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Das Borakel von Bochum

Soll ich lieber Musik oder vielleicht doch Physik studieren? Vor der Qual der Wahl und der Unsicherheit, ob die fürs Berufsleben entscheidende Wahl wirklich die Richtige ist, stehen Jahr für Jahr viele Tausend Abiturienten. Eine kleine Orientierungshilfe bietet BORAKEL, ein Selbsttest im Internet, der von der Universität Bochum entwickelt worden ist. Seit Anfang April ist er im Netz und hat jeden Tag Hunderte von Zugriffen.

Von Andrea Groß |
    "Wenn sie auf die Internetseite gehen, das ist die Homepage der Ruhr-Universität und dann Schrägstrich Borakel, dann haben sie die Möglichkeit, zwischen drei verschiedenen Modulen zu wählen."

    Heinrich Wottawa ist der Erfinder des Borakel. An der Uni Bochum hat er den Lehrstuhl für Psychologische Methodenlehre, Diagnostik und Evaluation inne. Fragebögen, Eignungs- und Leistungstests sind seine Spezialität.

    Im ersten Modul des Borakel werden Dinge wie Leistungsbereitschaft, Teamfähigkeit, Belastbarkeit und Entscheidungsfreude getestet. Auch kognitive Fähigkeiten, wie schnelles Auffassungsvermögen, Kreativität, Umgang mit Sprache oder mit Zahlen werden abgefragt. Heinrich Wottawa empfiehlt, sich dafür Zeit zu nehmen und sich darauf einzustellen, dass der Fragenkatalog von anderem Kaliber ist, als beispielsweise der Psychotest einer Frauenzeitschrift. Das findet auch Alexander Janik aus Recklinghausen, der den Test ausprobiert hat.

    "Ich habe auch gedacht, dass das so eine Stunde dauert, vielleicht. Ja und dann saß ich da fast zweieinviertel Stunden dran. Das war schon ziemlich aufwendig."

    Alexander Janik hat gerade sein Abitur hinter sich und weiß noch nicht genau, was er studieren will. Sozialwissenschaft vielleicht, oder Wirtschaftswissenschaft. Dass die Uni Bochum so einen Test anbietet, findet er gut. Eigentlich könnte jede Uni so etwas machen.

    Rund 500 Menschen greifen jeden Tag auf die Internetseite des Borakel zu, aber nur ein Fünftel beendet das erste Modul. Schummeln ist dabei zwar möglich, aber, so Heinrich Wottawa, wenig sinnvoll.

    "Es erfahren ja ihr Ergebnis ausschließlich Sie selbst und sonst niemand. Und wenn Sie sich selbst belügen wollen, dann machen Sie zum Beispiel Borakel, diesen ersten Teil, zehn Mal. Sie sind beim zehnten Mal sicher ein bisschen geschulter wie beim ersten, weil Sie die Fragen schon kennen. Also sich selbst betrügen können Sie natürlich, aber was soll's, sie haben nichts davon."

    Sich selbst zu betrügen hatte auch Diego Sanchez nicht im Sinn, als er blitzschnell erkennen musste, ob sich unter mehreren abgebildeten Formen zum Beispiel ein Dreieck befindet oder wie hoch er auf einer Skala von Eins bis Hundert seinen Fleiß einschätzt.

    "Also ich fand sehr schwer, zum Beispiel bei der Selbsteinschätzung, das so mit Prozentzahlen anzugeben. Ich glaub, wenn man den Test ein zweites Mal gemacht hätte, hätte das auch ganz anders sein können."

    Angenehmer fanden die beiden Probanden den zweiten Teil des Tests, in dem sie Angaben über ihre Interessen machen konnten und mögliche Studienfachwünsche äußern durften. Beide hatten ausdrücklich angegeben, dass sie sich nicht für Naturwissenschaften interessieren. Um so überraschender, als im abschließenden Feedback beiden ein Studium der Physik oder der Chemie ans Herz gelegt wurde - eine Empfehlung, die auch nicht ihren schulischen Leistungen entspricht. Alexander Janik hat dazu einen Verdacht.

    "Ich könnte mir vorstellen, dass es ja in Deutschland einen zu großen Mangel an Naturwissenschaftlern gibt und dass die einfach gesagt haben, bei jedem, studier mal Physik oder Chemie, das brauchen wir."

    So einfach ist das natürlich nicht. So viele Faktoren werden in dem Test abgefragt, dass Überraschungen durchaus möglich sind. Heinrich Wottawa verweist auch darauf, dass der Name nicht zu Unrecht an das Orakel von Delphi erinnert.

    "Ich glaube, dass das auch richtig zum Ausdruck bringt, dass wir keine absoluten Wahrheiten verkünden mit diesem Test, sondern dass wir Hinweise geben. Dass man aber selbst darüber nachdenken muss und vor allem auch die Tipps, die wir geben, selbst überprüfen und selbst kontrollieren muss."

    Gut fanden Diego Sanchez und Alexander Janik, dass das Testergebnis Aufschluss darüber gibt, ob man sich von seiner Persönlichkeitsstruktur her eher für ein Angestelltendasein oder eine Führungsperson eignet. Auf solche Dinge kann man schon während des Studiums bei der Wahl der Praktika achten. Genauso, ob man sich eher für einen Kommunikationsjob eignet oder besser im stillen Kämmerlein vor sich hin forscht. Im Fall der beiden Abiturienten aus dem Ruhrgebiet war es leider so, dass sie sich offenbar für jede Herausforderung eignen.