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Das Bolschoi-Theater in neuem Glanz

Das Bolschoi ist so alt wie ehrwürdig, ebenso seine Treue zum klassischen Ballett: Die Gefahr einer modernen Inszenierung ist gering. Sechs Jahre lang war das Theater geschlossen, nun steht die Wiedereröffnung kurz bevor. Das klassizistische Gebäude hat sich wieder in ein echtes Schmuckstück zurückverwandelt.

Von Robert Baag |
    Eigentlich ist Michail Sidorov nicht gerade ein Mann der leisen Töne. Aber mitten im so genannten Zaren-Foyer im linken Flügel des Bolschoi-Theaters fängt er plötzlich fast zu flüstern an:

    "Wie leise ich hier auch reden mag, jeder in diesem Raum wird mich trotzdem verstehen. Die Zimmerdecke bündelt die Akustik. Wenn ich aber in die Hände klatsche, drehen sich sogar ganz weit hinten die Menschen noch um."

    Sidorov, Fachberater der seit 2009 für die Restaurationsarbeiten verantwortlichen "Summa"-Holding, kann sich nicht nur an diesem Beispiel erfolgreicher Handwerkskunst begeistern. Das altehrwürdige Haus im Zentrum Moskaus, einen Steinwurf vom Kreml entfernt, riecht durchdringend nach frischer Farbe. Blendendes Weiß und schimmerndes Gold verbreiten strahlenden Glanz. Sechs Jahre haben sich die Arbeiten hingezogen, bis das "Bolschoi", wie es gemeinhin im Kürzel genannt wird, seine Türen nun, am 2. November, endlich wieder für das breite Publikum öffnen wird. Und zwar mit einem beherzten Griff in den Fundus des derzeit politisch durchaus erwünschten klassischen, russisch-patriotisch gefärbten Repertoires.

    "Ruslan und Ljudmila", Michail Glinkas Oper in fünf Akten nach dem gleichnamigen Versepos des russischen Nationaldichters Alexander Puschkin, wird Eröffnungsstück und die erste von drei Premieren der Saison sein. Doch schon etwas eher, in wenigen Tagen, am 28. Oktober, lädt Staatspräsident Dmitri Medwedew zunächst eine handverlesene Gästeschar zur geschlossenen Auftakt-Gala, bestätigt mit geheimnisvollem Unterton Bolschoi-Intendant Anatoli Iksanov. Als Star der Gala habe man den Tenor Placido Domingo gewinnen können, der übrigens sogar in russischer Sprache singen werde.

    Kritische Nachfragen in den offiziellen Jubelton bewirken dagegen rasch verdrossene Missbilligung: Die gigantischen Kosten etwa. Über eine Milliarde Euro Steuergelder soll verbaut worden, davon aber vieles abgezweigt und in dunklen Kanälen versickert sein, halten sich hartnäckige Gerüchte. Nein, dementiert Iksanov, die Gesamtkosten seien nur halb so hoch und betrügen umgerechnet rund 500 Millionen Euro. Zu einem vor zwei Jahren eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen Betrugs- und Korruptionsverdacht im Zusammenhang mit den Renovierungsarbeiten fällt die Auskunft Iksanovs noch kürzer aus:

    "Davon weiß ich überhaupt nichts!"

    Beschwört der Bolschoi-Intendant. Auch nicht gegen wen ein Strafverfahren laufe. Denn: Das betreffe sein Haus nicht.

    Unübersehbar bleibt: Das noch vor einem halben Jahrzehnt vom Einsturz bedrohte klassizistische Gebäude hat sich wieder in ein echtes Schmuckstück zurückverwandelt, das die innenarchitektonischen Vorgaben nach Original-Bauplänen aus dem 19. Jahrhundert mit den Elementen modernster Bühnentechnik verbindet. Michail Sidorov erinnert sich schaudernd, wie einst die Sowjetmacht die in die kostbaren Wand-Gobelins eingearbeiteten Zarenadler-Wappen brachial vernichten ließ:

    "In den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts kamen Leute mit Scheren, schnitten sie einfach heraus und warfen sie weg. Gobelin-Experten, russische Meister ihres Fachs, haben sie in mühevoller Arbeit jetzt wiederhergestellt. Fünf Jahre hat es nun gedauert.Das wäre sonst alles zugrunde gegangen. Das macht den Genius dieses Ortes aus!"

    Dennoch: Das "Bolschoi" wird trotz alt-neuem Zarenprunk mit der Sowjet-Epoche weiterhin untrennbar verflochten bleiben:

    "Dieses Gebäude war nicht nur die wichtigste Kunst-Bühne der UdSSR. Es diente auch als politische Hauptbühne: Lenin trat hier auf, Stalin, Chruschtschow. Dafür mussten mehr Sitze eingebaut werden. 2100 waren es am Ende - das aber hatte gewaltige Konsequenzen für die Akustik!"

    Nun sind es wieder nach historischem Vorbild 1740 Sitzplätze: Weniger ist mehr, soll dem Wohlklang dienen. Die billigsten Tickets, beteuert die Intendanz, werden umgerechnet 2,50 Euro kosten. Für das teuerste Billet, so war zu hören, müsse man dagegen dreitausend Rubel bezahlen, also etwa 70 Euro.