und ihre geheimen Aktivitäten in historischer Abfolge analysiert: Von den "Brunnenvergiftungen" durch Juden und Hexen im Mittelalter, über revolutionäre Umtriebe der Freimaurer und Illuminaten oder später der Sozialisten und Kommunisten, die verschiedenen Formen der "jüdischen Weltverschwörung" bis zu den konspirativen Aktionen der Geheimdienste, die in der islamischen Welt, aber auch bei manchen Europäern als Verschwörungstheorien kursieren.
Der Historiker spricht allerdings lieber von Verschwörungs-Ideologien:
"Diese Verschwörungen hat es gar nicht gegeben, sie sind konstruiert worden für bestimmte politische und soziale Zwecke. Und meine zentrale These ist, die Basis dieser Verschwörungsideologien ist der Teufelsglaube. Also wenn Menschen etwas Böses passiert, machen sie nicht sich selber oder die anderen Menschen in erster Linie verantwortlich, sondern den Teufel. Das erscheint merkwürdig, weil wir denken, der Teufelsglaube ist nicht mehr, aber er ist sehr weit verbreitet. Beide Kirchen, die katholische Kirche durchgängig, hat am Teufelsglauben festgehalten, und die Aufklärer haben das in einer Hilflosigkeit oder auch mangelndem Mut durchgehen lassen, und das rächt sich jetzt. Das 20. Jahrhundert war ein Zeitalter der Ideologien, nun ist das 21. Jahrhundert ganz offensichtlich ein Jahrhundert der Religionen, und das ist nicht nur positiv, bisher überwiegend negativ."
Wippermanns Buch heißt "Agenten des Bösen", denn der Teufel als Urgrund der Verschwörung handelt nicht allein, sondern hat immer Helfer. Und hier kommen fast alle Verschwörungsideologen immer auch auf "die Juden". Verschwörungsideologien als Antisemitismus?
"Ein zentraler Bestandteil des Antisemitismus. Warum sind die Juden die Agenten des Teufels? Weil sie eben im Neuen Testament als "Kinder des Teufels" bezeichnet werden. Und das muss man sehr ernst nehmen. Luther hat das sehr ernst genommen. Das Neue Testament ist dann schon eine antisemitische Verschwörungsideologie - mögen die Theologen nicht gerne hören - aber so ist es, und für mich bedeutsam war, dass Luther das in keiner Weise reformiert hat, sondern radikalisiert hat. "
Deshalb, so Wolfgang Wippermann, treffen alle Verschwörungsideologien mit Juden als "Agenten" auf so großen Nachhall. Am bekanntesten und bis heute wirkungsvoll: die so genannte Verschwörung der "Weisen von Zion", die die Weltherrschaft erringen wollten. Die grundlegenden Texte - angebliche Protokolle ihrer Zusammenkünfte - wurden schon kurz nach ihrer Entstehung als antijüdische Fiktion erkannt. Sie spielten dennoch für Hitler eine große Rolle und werden bis heute als Beweise zitiert, zum Beispiel in der Ideologie der Hamas.
Ansonsten speisen sich islamische Verschwörungstheorien eher aus dem Nahostkonflikt, wobei auch hier die dem Koran nicht fremde Teufelsterminologie benutzt wird: Der "kleine Satan" Israel hat sich mit den USA, dem "großen Satan", verschworen.
Auf antisemitische Reflexe verzichten aber auch die modernen Verschwörungsideologen im Westen nicht, etwa Andreas von Bülow oder Mathias Bröckers mit ihren kruden Theorien zu den Anschlägen am 11. September 2001.
"Die haben gezählt, wie viel Juden darunter waren, um daraus zu schließen, die Juden waren dafür verantwortlich. Das ist nun wirklich pervers. "
Verschwörungsideologien erfüllen die Sehnsucht nach einfachen Erklärungen angesichts komplexer, schwer durchschaubarer Zusammenhänge. Zudem fehlt manchem offenbar bei rationalen Deutungen von besonders aufwühlenden Ereignissen die emotionale Komponente. Folgerichtig beschäftigen sich seit einiger Zeit auch Psychologen mit dem Thema. So hat Martin Bruder von der Universität Cardiff in Wales über 4.000 Menschen im Internet befragt. Sein Ergebnis: Nicht fehlende Bildung lässt Menschen den Verschwö-rungsideologen folgen, sondern geringes Selbstbewusstsein sowie ein grundlegendes Misstrauen in politische Systeme. Und die Globalisierungsangst aktualisiert die Vorstellung, das Böse lauert überall.
Wolfgang Wippermann lehnt psychologische, anthropologische Erklärungen für Verschwörungstheorien nicht ab, sieht sie aber eher als ein Krisenphänomen:
"Ich hatte da die These, dass sich die Verschwörungsideologien verdichten, kumulieren, in Verschwörungszeiten, Krisenzeiten. Das ausgehende Mittelalter, französische Revolution, bolschewistische Revolution und jetzt natürlich 9/11 sozusagen, die Anschläge. Da ist die Angst vor dem Untergang, die Angst vor dem Teufel, die Angst vor seinen Agenten. Man kann das jetzt noch weiter psychologisch erklären. Aber der Historiker hat ja die Schwierigkeit, man kann die toten Menschen nicht auf die Couch legen, sozusagen."
Neben der allgemeinen Krisenstimmung fördert heute das Internet die Verschwörungsideologien, nicht nur wegen der größeren Verbreitungsmöglichkeiten:
"Ja, da schlägt schon Quantität in Qualität um, also im Internet kann man alles Mögliche verbreiten, das ist das Medium der Verschwörungsgläubigen, man kann Zitatkartelle errichten, und man kann diese Zitatkartelle auch schlecht zerstören. Dann wird darauf verwiesen mit Links usw., und die sind nicht mehr da usw., das heißt unsere klassischen Methoden der Ideologiekritik kommen hier mit diesem Internet nicht so ganz rein. Und es kommt hinzu auch ein naiver Glaube: was im Internet steht, was man da findet, das muss ja irgendwie wahr sein. "
Hermetisches Denken gehört zu den wesentlichen Elementen einer Verschwörungsideologie: Das Fehlen von Beweisen gilt oft gerade als Beleg für die Richtigkeit. Und ebenso werden Kritiker in dieses geschlossene System "integriert", weiß der Historiker Wolfgang Wippermann:
"Ich hab schon in den ersten Reaktionen auch im Internet die Diskussion, ob Wippermann vom Mossad finanziert wird, weil ich sehr scharf und glaube auch berechtigt, diese neuen antisemitischen Verschwörungsideologen kritisiert habe, und tatsächlich als Bestätigung quasi meines Buches wird gesagt, "der ist ein Teil der Verschwörung, der ist geleitet von irgendwelchen Juden, also vom Mossad und anderen sozusagen dazu"."
Der Mord an US-Präsident Kennedy...
Das HI-Virus: in amerikanischen Labors gezüchtet, um ungeliebte Minderheiten wie Schwule oder Afroamerikaner loszuwerden.
Die Terroranschläge vom 11. September - eine Verschwörung der Bush-Regierung mit CIA und Israel, um ihre Kriegspläne durchzusetzen.
"Verschwörungsideologien sind heute noch vorhanden, im Gegenteil sie werden immer stärker, "
... sagt Wolfgang Wippermann, Professor für Neue Geschichte an der Freien Universität Berlin und scheint angesichts seines derzeitigen Forschungsthemas ziemlich kulturpessimistisch:
"Die Aufklärung kann man gewissermaßen knicken, wir sind in einem post- oder antiaufklärerischem Zeitalter, und je mehr wir wissen oder zu wissen meinen, um so mehr neigen wir dazu, den einfachen Erklärungen dieser Verschwörungsideologien zu glauben."
Wippermann hat die wichtigsten angeblichen Verschwörer und ihre geheimen Aktivitäten in historischer Abfolge analysiert: Von den "Brunnenvergiftungen" durch Juden und Hexen im Mittelalter, über revolutionäre Umtriebe der Freimaurer und Illuminaten oder später der Sozialisten und Kommunisten, die verschiedenen Formen der "jüdischen Weltverschwörung" bis zu den konspirativen Aktionen der Geheimdienste, die in der islamischen Welt, aber auch bei manchen Europäern als Verschwörungstheorien kursieren.
Der Historiker spricht allerdings lieber von Verschwörungs-Ideologien:
"Diese Verschwörungen hat es gar nicht gegeben, sie sind konstruiert worden für bestimmte politische und soziale Zwecke. Und meine zentrale These ist, die Basis dieser Verschwörungsideologien ist der Teufelsglaube. Also wenn Menschen etwas Böses passiert, machen sie nicht sich selber oder die anderen Menschen in erster Linie verantwortlich, sondern den Teufel. Das erscheint merkwürdig, weil wir denken, der Teufelsglaube ist nicht mehr, aber er ist sehr weit verbreitet. Beide Kirchen, die katholische Kirche durchgängig, hat am Teufelsglauben festgehalten, und die Aufklärer haben das in einer Hilflosigkeit oder auch mangelndem Mut durchgehen lassen, und das rächt sich jetzt. Das 20. Jahrhundert war ein Zeitalter der Ideologien, nun ist das 21. Jahrhundert ganz offensichtlich ein Jahrhundert der Religionen, und das ist nicht nur positiv, bisher überwiegend negativ."
Wippermanns Buch heißt "Agenten des Bösen", denn der Teufel als Urgrund der Verschwörung handelt nicht allein, sondern hat immer Helfer. Und hier kommen fast alle Verschwörungsideologen immer auch auf "die Juden". Verschwörungsideologien als Antisemitismus?
"Ein zentraler Bestandteil des Antisemitismus. Warum sind die Juden die Agenten des Teufels? Weil sie eben im Neuen Testament als "Kinder des Teufels" bezeichnet werden. Und das muss man sehr ernst nehmen. Luther hat das sehr ernst genommen. Das Neue Testament ist dann schon eine antisemitische Verschwörungsideologie - mögen die Theologen nicht gerne hören - aber so ist es, und für mich bedeutsam war, dass Luther das in keiner Weise reformiert hat, sondern radikalisiert hat. "
Deshalb, so Wolfgang Wippermann, treffen alle Verschwörungsideologien mit Juden als "Agenten" auf so großen Nachhall. Am bekanntesten und bis heute wirkungsvoll: die so genannte Verschwörung der "Weisen von Zion", die die Weltherrschaft erringen wollten. Die grundlegenden Texte - angebliche Protokolle ihrer Zusammenkünfte - wurden schon kurz nach ihrer Entstehung als antijüdische Fiktion erkannt. Sie spielten dennoch für Hitler eine große Rolle und werden bis heute als Beweise zitiert, zum Beispiel in der Ideologie der Hamas.
Ansonsten speisen sich islamische Verschwörungstheorien eher aus dem Nahostkonflikt, wobei auch hier die dem Koran nicht fremde Teufelsterminologie benutzt wird: Der "kleine Satan" Israel hat sich mit den USA, dem "großen Satan", verschworen.
Auf antisemitische Reflexe verzichten aber auch die modernen Verschwörungsideologen im Westen nicht, etwa Andreas von Bülow oder Mathias Bröckers mit ihren kruden Theorien zu den Anschlägen am 11. September 2001.
"Die haben gezählt, wie viel Juden darunter waren, um daraus zu schließen, die Juden waren dafür verantwortlich. Das ist nun wirklich pervers. "
Verschwörungsideologien erfüllen die Sehnsucht nach einfachen Erklärungen angesichts komplexer, schwer durchschaubarer Zusammenhänge. Zudem fehlt manchem offenbar bei rationalen Deutungen von besonders aufwühlenden Ereignissen die emotionale Komponente. Folgerichtig beschäftigen sich seit einiger Zeit auch Psychologen mit dem Thema. So hat Martin Bruder von der Universität Cardiff in Wales über 4.000 Menschen im Internet befragt. Sein Ergebnis: Nicht fehlende Bildung lässt Menschen den Verschwö-rungsideologen folgen, sondern geringes Selbstbewusstsein sowie ein grundlegendes Misstrauen in politische Systeme. Und die Globalisierungsangst aktualisiert die Vorstellung, das Böse lauert überall.
Wolfgang Wippermann lehnt psychologische, anthropologische Erklärungen für Verschwörungstheorien nicht ab, sieht sie aber eher als ein Krisenphänomen:
"Ich hatte da die These, dass sich die Verschwörungsideologien verdichten, kumulieren, in Verschwörungszeiten, Krisenzeiten. Das ausgehende Mittelalter, französische Revolution, bolschewistische Revolution und jetzt natürlich 9/11 sozusagen, die Anschläge. Da ist die Angst vor dem Untergang, die Angst vor dem Teufel, die Angst vor seinen Agenten. Man kann das jetzt noch weiter psychologisch erklären. Aber der Historiker hat ja die Schwierigkeit, man kann die toten Menschen nicht auf die Couch legen, sozusagen."
Neben der allgemeinen Krisenstimmung fördert heute das Internet die Verschwörungsideologien, nicht nur wegen der größeren Verbreitungsmöglichkeiten:
"Ja, da schlägt schon Quantität in Qualität um, also im Internet kann man alles Mögliche verbreiten, das ist das Medium der Verschwörungsgläubigen, man kann Zitatkartelle errichten, und man kann diese Zitatkartelle auch schlecht zerstören. Dann wird darauf verwiesen mit Links usw., und die sind nicht mehr da usw., das heißt unsere klassischen Methoden der Ideologiekritik kommen hier mit diesem Internet nicht so ganz rein. Und es kommt hinzu auch ein naiver Glaube: was im Internet steht, was man da findet, das muss ja irgendwie wahr sein. "
Hermetisches Denken gehört zu den wesentlichen Elementen einer Verschwörungsideologie: Das Fehlen von Beweisen gilt oft gerade als Beleg für die Richtigkeit. Und ebenso werden Kritiker in dieses geschlossene System "integriert", weiß der Historiker Wolfgang Wippermann:
"Ich hab schon in den ersten Reaktionen auch im Internet die Diskussion, ob Wippermann vom Mossad finanziert wird, weil ich sehr scharf und glaube auch berechtigt, diese neuen antisemitischen Verschwörungsideologen kritisiert habe, und tatsächlich als Bestätigung quasi meines Buches wird gesagt, "der ist ein Teil der Verschwörung, der ist geleitet von irgendwelchen Juden, also vom Mossad und anderen sozusagen dazu"."